Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Auch in der K.E.R.N.-Region hat die Stadt Kiel nicht alle überzeugen können. Das halte ich für ernsthafter. Beide Landkreise der Region, die im Einzugsbereich dieses Flughafens liegen, nämlich die Kreise Rendsburg-Eckernförde und Plön, haben sich eindeutig gegen jeglichen Ausbau ausgesprochen und für den Fall, dass die Stadt Kiel das trotzdem möchte, ein Raumordnungsverfahren gefordert. Kiel hat anders beschlossen. Das muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen.

Der Kreis Rendsburg-Eckernförde hat letzte Woche sogar nachgelegt und beschlossen:

„Der Kreis... scheut bei Verletzung seiner Rechte keinen Rechtsstreit.“

In dieser Lage möchte ich zunächst die Gemeinsamkeiten zwischen den Regierungsfraktionen betonen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr beeindruk- kend!)

Wir wollen einen lebensfähigen Flughafen für den Regionalverkehr in Kiel. Nur über die Art und Weise der Realisierung gibt es Differenzen.

Der Rat der Stadt Kiel hat beschlossen, dass für den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau drei Ausbauvarianten geprüft werden sollen, der Ausbau auf 1.600 m, der Ausbau auf 1.600 m plus 300 m Overrun und der Ausbau auf 1.800 m plus 300 m Overrun. Weiter sollen unterschiedliche Ausbauvarianten der Straße mit Tunneln und Umfahrvarianten geprüft werden.

Die Zielsetzung dieses Ausbaus hat Stadtrat Dr. Rethage während der Ratsversammlung ausführlich erläutert:

„Sie können der Beschreibung des Luftfahrtreferats... entnehmen, wie sich die erforder

liche Start- und Landebahnlängen nach Greifen der JAR-OPS im Jahr 2004 entwickeln wird... Sie werden sehr schnell erkennen, dass wir für die beiden Flugzeuge, die wir heute hauptsächlich im Linienverkehr einsetzen..., die ‘ATR 42’ und die ‘ATR 72’..., auf jeden Fall tätig werden müssen... Wenn also nichts passiert..., wird der Flughafen sukzessives Fahrgastpotenzial verlieren, damit wird er dann an Attraktivität verlieren... und damit... an Bedeutungslosigkeit verlieren.“

Er meinte wohl: in die Bedeutungslosigkeit versinken.

Der Auftrag der Ratsversammlung Kiel lautet also zu prüfen, welcher Ausbau des Flughafens nötig ist, damit der bestehende Turbopropverkehr für die kommenden zehn Jahre fortgesetzt werden kann. An keiner Stelle, weder im Beschluss des Rates Kiel noch in einer der Reden der Ratsversammlung, die ich nachgelesen habe, ist von „jetzt“ die Rede.

Dagegen prüfen die zuletzt vorgelegten Gutachten nicht diese Fragen, nämlich die Fortsetzung des Turbopropverkehrs, sondern sie prüfen, welcher Ausbau für die beiden Regionaljets CAJ 200 und EMB 145 erforderlich ist.

Vor dem Hintergrund dieser Fakten muss ich schlicht feststellen, dass der Auftrag der Ratsversammlung Kiel durch die vorliegenden Gutachten nicht umgesetzt wurde. Er wurde sogar schlicht ignoriert.

Ich verzichte jetzt auf eine ausführliche Diskussion über die Horrorszenarien eines Zusammenbruchs des Flugverkehrs in Kiel. Dazu nur so viel. Ich war selbst in Sonderburg beim Vorsitzenden der Cimber Air und seinem Geschäftsführer. Beide haben mir versichert, dass die Cimber Air weiter fliegen wird, mit oder ohne Ausbau der Landebahn. Er hat auch gesagt, dass ein kleiner Ausbau im Winter hilfreich sei. Er hat übereinstimmend mit den Recherchen der Bürgervereinigung erläutert, dass für Flugstrecken von unter 600 Meilen, also 1.000 km - das ist der gesamte Raum London bis Stockholm, bis kurz vor St. Petersburg - Turbopropmaschinen erheblich wirtschaftlicher seien.

