Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Das bedeutet, Umwelt, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit sind Aufgaben für jedes Land. Sie können sich darüber lustig machen, Frau Aschmoneit-Lücke,

(Zurufe)

aber Sie verstehen nichts von sozialer Wärme. Soziale Kälte ist Ihre Politik. Das haben Sie heute mit diesem Antrag wieder untermauert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Widerspruch bei der FDP)

Ich wünsche mir, dass Ihr Antrag in diesem Landtag nicht zur Beratung in einen Ausschuss überwiesen wird. Ich wäre den Koalitions- und anderen Fraktionen sehr dankbar, wenn man hier ein klares Signal setzen würde, dass in diesem Land von den tragenden politischen Gruppierungen ein gegenseitiges Ausspielen von Denkmalschutz und Eine Welt nicht gewollt ist, das bestätigt, dass BingoLotto ein gutes, kluges Instrument für eine moderne Finanzierung der Arbeit im Bereich der nachhaltigen Entwicklung - das sind Umwelt und Eine Welt - ist. Ich würde mir wünschen, dass Sie ein klares Signal setzen, dass sich in der Zivilgesellschaft jeder frei entscheiden kann: Kaufe ich ein solches Los, tue ich das nicht, spende ich für eine Denkmalstiftung, tue ich das nicht. Meines Erachtens ist der Antrag der FDP kein guter Antrag. Es wäre nett, wenn er abgelehnt würde.

(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Klug.

Das, was der Herr Jungminister Müller zum Thema Prinzipientreue und Überzeugungskraft gesagt hat, veranlasst mich doch in Bezug auf die Grünen zu folgender Feststellung: Wenn es nach der Funktionärskaste der Grünen ginge, würde auf der anderen Seite der Kieler Förde eines Tages der erste deutsche Flugzeugträger vom Stapel laufen, Angelika Beer eine Flasche Schampus am Rumpf zerschellen lassen und dabei ausrufen: „Ich taufe dich auf den Namen Joschka der Große.“ So weit zu den Grünen!

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag an den zuständigen Fachausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Also keine Überweisung.

Dann stimmen wir in der Sache ab. Wer dem Antrag der FDP seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist der Antrag gegen die Stimmen von CDU und FDP mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt worden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Schwellenwerte für Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1599

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Schmitz-Hübsch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu einem weniger kontroversen Thema.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit.

Es geht um grüne Gentechnik. In Europa wurde 1997 beschlossen, alle Produkte zu kennzeichnen, die gentechnisch veränderte Pflanzen oder Organismen enthalten oder aus solchen bestehen oder die mithilfe von GVP hergestellt wurden. Sie müssen gekennzeichnet werden, wenn ein Schwellenwert von 1 % überschritten wird. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr sollen zukünftig gentechnisch veränderte Organismen nicht nur in Nahrungsmitteln, sondern auch in Futtermitteln entsprechend gekennzeichnet werden. Gleichzeitig wurden Eckwerte für eine Kennzeichnung von Saatgut vorgeschlagen, wobei die Schwellenwerte von 0,0% bis 0,7% gestaffelt werden sollen.

(Brita Schmitz-Hübsch)

Zu dieser Situation möchte ich fünf Bemerkungen machen: Erstens. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die grüne Gentechnik durch eine Vielzahl von Vorschriften in eine Sonderrolle gedrängt wird, die bewusst Angst erzeugen soll. Es bleibt festzuhalten, dass bisher keine Risiken für Mensch, Tier und Umwelt bekannt geworden sind, die über die Risiken herkömmlicher Pflanzen hinausgehen, Herr Minister, auch wenn Sie den Kopf schütteln.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Bisher wiesen Kennzeichnungen auf ein Risiko hin. Mit dem Begriff „Schwellenwert“ wird lediglich auf einen Gehalt an vorhandenen DNS hingewiesen, die man essen kann, ohne Schaden zu nehmen. Dennoch soll der Eindruck erzeugt werden, als drohten bei einer Überschreitung schwere gesundheitliche Schäden.

Drittens. Die Einführung von Schwellenwerten bei gentechnisch veränderten Pflanzen soll das Recht der Verbraucher auf Information sicherstellen. Es erhöht aber nicht die Sicherheit bezüglich der Gesamtqualität eines Nahrungsmittels.

