Protokoll der Sitzung vom 22.02.2002

Meine Damen und Herren, Verärgerung über den angerichteten materiellen Schaden und den Imageschaden vor allen Dingen darüber hinaus muss aber angesagt werden. Wenn die Landeszeitung titelt: „26.000 Rinder sind nicht genusstauglich“, liest das der Verbraucher ja, und wenn sich mittlerweile selbst Mc Donald’s nicht mehr traut, seinen Kunden ohne Weiteres Rindfleisch anzubieten, ist das etwas, was nicht quantifizierbar ist.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Nein, Kollege Hay, Sie werden mich dort nicht finden - damit kein Verdacht aufkommt.

Also nicht nur die bayerischen Kunden sind verunsichert. Die bayerischen Verhältnisse haben natürlich bundesweite Auswirkungen. Unter den neuen Testskandalen leiden die Landwirte in Schleswig

(Friedrich-Carl Wodarz)

Holstein genauso. Die osteuropäischen Länder haben mittlerweile ihre Märkte wieder einmal dicht gemacht. Und die EU überlegt riesige Rückzahlungsforderungen, denn sie subventioniert jeden Test mit mittlerweile 15 €. Ich stimme Frau Franzen voll zu, wenn sie in dieser Frage das Verursacherprinzip einfordert. Es ist überhaupt nicht einzusehen, auch wenn der Kollege Ehlers und der Kollege Hopp ganz gerne immer wieder den Steuerzahler heranziehen, dass der Steuerzahler für bayerische Speziwirtschaft zu zahlen hat.

(Zuruf von der CDU: Aber wenn Stoiber Kanzlerkandidat ist, ist das ein bayerisches Problem!)

- Klaus, das Problem habt ihr, glaube ich, ihr habt ein größeres mit dem großen „Stotterkommunikator“.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussion über die Höhe der Testgebühren in Schleswig-Holstein. Jeder Pfennig war den CDU-Agrariern zu viel. Es gab immer wieder den Hinweis auf die bayerischen Supermänner.

Meine Damen und Herren, Sie sollten die CDUAnfrage öfter einmal lesen. Warum packen Sie das Ding weg? Die CDU-Anfrage brachte es doch an den Tag: In Bayern wurde nur privat getestet. Es gab überhaupt keine staatlichen Einrichtungen. Der Witz dabei ist: Die Preise für BSE-Tests in Bayern waren bundesweit mit die höchsten und sie wurden vom Land subventioniert. Was heißt „vom Land subventioniert“? Die Steuerzahler haben wieder einmal gezahlt. Der Skandal an der Geschichte ist: alles ohne wirksame Kontrolle.

Da die Lampe aufblinkt, möchte ich an dieser Stelle nur noch etwas klarstellen. Auch ich lasse mich nicht auf die Diskussion ein, dass staatliche Labore besser seien als private. Hier bedarf es einer entsprechenden Aufsicht. Wenn der Kollege Jensen-Nissen die Ministerin Künast anmahnt, doch bundeseinheitliche Teststandards einzuführen, weiß er doch, dass das Ländersache ist. Dann wollen wir erst einmal die Bayern unter einen Hut bekommen. Das ist wahrscheinlich sehr schwierig.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich habe überzogen. Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin jetzt auch am Schluss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nun erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. HappachKasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Wodarz! Ich glaube, wir sollten uns doch daran erinnern: Wir sind hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag und haben die Politik des Landes Schleswig-Holstein zu beurteilen und nicht die von Bayern. Wenn man dort Fehler macht, ist das deren Problem, nicht unseres.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Ministerin hat die Situation bei den Laboren, denen Fehler nachgewiesen worden sind, dargestellt. Es waren zwölf Labore, eines davon war nicht zugelassen. In Bayern wurden 39.500 Tests durchgeführt. Hinzu kommen 18.000 Tests in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Bremen.

BSE-Tests - auch das ist hier gesagt worden - werden durchgeführt, um insbesondere bei als gesund geschlachteten und für den menschlichen Verzehr bestimmten Tieren das Vorliegen der Krankheit aufzuspüren.