Meine Damen und Herren, wenn man angesichts der Finanzknappheit des Landes 50 Millionen € in die Hand nehmen will, sollte man doch zumindest alle Alternativen gründlich geprüft haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Genau das ist aber nicht der Fall. Bemerkenswert ist auch, dass bis zum heutigen Tag kein Finanzierungskonzept vorliegt. Die Ratsversammlung in Kiel war

(Karl-Martin Hentschel)

von einer Förderung des Flughafenausbaus zu 70 % und bei einer Finanzierung der Straßenverlegung zu 100 % durch den Bund ausgegangen. Auch diese Zahlen haben heute keinen Bestand mehr. Der Bund ist bereit, die Kosten für die Straße mit maximal einem Drittel zu fördern, und dies auch nur, wenn die Kriterien des Bundesverkehrswegeplans erfüllt sind. Aber dies ist nicht der Fall. Der Kosten-Nutzen-Koeffizient liegt bei etwa 2. Das ist die Hälfte dessen, was für ein entsprechendes Verfahren erforderlich ist.

Auch die Kosten geben viele Rätsel auf. Die Gutachter haben allein für den Ausbau des Flughafens ohne Straße Kosten von 36,4 Millionen € ausgerechnet. Das Ministerium hat in seiner Pressemeldung die Zahlen einfach ohne Mehrwertsteuer gewählt, also 31 Millionen €. Auch die Förderquote stimmt nicht; denn es handelt sich bei dem Flughafen in Kiel um ein lokales Projekt. Dazu stehe ich. Die Untersuchungen vom letzten Jahr, vom Ministerium in Auftrag gegeben, haben ergeben, dass die Fluggäste fast ausschließlich aus Kiel, von Kieler Firmen kommen. Das heißt, dafür beträgt die Förderquote 50 %. Dazu kommt, dass der Grunderwerb durch GA-Mittel nicht förderfähig ist. Vergessen wurde auch, dass der bisherige Flughafen immer noch der Bundeswehr gehört und erst einmal gekauft werden muss - vermutlich weitere drei Millionen €.

Nach meinen Berechnungen auf der Basis der vorliegenden Zahlen - die können falsch sein, dann wäre ich gespannt auf die richtigen - beträgt die Belastung der Stadt Kiel und der KFG das Doppelte bis Dreifache der Summe von 8,5 Millionen €, von der der Ratsbeschluss ausgegangen ist.

Dazu kommt, dass Stadt und Land die wachsenden Verluste des Flughafens zu tragen haben, die durch die zusätzlichen Kreditaufnahmen noch einmal anwachsen werden. Dafür hat Dr. Rethage in seinem Vortrag vor dem Rat bereits damals 8 Millionen DM zusätzlich vorgesehen. Als 55 %-iger Eigentümer hat aber das Land diese Summe dann auch noch einmal in der gleichen Höhe beziehungsweise entsprechend der erhöhten Summe zu tragen. Diese Gelder - wir reden noch einmal über 10 Millionen DM - können aber nicht aus GA-Mitteln finanziert werden, sondern müssen aus reinen Landesmitteln fließen. Ich würde gern wissen, aus welchem Haushalt des Landes das finanziert wird. Ich finde, bevor wir so etwas beschließen, sollte die Notwendigkeit der Maßnahme dreimal nachgewiesen werden.

Meine Damen und Herren, in den „Lübecker Nachrichten“ war zu lesen, dass die Ryan Air bis zum Ende des Jahres 2002 mehrere innerdeutsche Linien aufbauen will. Genannt sind Frankfurt, München und Stutt

gart von Lübeck aus. Das ist die volle Konkurrenz zu Kiel, was sonst? Damit sind die bisherigen Prognosen Makulatur. Wenn wir erst eine Bahnanbindung zum Flughafen Lübeck in einer Stunde beziehungsweise einen direkten Autobahnanschluss über die A 21/20 zum Flughafen Lübeck haben, werden die Billigflüge ab Lübeck eine ernste Konkurrenz werden, die bei den Planungen berücksichtigt werden muss.

Weiterhin: Das neue Gutachten von Döhren und Mohr aus Hamburg - Herr Kubicki hat es zitiert - macht deutlich, dass sich die Ryan Air jederzeit in einen erweiterten Flughafen Kiel einklagen und dann fliegen kann, auch mit Charterverkehr. Alle Versuche, das zu verhindern, sind nicht möglich. Die Ryan Air als Billigfluglinie interessiert es überhaupt nicht, wie gut die Abfertigungshalle ausgebaut ist; sie landet auf anderen Flughäfen in südlichen Ländern durchaus auch unter offenem Himmel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die landen alle unter offenem Himmel!)

