Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Dennoch möchte ich meinen Beitrag mit einem kleinen Zitat beginnen, das zwar unter keinen Umständen den Ernst der heutigen Debatte infrage stellen soll, aber vielleicht auch etwas zur Verhältnismäßigkeit beitragen kann:

„Menschen, an denen nichts auszusetzen ist, haben nur einen Fehler: Sie sind uninteressant.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne ist der Finanzminister zurzeit ein unheimlich interessanter Mensch.

(Heiterkeit und Zurufe - Glocke des Präsi- denten)

Denn in der Tat ist vieles an der Abwicklung der Beschaffung eines neuen Computersystems durch das Finanzministerium auszusetzen. Ich sagte es bereits. Da ist von Schlampigkeit bei der Aktenführung bis zum Korruptionsverdacht bei der Vergabe des Computerauftrages eine ganze Palette von Vorwürfen

in den öffentlichen Raum gestellt worden, die das Potenzial für einen richtigen Politskandal haben.

Von Anfang an hat Finanzminister Möller als verantwortlicher Minister klar gemacht, dass er die volle politische Verantwortung für die Vorfälle in seinem Haus übernimmt. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe durch anonyme Hinweise auf einen an den geschätzten Kollegen Kubicki und fast die gesamte Landespresse gerichteten äußerst kritischen Landesrechnungshofbericht hat sich der Finanzausschuss in drei sehr langen und anstrengenden Sitzungen um umfassende Aufklärung bemüht. Der Finanzminister und seine Mitarbeiter haben den Ausschussmitgliedern in diesen Sitzungen ausführlich - ich wiederhole: ausführlich Rede und Antwort gestanden. Man kann kritisieren, dass nicht von Anfang an alle Aspekte auf den Tisch gelegt und vollständig untersucht worden sind - das habe ich ja bereits erwähnt -; denn das hätte den Verlauf der Sitzungen erleichtert. Deshalb ist der Stand der Dinge aus der Sicht des SSW auch weiterhin, dass der Finanzausschuss die Untersuchung der Vorfälle noch nicht zu den Akten legen kann. Von daher ist der Antrag auf die unverzügliche Entlassung des Finanzministers, der ja schon nach der zweiten Finanzausschusssitzung zu diesem Thema eingebracht wurde, wohl doch übereilt gestellt worden.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Der SSW hält weiter daran fest, dass der Finanzausschuss der richtige Ort ist, um sich detailliert und intensiv mit den genannten Vorfällen zu beschäftigen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lassen Sie mich heute noch einmal kurz meine vorläufige Einschätzung der Computeraffäre, die nun schon seit Wochen die Öffentlichkeit und auch den Landtag in Atem hält, darstellen. Ich will dies rückblickend tun. Damit meine ich, dass wir bei aller auch sehr berechtigten - Kritik an dem gesamten Vergabeverfahren des Mittelbewirtschaftungs- und Kosten- und Leistungssystems SAP nicht vergessen dürfen, was die ursprüngliche Zielsetzung dieses Projektes war und wie der heutige Stand ist.

Die Diskussion um die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung in der Landesverwaltung begann schon 1979 mit der Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Alle im Landtag vertretenen Parteien waren sich damals und sind sich sicherlich auch heute noch darin einig, dass zu einer modernen und effizienten Verwaltung die Einführung von modernen Steue

(Anke Spoorendonk)

rungsinstrumenten in den öffentlichen Haushalten gehört.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Einführung von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten wie Budgetierung oder Kosten- und Leistungsrechnung ist sozusagen ein Kernstück der notwendigen Verwaltungsmodernisierung. Vor diesem Hintergrund und mit voller Rückendeckung des Landtages und insbesondere des Finanzausschusses hat sich die Landesregierung ja dann auch 1997/98 darum bemüht, ein Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystem anzuschaffen. In der damaligen Diskussion spielte eine wichtige Rolle, bei der Anschaffung eines Computersystems keinen Sonderweg zu gehen. Schlechte Erfahrungen mit der Anschaffung anderer EDV-Lösungen, die nur für SchleswigHolstein galten, gab es in der Vergangenheit genügend. Deshalb sollte die gewählte Software sozusagen kompatibel mit der Software anderer Bundesländer sein.

Angesichts dessen, dass zehn von 16 Bundesländern auch die Software von SAP in der einen oder anderen Form nutzen, kann die gewählte Lösung nicht ganz falsch gewesen sein.

(Zuruf von der FDP: Das ist doch nicht zu fassen!)

Eingedenk der Probleme, die es immer bei der Einführung von neuen EDV-Systemen gibt, scheint uns das gewählte System immer noch zukunftsweisend zu sein. So weit, so gut - rückblickend betrachtet.

Der Landesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht das Vergabeverfahren als fehlerhaft und die gewählte Lösung als zu teuer für das Land. Sehr kritisch sieht der Landesrechnungshof heute insbesondere, dass die Bietergemeinschaft debis/SAP von einem externen Gutachter nur auf Platz 5 platziert wurde, weil ihr Angebot bis zu dreimal so teuer war wie die Angebote anderer Bieter.

(Martin Kayenburg [CDU]: Eben! Wir haben für die anderen mitbezahlt!)

Dennoch bekam sie am Ende den Zuschlag. Dazu wurde kein Vergabevermerk, sondern nur eine Kabinettsvorlage erstellt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es ist zu laut im hohen Haus - nicht nur im Plenum.