Wir wollen verhindern, dass sich Menschen durch den Genuss von Fleisch BSE-kranker Tiere infizieren und in der Folge an der neuen Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit erkranken. Wir wollen, dass das Rindfleisch, das bei uns gegessen wird, sicher ist.

BSE-Tests machen nur Sinn, wenn die Ergebnisse belastbar sind. Dafür müssen die Tests mit großer Sorgfalt durchgeführt werden. Bei der Forderung nach bundeseinheitlichen Standards wird vergessen, dass der Hersteller von Tests für diese genaue und exakte Vorgaben macht, die eingehalten werden müssen; denn nur dann sind die Tests valid. Nur so kann das Vertrauen der Verbraucher von Rindfleisch zurückgewonnen werden.

Ich will an Folgendes erinnern: Bis jetzt sind in Deutschland 3,2 Millionen Rinder auf BSE getestet waren. Davon waren 2,85 Millionen gesund geschlachtete beziehungsweise Kohortentiere. Insgesamt wurden 158 BSE-Fälle aufgedeckt, davon 46 Fälle bei gesund geschlachteten beziehungsweise bei Kohortentieren. Auf knapp 62.000 als gesund geschlachtete Tiere

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt „gesund geschlach- tet“?)

- lesen Sie bitte bei Frau Künast nach, dort wird es Ihnen ausführlich erklärt, Herr Kollege Hentschel kam ein an BSE erkranktes Tier. Von den 3,2 Millionen Tests sind 57.000 aufgrund der Durchführung der Dokumentation oder wegen fehlender Zulassung des

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Labors beanstandet worden. Das entspricht einer Beanstandungsquote von 2 %. Ich will deutlich sagen: Das ist zuviel.

(Beifall bei CDU und FDP)

Damit ist aber nicht gesagt, dass alle Testergebnisse falsch waren. Das Problem ist: Wir wissen es nicht, aufgrund der Fehler in der Durchführung können wir es nicht beurteilen. Der Aufdeckung von fehlerhaft durchgeführten Tests folgte sogleich die Forderung, BSE-Tests nur noch in staatlichen Laboren zuzulassen. Ich bin froh, dass wir in diesem Hause die Diskussion „privat kontra staatlich“ nicht führen. Eine solche Forderung ist nicht nur vorschnell, sondern würde auch zu einer dramatischen Fehlentwicklung führen.

Wir wollen uns doch an Folgendes erinnern: Der BSETest wurde von einem privaten Labor entwickelt. Die ersten Tests wurden alle in privaten Laboren durchgeführt. Staatliche Labore haben BSE-Tests zunächst nicht angeboten. Das heißt doch, wir brauchen den Unternehmergeist, wir brauchen die Kreativität privater Labore.

Es wurden bisher nur private Labore kontrolliert. Wir wissen nicht, wie in den einzelnen staatlichen Laboren gearbeitet wird. Kollege Jensen-Nissen hat hervorgehoben, dass er annimmt, dass in Neumünster ordentlich gearbeitet wird. Aber es bleibt die Forderung - die Ministerin hat dies auch gesagt -, auch staatliche Labore zu zertifizieren und die Durchführung der Tests zu kontrollieren.

(Beifall bei der CDU)

Dass auch staatliche Labore Fehler machen, haben wir erst kürzlich in Schleswig-Holstein erfahren. Mehr als 46.000 Proben, die auf den Rinderherpesvirus getestet wurden, müssen erneut untersucht werden, weil das Testergebnis unsicher ist.

Vom Veterinäruntersuchungsamt in Neumünster ist ein falsches Testverfahren gewählt worden - Kosten nach Berechnung des Bauernverbandes dafür 368.000 €. Diese Kosten hat das Land zu tragen; denn es hat den Schaden verursacht. Die Ministerin hat schon zugesagt, sich dafür einzusetzen - was noch nicht heißt, dass auch gezahlt wird. Das Beispiel zeigt aber: Es kommen überall Fehler vor, wir müssen eine Strategie entwickeln, die zur Verminderung von Fehlern beiträgt.

