Schade. Mir fiel dazu nämlich „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ von Heinrich Böll ein. Einige werden wissen, dass Dr. Murkes, Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt, die Schnauze gestrichen voll hatte von allen politischen Reden, die er sich mit anhören musste,
und anfing, die Pausen, das heißt das Schweigen, aus den Reden herauszuschneiden. Ich wäre gespannt, wie er auf die heutige Debatte reagiert hätte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Oppositionsführer, Ihren Versuch, den Finanzminister Möller und mich in eine Ecke zu stellen, wo Sie uns persönlich bewusstes, schuldhaftes, ja sogar strafrechtlich relevantes Verhalten vorwerfen, weise ich entschieden zurück.
Auch Ihre Wortwahl zu Beginn Ihrer Rede, als Sie unter anderem von uns als Profiteuren sprachen, erinnert mich fatal an einen Stil, den ich in diesem hohen Haus überwunden geglaubt habe.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zu dem, worum es im Kern geht. Mit welchem System
stellt die Landesverwaltung ihre Haushaltsführung auf betriebswirtschaftliche Grundsätze um, wie und von wem wurde dieses System ausgewählt? Diese und ähnliche Fragen haben in den vergangenen Wochen und auch heute wieder für große Aufmerksamkeit gesorgt, insbesondere auf der rechten Seite.
Wir haben dazu verschiedene Meinungen gehört und jeder hat sich bemüht - bemüht; ob es gelungen ist, weiß ich nicht -, daraus seine Folgerungen zu ziehen, seine rechtlichen Standpunkte dazu darzulegen.
Was mich an dieser Diskussion so erstaunt, ist, wie leicht doch Maßstäbe verrutschen können. Da wird die Entscheidung für einen Softwareanbieter schnell zu einer brennenden Frage, gegen die eine Reise im Auftrag von UNICEF ins bürgerkriegszerstörte Kabul nur ein Campingurlaub ist.
Herr Lehnert, wer derartig daneben greift, hat aber nun wirklich jedes Recht verloren, hier über Moral in der Politik zu reden.
Wer einen so leichtfertigen Vergleich zieht wie Sie, zeigt, dass ihm die Inszenierung eines vermeintlichen Skandals wichtiger ist als das erschreckende Leid und die Not, in der Kinder, Frauen und Männer heute in Afghanistan leben müssen.
Die einen wollen im Finanzausschuss von Finanzminister Möller noch viele offene Fragen beantwortet haben; gleichzeitig stellen die anderen schon einmal einen Antrag auf seine Entlassung. Das zeigt doch, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern um möglichst viel Krach. Das zeigt auch die Wortwahl „Skandal“, „Computerskandal“ und so weiter, um den es sich im Übrigen nicht handelt, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mit großem Eifer wird versucht, die Verantwortung von Politik und Verwaltung miteinander zu vermischen.
Im Vergabeverfahren sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Das ist schlecht. Wir müssen jetzt genau klären, wie es dazu gekommen ist.
Das sieht Finanzminister Möller genauso wie ich und hat in seinem Haus alle notwendigen Schritte zur Klärung eingeleitet.
Was Herrn Dr. Lohmann geht, so liegen weitere Schritte in den Händen der Staatsanwaltschaft und in der Disziplinarhoheit des Dienstherrn. Mehr ist meinerseits zu diesem Kapitel im Moment nicht zu sagen, sondern die Verfahren sind abzuwarten.
Der Finanzausschuss fragt den Finanzminister, die FDP-Landtagsfraktion macht ein eigenes Gutachten und schließlich fragt der FDP-Bundestagsabgeordnete Koppelin auch noch bei der Bundesregierung nach. Ganz zufällig vergisst er jedoch in seiner Frage zu erwähnen, wann das Vergabeverfahren ausgeschrieben worden ist.
Inzwischen hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf, Herrn Koppelin darauf hingewiesen, dass sich aus der 1999 geänderten Rechtslage keine rückwirkenden Ansprüche ergeben, wie es Herr Koppelin offensichtlich konstruieren wollte.
Ich bin sehr sicher, Herr Kollege Kubicki, diese Klarstellung hat in der Zwischenzeit auch Sie erreicht.
Nun mag es ja durchaus gute Gründe geben, sich von verschiedenen Juristen Auskünfte zu holen, um so für die Zukunft mehr Sicherheit zu bekommen. Hier geht es allerdings nicht um die Zukunft, sondern nur um eine Was-wäre-denn-gewesen-wenn-Diskussion und die, meine sehr verehrten Damen und Herren, bringt uns überhaupt nicht weiter.
Die Experten, die das Finanzministerium befragt hat, sagen uns, dass aus einem fehlenden Vergabevermerk kein Schadenersatzanspruch gegen das Land abge
leitet werden kann, und auf der rechten Seite spüre ich schon die Wehmut, wenn man diesen schönen Punkt abschreiben kann, dass das Land nun nicht zahlen und nicht blechen muss, sondern im Gegenteil aus dieser Sache ohne eine Schadenersatzklage herauskommt. Was hätten Sie eigentlich gern - dass wir draufzahlen müssen oder nicht?
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoo- rendonk [SSW] - Holger Astrup [SPD]: Gute Frage!)
Ich meine, Sie müssen auch schon einmal ein bisschen klarmachen, welches Ihre politischen Ziele in dieser Sache sind.
Im Übrigen, ein solches Ansinnen liegt im Moment nicht vor. Wenn es ein solches Ansinnen gäbe, würden im Zweifel die Gerichte und würde nicht die Opposition entscheiden.
In den vergangenen Jahren gab es ein immer wiederkehrendes Muster: Die Opposition ist dagegen. Das ist zunächst ihr gutes Recht. Gestern war es die Beteiligung der WestLB an der Landesbank, die Sie veralbert haben, heute steht unsere Bank so stark da wie noch nie. Heute ist es das Engagement von debis/SAP in Schleswig-Holstein. Hier waren wir Vorreiter. Fast alle anderen Länder haben mittlerweile aus gutem Grund nachgezogen. Welcher Investor wird es eigentlich morgen sein?
Investor in Schleswig-Holstein zu werden, setzt schon eine beinahe selbstquälerische Lust voraus, sich als Firma durch die Opposition durch den Kakao ziehen zu lassen, was eigentlich keiner gern im Blick auf seine Bilanzen tut.
Man könnte Ihnen noch mehr Beispiele vortragen. Ich finde, Sie sollten im Interesse des Landes mit diesem durchsichtigen und provinziellen Spielchen aufhören.