Viertens. Sehr niedrige Schwellenwerte haben negative Auswirkungen auf die Forschung. Insbesondere der Schwellenwert 0 für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen bedeutet das Aus für die Forschung in Europa, weil unbeabsichtigter Pollenflug oder Durchwachs von Samen eben nicht zu 100 % ausgeschlossen werden können.

Fünftens. Schwellenwerte werden einen hohen Aufwand an Bürokratie erfordern, Frau Fröhlich. Man darf ja nur solche Gesetze machen, die man auch durchsetzen kann. Die Kontrolle von kleinsten GVPBeimischungen wird mit den bisherigen personellen Kapazitäten nicht zu erbringen sein. Das gilt auch für den von Minister Müller geforderten Gen-TÜV, was auch immer das sein mag. Frau Happach-Kasan hat dankenswerterweise einmal nachgefragt. Eine weitere Aufblähung des Apparates im Umweltbereich, die wir schon seit einer Weile beobachten, wird die Folge sein.

Fazit: Wir hegen den schwerwiegenden Verdacht, dass die Forderung nach Nulltoleranz beim Saatgut von interessierten politischen Kreisen als Hebel benutzt wird, um die grüne Gentechnik in Europa unmöglich zu machen, ja, sie langfristig zu verhindern. Das bedeutet: Abwanderung von Forschern nach Übersee, das bedeutet Export von Wissen, das bedeutet Export von Arbeitsplätzen. Und ich frage Sie: Wollen wir das wirklich?

Die grüne Gentechnik in Europa ablehnen heißt im Klartext, dass in der übrigen Welt gentechnisch verän

derte Pflanzen angebaut und zu Lebensmitteln verarbeitet werden dürfen, dass sie aber in Europa, und nur hier, zu einer angeblichen Vergiftung der Bevölkerung führen. Können wir das denn wirklich unterschreiben?

Meine Damen und Herren, die grüne Gentechnik ist nicht alles, sie ist keine Wunderlösung, aber sie ist eine Chance auch für die Landwirte und die Lebensmittelerzeugung in Europa. Ich fordere darum die linke Seite dieses Hauses auf, Augenmaß zu bewahren, praktikable Schwellenwerte festzusetzen, die sowohl die Rechte der Verbraucher wie auch die der Erzeuger berücksichtigen, und ich fordere Sie gleichzeitig auf, alles zu tun, um die Akzeptanz dieser Technik durch Information der Bevölkerung voranzubringen, statt die Menschen mit Horrorgeschichten zu verunsichern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Auf der Fachtagung, die die CDU-Fraktion am vergangenen Freitag zu diesem Thema veranstaltet hat, erklärte ein Wissenschaftler: „Die Akzeptanz der grünen Gentechnik ist auch ein Bildungsproblem!“ Ich bitte Sie, in diesem Sinne unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Höppner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir an dieser Stelle über Schwellenwerte für gentechnisch veränderte Anteile bei Lebensmitteln, Futtermitteln und Saatgut diskutieren, behandeln wir heute das Thema Kennzeichnungspflicht im Sinne des Verbraucherschutzes.

Die CDU-Landtagsfraktion - Frau Kollegin, Sie haben es angesprochen - hatte am 9. Oktober 2000 zu einer Fachkonferenz unter der Fragestellung: „Keine Zukunft für die grüne Gentechnik?“ eingeladen. In der Dokumentation zu dieser Fachkonferenz halten Sie fest, dass das größte Problem der grünen Gentechnik nicht ihr aktueller Stand, sondern die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung ist. Und sie fordert im Schlusssatz ihres Beitrages dazu auf, zum einen eine größere Transparenz herzustellen und zum anderen Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen und Kontrollen durchzuführen, auf die sich die Bevölkerung verlassen kann.