Es ist völlig verfehlt, aus der Beanstandung von BSE-Tests in einzelnen privaten Laboren darauf zu schließen, dass nur staatliche Labore geeignet sind, ordentliche Tests durchzuführen.

Um die Sicherheit von BSE-Tests zu erhöhen, schlage ich vor, es nicht beim verbalen Schlagabtausch zu belassen, sondern einen Ringversuch vom Referenzlabor in Tübingen durchführen zu lassen. Dafür müsste bekanntes Material in anonymisierten Proben von verschiedenen staatlichen wie privaten Laboren untersucht und befundet werden. Die Ergebnisse müssten dann jeweils mit denen des staatlichen Referenzlabors in Tübingen verglichen werden. Auf diese Weise ließe sich die Verlässigkeit staatlicher und privater Labore objektiv feststellen.

Dass private Labore ordentlich arbeiten, wissen wir alle aus der Humanmedizin. Dort ist es üblich, Proben fast ausschließlich an private Testlabore zu geben. Insgesamt stellt sich aber doch die Frage, ob das Problem nicht vielmehr in dem Nebeneinander von staatlichen und privaten Laboren bei der Durchführung von Massentests liegt. Es muss zu einem ruinösen Preiskampf kommen, wenn mit öffentlichen Mitteln finanzierte staatliche Labore Tests anbieten,

(Glocke des Präsidenten)

mit deren subventionierten Preisen dann private Anbieter konkurrieren müssen, wenn in dem einen Bundesland die Tests vom Land bezahlt werden, in dem anderen aber nicht. Die staatlichen Labore sollten sich aus diesem Massengeschäft zurückziehen und sich auf die Kontrolle der Labore beschränken. Bei der Erledigung von Routineaufgaben haben staatliche Labore nichts zu suchen.

Was wird denn mit der kürzlich errichteten Anlage zur Durchführung von BSE-Tests in Neumünster werden, wenn in ein bis zwei Jahren ein Lebendtest auf dem Markt ist, der in dieser Anlage nicht mehr durchgeführt werden kann?

Frau Abgeordnete, formulieren Sie bitte einen Schlusssatz.

In Schleswig-Holstein wurde die BSE-Krise genutzt, um in Neumünster ein staatliches Labor aus dem Boden zu stampfen. Auch wenn das Labor aufgrund seiner Monopolstellung BSE-Tests zu einem guten Preis durchführen kann, halte ich diese Entscheidung langfristig für falsch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Jetzt erteile ich dem Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen sie mich drei Bemerkungen zu dieser Diskussion machen.

Die erste: Der Kollege Jensen-Nissen, glaube ich, sagte, dass wir zufrieden seien, dass es ob dieser Erkenntnisse keine so große Aufregung gegeben habe.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Das war ich nicht! - Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Erst richtig einordnen!)

Die Ministerin war es, Entschuldigung. Das ist ja auch richtig so.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass, seit Renate Künast Verbraucherschutzministerin auf Bundesebene ist, das Vertrauen in die Politik sehr gewachsen ist. Dieses Vertrauen, das daher rührt, dass wir auf Bundesebene eine starke Ministerin haben, die sich auch durchsetzt, hat viel dazu beigetragen, dass es in dieser Situation nicht zu Panikreaktionen gekommen ist. Das hat die Europäische Kommission am Montag dieser Woche bestätigt, indem sie - ich zitiere da aus der AFP der EU-Kommission - die schnelle und entschlossene Reaktion Deutschlands nach der Entdekkung fehlerhafter BSE-Tests würdigte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Vorgehensweise hat wesentlich dazu beigetragen, um den Verbrauchern zu versichern, dass ihre Gesundheit nicht in Gefahr ist. So reagierte auch Verbraucherschutzkommissar David Byrnes auf den Bericht, den Renate Künast im Agrarausschuss der EU Anfang dieser Woche gegeben hat. Wir können nur Vertrauen herstellen, indem wir sehr entschlossen und schnell diskutieren und hier nicht eine Diskussion anfangen, wie das einige Rednerinnen und Redner der Opposition getan haben, die eine Art Verteidigungslinie der Privatisierung staatlicher Leistungen errichten wollten.