Angesichts dieser Entwicklung scheint die Forderung der CDU nach einem Flughafenkonzept des Landes nicht mehr ganz so abwegig zu sein. Ich glaube, Herr Minister Rohwer und Frau Ministerin Franzen, in dieser Lage werden wir um ein Raumordnungsverfahren kaum noch herumkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwar ist dieses Verfahren nur eine Sollvorschrift, aber eine Sollvorschrift lässt nur eine gut begründete Ausnahme zu. Hier ist es aber eher umgekehrt. Es gibt gute Gründe, es durchzuführen. Allein schon der Wunsch von zwei benachbarten Kreisen spricht dafür. Es gibt kaum Gründe, es nicht zu tun.

Meine Damen und Herren, am 2. März erschien in den „Altenholzer Nachrichten“ eine Anzeige, in der die Grünen aufgefordert werden - ich zitiere - „ihre Schlüsselposition im Landeskabinett zur Verhinderung der Startbahn zu nutzen“. Unterschrieben ist diese Anzeige von Dr. Heinrich Terwitte, SPD, Jens Ruge, FDP, und Dr. Harry Maatz, CDU.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Ich bin selbstredend beglückt, dass Vertreter der drei stärksten Parteien ausgerechnet den Grünen eine Schlüsselstellung im Kabinett zuordnen und es nicht einmal für nötig halten, sich an die anderen Parteien im Landtag oder zumindest an die SPD zu wenden. Für mich hat jedoch die Schlüsselstellung in diesem Lande immer noch die Ministerpräsidentin.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe von CDU und FDP)

(Karl-Martin Hentschel)

Aber ich fühle mich selbstredend durch das Vertrauen dieser Menschen geehrt. Heute ist nicht die Stunde der Entscheidung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich denke, Sie sind Koalitionspartner!)

Aber so viel kann ich für meine Person sagen: Ich werde mich dafür einsetzen, dass im Interesse der Stadt Kiel sowie der umliegenden Kreise und Gemeinden, im Interesse der Bürger, der Wirtschaft und vor allem auch im Interesse der Steuerzahler, die alles bezahlen sollen, eine gute Entscheidung getroffen wird. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Frau Abgeordnete Eisenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie werden es mir nicht übel nehmen, aber ich werde nichts unversucht lassen, noch einmal an Ihrer aller Vernunft zu appellieren.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

In Zeiten wie jetzt, wo jeder Cent und jeder Euro dreimal umgedreht werden muss, bevor er für Ausgaben genutzt wird, zu denen das Land verpflichtet ist, in Zeiten, in denen jedes Ministerium noch einmal verpflichtet wird, die globalen Minderausgaben zu erhöhen, wollen Sie sich an ein Projekt wagen, das, wenn überhaupt, nur von einer Stadt, nämlich Kiel, und in der gesamten K.E.R.N.-Region nur von bestimmten Wirtschaftskreisen, nämlich 17,8 % der befragten flughafenaffinen Betrieben, ständig genutzt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Flughafenerweiterung einschließlich der verlängerten Startbahn wird weder von der K.E.R.N.-Region noch von anderen Regionen in Schleswig-Holstein als dringend notwendig erachtet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich verweise auf das Gutachten Nummer 1. Ich möchte gar nicht darauf eingehen, mit welchen Tricks, Halbwahrheiten und bestellten Gutachten die Notwendigkeit des Ausbaus bis heute begründet wird. Ich möchte auch nicht darauf eingehen, dass die Turboprops auch weiterhin im Regionalverkehr auf einer Distanz bis 1.000 km eingesetzt werden, weil sie einfach wirt

schaftlicher sind und schon jetzt und auch später in Holtenau starten und landen können.

Ich möchte nur auf zwei Dinge eingehen: die finanziellen Erwägungen, die die Ausgangslage bestimmten, und damit zusammenhängend die geplante Verhinderung des Charterverkehrs. Eine der wesentlichen Überlegungen, meine Damen und Herren, die zur Erweiterung des Flughafens Holtenau führten, war die Vermeidung des jährlichen Betriebskostenzuschusses von zirka 1,7 Millionen DM, geleistet von der Stadt und dem Land zusammen.

Wenn ich das finanzielle Ergebnis der jetzigen Planung betrachte, so wird der jährliche Liquiditätsbedarf - Kapitaldienst und Abdeckung des Betriebsverlustes -, ganz abgesehen von den einmaligen Investitionskosten, die zwischen 48 und 59 Millionen € liegen, innerhalb der nächsten Jahre das Dreifache bis Vierfache des bisherigen Zuschussbedarfs betragen - Gutachtenteil 6. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, damit Sie das nachlesen können.

(Beifall bei der CDU)