Professor Jung hat Ihnen während der Fachkonferenz deutlich gemacht, dass es Länder gibt, in denen die Akzeptanz gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln in den letzten Jahren sogar deutlich gesun

(Dr. Henning Höppner)

ken ist. Großbritannien wird von ihm als Beispiel angeführt. Im Übrigen sei hier angemerkt, dass der Trend zu ökologisch produzierten Lebensmitteln im Vereinigten Königreich inzwischen ein Ausmaß angenommen hat, das sich viele von uns, insbesondere die Verfechter der konventionellen Landwirtschaft, kaum vorstellen können. Sie können in Großbritannien fast jedes zweite Lebensmittel, auch Getränke, auch ColaGetränke, als ökologisch - „organic“, wie es dort heißt - produziertes Produkt erwerben. Ein wie von Verbraucherschutzministerin Renate Künast angestrebtes Ziel von 20 % ökologisch erzeugter landwirtschaftlicher Produkte ist in Großbritannien keine Utopie, sondern schon fast Realität.

Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, dass die Akzeptanzkurve gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmittelprodukten in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch europaweit eher gesunken ist, als dass sie sich ins Positive verändert hat. Der Vorstoß von EU-Verbraucherschutz-Kommissar David Byrne, gentechnisch veränderte Lebensmittel grundsätzlich, also auch bei sämtlichen Zusatzstoffen zu kennzeichnen, wird dem Verbraucher zukünftig die Chance geben, dass er bei seiner Kaufentscheidung zwischen drei Kategorien von Nahrungsmitteln wählen kann: einem natürlich erzeugten Lebensmittel, einem Nahrungsmittel mit gentechnisch veränderten Anteilen und einem mit gentechnisch veränderten Substanzen angereicherten Lebensmittel.

Wir wissen heute, dass ein Schwellenwert von 0,00 % bei vielen Pflanzen mit gentechnisch veränderten Anteilen in der Praxis kaum zu erreichen sein wird. Ein Null-Prozent-Schwellenwert hätte zur Folge, dass wie wir in der Anhörung erfahren konnten - auf sämtliche Freisetzungsversuche von GVO-Saatgut verzichtet werden müsste. Die Problemstellung heißt folglich, Schwellenwerte von GVO-Anteilen festzusetzen, die einerseits analysetechnisch noch nachweisbar sind und die andererseits im Hinblick auf die Erzeugung der Pflanzen und in der anschließenden Herstellungskette des Lebensmittels einhaltbar sind.

Die EU-Kommission hat hierzu mit dem Entwurf der Richtlinie 90/220 Vorschläge für abgestufte Grenzwerte gemacht, und zwar von 0 % für Anteile von GVO-Pflanzen, die nicht zugelassen sind, sowie Schwellenwerte für Saatgut von fremdbestäubten Pflanzen von 0,3 %, für selbstbestäubende und sich vegetativ vermehrende Pflanzen von 0,5 % und für anderes Saatgut, zum Beispiel Sojabohnen, von 0,7 %. Bei Überschreitung dieser Werte würde dann die Kennzeichnungspflicht eintreten.

Der Wissenschaftliche Ausschuss für Pflanzen - das ist das Beratungsgremium der EU-Kommission - hält

die Handhabung dieser Schwellenwerte bei Saatgut unter bestimmten Voraussetzungen für praktikabel. Diese Voraussetzungen sind durch Mindestabstände zwischen den Anbauflächen von konventionellen Pflanzen und GVO-Pflanzen sowie durch zeitliche Fristen in der Fruchtfolge beschrieben. Der Wissenschaftliche Ausschuss der EU-Kommission regt an, diesbezüglich Einzelvorschriften zu erlassen.

Es gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auf EU-Ebene durchaus die Bereitschaft, sich bei Lebensmitteln und Futtermitteln auf einen Schwellenwert von 1 % zu einigen. Aber - das sagen uns die Experten - dieser ist nur einzuhalten, wenn der Schwellenwert für Saatgut deutlich unter 1 % liegt.

Unser Ziel muss es bleiben, bei allen Möglichkeiten der grünen Gentechnik eine angemessene Sortenreinheit auch bei konventionellem Saatgut herzustellen. Ziel muss es sein, den Schwellenwert von GVOAnteilen im Sinne der Kennzeichnungspflicht so niedrig wie möglich zu halten. Es besteht daher gegenwärtig kein Anlass, die von der EU-Kommission angedachten Werte zu unterschreiten. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, halten wir Ihren Antrag derzeit für überflüssig. Wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei SDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Happach-Kasan.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hält den Antrag der CDU-Fraktion nicht für überflüssig und wird ihm zustimmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)