Wenn man weiß, dass die Forderung nach einer gemeinsamen Lösung mit anderen Bundesländern eine der wichtigsten Prämissen für die Vergabe des Auftrages war, ist es natürlich rückblickend sehr verwunderlich, dass dieses Kriterium in der ersten Phase des Ausschreibungsverfahrens keine Rolle spielte. Nur so kann man auch erklären, dass der externe Gutachter debis/SAP nur auf Platz 5 sah. Der entscheidende Fehler im Vergabeverfahren ist also schon in dieser Phase gemacht worden.

Im Frühjahr 1998 wurde der Finanzausschuss in mehreren Sitzungen ausführlich über die Entscheidung des Finanzministeriums informiert. Natürlich haben sich die Finanzausschussmitglieder schon damals darüber gewundert, dass ein Bieter, der vom Gutachter nur auf Platz 5 gesetzt worden war, den Zuschlag für einen Vertrag in einer solchen Größenordnung erhielt. Der Landesrechnungshof hat damals sehr schnell seine Kritik am Zuschlag für diese Bieter geäußert. Diese Kritik, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde aber im Ausschuss nicht so stark vorgetragen, dass wirkliche Zweifel an der Entscheidung aufkamen. Der Finanzausschuss hat dann auch die Mittel für die Einführung des EDV-Systems unter der Bedingung einer so genannten „Reißleine“ im endgültigen Vertrag mit debis/SAP unter Vorlage einer Machbarkeitsstudie einstimmig freigegeben. Beide Bedingungen sind unserer Meinung nach später nachweislich vom Finanzministerium erfüllt worden.

Sowohl im Finanzausschuss als auch in der Kabinettsvorlage ist also plausibel erklärt worden, warum debis/SAP den Zuschlag bekam. Aus der Sicht des SSW kann deshalb nicht davon die Rede sein, dass dem Land durch die Entscheidung für diesen Bieter ein finanzieller Schaden entstanden ist. Die anderen Bieter waren zwar formal billiger, boten aber nicht den gleichen Service und die gleichen Leistungen oder konnten eben nicht die Forderung nach Kompatibilität erfüllen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt nicht!)

- Natürlich stimmt das.

Dazu kommt, dass Staatssekretär Döring im Finanzausschuss überzeugend auf die neuesten Erkenntnisse hinsichtlich des künftigen Personalbedarfs hingewiesen hat. Die Angaben über Gesamtkosten von mehr als 800 Millionen DM lassen sich deshalb unserer Meinung nach nicht aufrechterhalten. Der Landesrechnungshof mag hier anderer Ansicht sein, aber vorläufig müssen wir von der Richtigkeit der Zahlen des Finanzministeriums ausgehen.

(Anke Spoorendonk)

Recht hat der Landesrechungshof allerdings mit seiner Kritik bezüglich des mangelhaften Vergabeverfahrens und insbesondere mit seinem Hinweis, dass eine Kabinettsvorlage keinen schriftlichen Vergabevermerk ersetzt.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Das ist für ein Finanzministerium, das die Vergaberichtlinien für alle öffentlichen Behörden des Landes herausgibt, äußerst peinlich.

(Beifall bei FDP und CDU)

In diesem Fall ist, wie ich schon mehrfach gesagt habe, wirklich geschlampt worden. Hierfür trägt der Minister die politische Verantwortung. Allerdings hat der Minister schon Konsequenzen aus diesem mangelhaften Verfahren angekündigt. So soll beispielsweise die GMSH künftig verstärkt als Beratungsinstanz bei der Vergabe von großen Aufträgen genutzt werden.

Für den SSW bleibt daher die entscheidende Frage, ob die anderen Bieter wegen des nachweislich mangelhaften Verfahrens Schadensersatz fordern können. Wäre das der Fall, würde dies das Land aller Wahrscheinlichkeit nach Millionen Euro kosten.

Wir meinen aber, dass der Finanzminister durch das im Finanzausschuss erläuterte Gutachten dargelegt hat, dass sich aus dem fehlerhaften Vergabeverfahren nach den Regeln, die vor 1999 galten, keine Rechtsansprüche der anderen Bieter ableiten lassen und dem Land somit kein Schaden entstanden ist.

Ich bin keine Juristin und muss mich daher auf ein Gutachten einer renommierten Anwaltskanzlei verlassen können. Der Kollege Kubicki hat natürlich das Recht, uns und die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Zu den Korruptionsvorwürfen ist schon einiges gesagt worden; die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet worden.

Ich fasse zusammen: Natürlich gibt es noch Ungereimtheiten, die wir im Finanzausschuss gerne weiter geklärt hätten. Allerdings gibt es nach dem heutigen Stand der Dinge aus der Sicht des SSW keinen Grund für einen Rücktritt des Finanzministers.

(Zuruf von der FDP)

Auch einem Untersuchungsausschuss, wie von der FDP gefordert, stehen wir skeptisch gegenüber; denn gerade die Erfahrungen mit dem letzten Untersuchungsausschuss, den der Schleswig-Holsteinische Landtag eingesetzt hat, sollten uns zu denken geben.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, würden Sie bitte Ihren Schlusssatz formulieren!

Ich komme zum Schluss. Wir werden also weiterhin im Finanzausschuss und in der Haushaltsprüfgruppe mitarbeiten; denn dort muss diese Sache aufgeklärt werden.

(Unruhe und Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist der „Tag des Lärms“ von der Tagesordnung abgesetzt worden.