Den möglicherweise dahinter stehenden Glauben, man könnte das über die Kommunen finanzieren, halte ich nicht für realistisch, wenn man sich die Situation der kommunalen Finanzen vor Augen führt.
Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen, der mir in diesem Zusammenhang besonders am Herzen liegt. Wir haben in dieser Republik nämlich nicht nur überschuldete Haushalte, sondern auch noch andere Probleme.
Ich möchte an dieser Stelle nur zwei nennen. Das eine betrifft die Polizei. Wir haben im letzten Jahr zusätzliche Mittel für die Polizei bewilligt.
Ich glaube, nach dem 11. September und nach Schill wird keine Fraktion in diesem Landtag auftreten und ernsthaft relevante Kürzungen bei der Polizei fordern.
(Martin Kayenburg [CDU]: Wer hat das denn gefordert? - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch einmal zu, damit Sie die Logik begreifen!)
Das zweite Problem ist Folgendes: Es ist eine Studie vorgelegt worden, die PISA heißt. Auch wenn Sie es noch nicht gemerkt haben, Herr Kayenburg: Sie wird von uns erhebliche Anstrengungen sowohl im Schulals auch im Hochschulbereich erfordern, die kaum kostenneutral zu bewältigen sein werden.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben nicht mitgemacht! Sie haben versagt! - Konrad Na- bel [SPD]: Achten Sie auf Ihren Blutdruck, Herr Kayenburg!)
Ich glaube, Finanzminister Möller hat Recht. Wir werden in den nächsten Jahren zu dramatischen Strukturentscheidungen in Bezug auf unser Steuer- und Sozialsystem durch den Bund kommen müssen, wenn die Finanzausgleiche gelingen sollen. Darüber hinaus werden wir zusätzliche Finanzquellen zur Finanzierung von Kinder-, Jugend- und Bildungspolitik erschließen müssen.
Meiner Auffassung nach werden wir eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Jugend und Bildung“ brauchen. Darum kommen wir nicht herum.
Wer sich ernsthaft mit der Situation beschäftigt, die wir in den letzten Monaten diskutiert haben, wird mir zustimmen. Wer das will, der muss auch darüber reden, wie das gelingen kann. Es nützt überhaupt nichts, dass wir uns gegenseitig Vorwürfe machen oder die Augen davor verschließen. Wir werden um eine Finanzierung der Aufgaben, die uns im Rahmen der Jugend- und Bildungspolitik gestellt worden sind, nicht herumkommen. Die Aufgaben werden überwiegend bei den Kommunen und den Ländern anfallen. Wir werden mit dem Bund darüber reden müssen, wie das finanziert werden kann.
In Richtung derjenigen, die glauben, wir könnten von einer Steuersenkung zur nächsten marschieren - diese Auffassung ist zum Teil bei der CDU, überwiegend aber auch bei der FDP vorhanden -, sage ich: Die Gesellschaft steht vor einer grundlegenden Wertentscheidung. Diese lautet: Will diese Gesellschaft überhaupt noch Kinder oder nicht?
Wir haben alle wesentlichen Lasten der Vorsorgerisiken sozialisiert. Das gilt für das Alter und für die Altenpflege. Das gilt auch für Krankheiten. Was wir aber nicht sozialisiert haben, sind die mit Kindern verbundenen Lasten. Kinder sind das Privatvergnügen einiger Spinner geblieben, die es sich noch leisten, Kinder zu haben.
Wenn die Mehrheit unserer Wählerinnen und Wähler aus Yuppies, Dinks, reiselustigen Rentnerinnen und Rentnern und Workaholics besteht,
die Kinder für überflüssig halten, dann stellt sich die Frage, wer in Zukunft überhaupt noch unsere Renten bezahlen soll.
- Herr Wadephul, ich kann eine Zwischenfrage nicht mehr zulassen, weil ich meine Redezeit bereits überschritten habe.
Angesichts dessen bin ich der Meinung, dass wir eine solche Grundsatzentscheidung treffen müssen, und zwar alle gemeinsam. Wir werden die Kraft für eine solche Entscheidung aufbringen müssen.
Ich glaube, da sind wir alle gefordert. Ich kann Sie nur aufrufen, diese Debatte ernsthaft zu führen und nicht mit den Schattenkämpfen der Art, die Sie immer führen, Herr Kayenburg, weiter zu machen. Das hilft niemandem und das führt vor allen Dingen nicht zur Lösung der Probleme.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Sprecherin, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Deutschland, das ja 1996 als Preis für die Einführung des Euro den Stabilitätspakt gefordert hatte, jetzt zusammen mit Portugal das erste EU-Land ist, das in Gefahr war, die vorgeschriebene Abmahnung von der EU-Kommission zu bekommen.
(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist nicht Iro- nie, das ist die Konsequenz aus der sozialde- mokratischen Regierung!)
- Ich denke, das ist schon eine gewisse Ironie. Aber es lässt sich darüber streiten - ich denke, auch das muss einmal gesagt werden -, ob die Kriterien des Stabilitätspaktes in Zeiten wirtschaftlicher Probleme auch wirklich sinnvoll sind.
- Lassen Sie mich einmal meinen Gedanken zu Ende führen. Es gibt durchaus anerkannte Experten, die der Meinung sind, dass zum Beispiel das Kriterium von maximal 3 % Haushaltsdefizit in einer Schwächephase der Wirtschaft kontraproduktiv ist.
Ich kann es auch genau wie der niedersächsische Ministerpräsident Gabriel formulieren, der in einem Interview gesagt hat: Schon im ersten Semester der Volkswirtschaftsstudiums lernt man: Wenn durch einen Konjunktureinbruch Steuereinnahmen wegbrechen, darf man nicht auch noch die Ausgaben kürzen, sondern muss in Kauf nehmen, dass das Senken der Neuverschuldung eben etwas länger dauert. Ich fasse zusammen: Der Stabilitätspakt ist in dieser Frage nicht der ökonomischen Realität angepasst.
Ich kann noch ein weiteres Zitat bringen. Ich las einen ganz interessanten Artikel in einer großen dänischen Zeitung - das ist der Vorteil, wenn man zweisprachig ist -,
in dem problematisiert wurde, warum man bei dem EU-Stabilitätspakt nicht von der gleichen Berechnungsgrundlage ausgegangen ist wie zum Beispiel bei dem Internationalen Währungsfonds oder bei der OECD, wo man von krisenbereinigten Zahlen ausgeht. Ich sage das nicht, um die Diskussion irgendwo anders hinzuführen, aber man muss in dieser Diskussion auch sachlich bleiben können.
- Was habe ich gesagt? Bundesfinanzminister Eichel hätte eigentlich genügend Argumente gehabt, um diesen so genannten blauen Brief abzuwehren.
- Abzuwehren! Von daher ist seine Zusage, das Haushaltsdefizit der Bundesrepublik bis zum Jahr 2004 nahezu auf Null zu bringen, abenteuerlich und töricht;