Meine Damen und Herren, dieser Fall wirft völlig andere Fragen auf, als es Ihnen möglicherweise lieb ist.
Erstens. Es muss der Frage nachgegangen werden, wie es eigentlich um die Kompetenz des TÜVs bestellt ist, eines TÜVs, der am 16. Januar ein Gutachten erstellt, das offensichtlich die wirkliche Schadensursache nicht voll erfasst und den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks für möglich hält. Das müssen wir in der Tat zunächst einmal festhalten. Das ist eine Frage nach der Kompetenz des TÜVs.
Zweitens. Wenn man die zeitlichen Abläufe, die ich eben geschildert habe, sieht, Herr Minister, stellt sich die Frage, ob hier möglicherweise spät, nämlich ab dem 5. Februar und später - zu diesem Zeitpunkt war das Bundesumweltministerium mit Herrn Trittin inzwischen eingeschaltet -, versucht worden ist, diesen Vorfall in übler Weise für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren.
Hier sollte möglicherweise der ernsthafte Ausstiegswille mal wieder an einem Objekt manifestiert werden. Sie stehen ja unter Verdacht - der Ausdruck „ausstiegsorientierter Vollzug“ stammt ja von Ihnen -, dass so etwa immer passiert. Wenn man die zeitlichen Abläufe sieht, dann muss man es leider für möglich hal
Meine Damen und Herren, wir wollen selbstverständlich genauso wie Sie wissen, was die wirkliche Ursache für das Platzen des Rohrs war.
Aber offensichtlich haben dieses Platzen des Rohrs und die technischen Vorgänge überhaupt nichts mit der Frage der Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit von Kernenergie zu tun.
Die letzte Frage, die Sie sich auch gefallen lassen müssen, meine Damen und Herren, ist: Wie kommen Sie eigentlich dazu, angesichts dieses Ablaufs - die Betreiberin hat jede Frage nach ihrem aktuell vorhandenen Kenntnisstand korrekt und unverzüglich beantwortet;
das Ministerium hat gelegentlich Nachfragen gestellt, die ebenfalls unverzüglich beantwortet worden sind -, hier eine Betreiberin in Misskredit zu bringen, die wirklich sorgfältig versucht, ihre Auflagen zu erfüllen?
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit. Sie können nachher gern auf die Fragen antworten.
Das ist eine üble Diffamierung, Herr Kollege Nabel. Das lasse ich mir von Ihnen nicht gefallen. „Redner der HEW“, das ist eine Sauerei; das sage ich Ihnen ganz offen, auch wenn das nicht parlamentarisch ist.
Seien Sie sorgfältig bei Ihrer Diktion. Auch ich habe es die ganze Zeit über versucht. Aber das Wort von eben nehme ich im Moment nicht zurück.
Sicherheit - das will ich zusammenfassend sagen geht immer vor Wirtschaftlichkeit, auch bei uns. Da sind wir völlig einer Meinung. Sorgfalt geht aber auch vor Effekthascherei. Das müssen Sie, vor allem die Regierung, sich ins Stammbuch schreiben lassen.
Parteipolitische Gesichtspunkte haben bei solchen Gegenständen wirklich nichts zu suchen. Hier geht es um die Sicherheit und die Ordnungsgemäßheit des Betriebs eines großen Kernkraftwerks.
(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Verharmlosung gewesen! Das ist unglaublich!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Ihrer Rede, Graf Kerssenbrock, würde ich sagen: Das größte augenblickliche Risiko im Lande sind Sie und kein anderer.
Es ist die Aufgabe und die Pflicht einer Landesregierung, Vorfälle und Störungen in einem Kernkraftwerk lückenlos aufzuklären und die Öffentlichkeit dementsprechend zu informieren. Dies hat Minister Möller mit dem heute vorgelegten sehr guten Bericht vollzogen. Ich möchte mich im Namen der SPDLandtagsfraktion dafür bedanken.
Am 14. Juni 2000 ist es der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen nach zirka eineinhalbjährigen Verhandlungen gelungen, eine Vereinbarung über den entschädigungsfreien Ausstieg aus der Kernenergie zu treffen. Das ausgehandelte Dokument, gemeinhin als Atomkonsens bezeichnet, ist noch kein Energiekonsens, hat aber zu einem Klima geführt, in dem der energiepolitische Dialog gedeihen kann.
Der vereinbarte Atomkonsens enthält unter anderem zwei Eckpunkte. Auf der Grundlage einer fiktiven Regellaufzeit von 32 Kalenderjahren wird, gerechnet vom Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebes an, für jedes Kernkraftwerk errechnet und festgelegt, wie viel Strom es ab dem 1. Januar 2000 bis zu seiner
Stilllegung noch produzieren darf. Während der Restlaufzeiten soll aber der von Recht und Gesetz geforderte Sicherheitsstandard weiter gewährleistet werden. Im Atomgesetz wird eine Verpflichtung der Anlagenbetreiber fixiert, die Kernkraftwerke regelmäßigen periodischen Sicherheitsüberprüfungen zu unterziehen. Die Bundesregierung sichert den Energieversorgern zu, keine Initiative zur Änderung der zugrundeliegenden Sicherheitsphilosophie zu ergreifen. Hier muss die Frage erlaubt sein, ob diese noch Bestand haben kann. Was ist passiert?
Am 14. Dezember 2001 kam es im Atomkraftwerk Brunsbüttel zu einer Dampffreisetzung im Sicherheitsbehälter. Die Schichtmannschaft interpretierte verschiedene auf der Warte auflaufende Anzeigen und Rechnermeldungen als eine Leckage in der Reaktordruckbehälterdeckel-Sprühleitung. Mit einer fernbedienten Armatur wurde dieser Bereich nach vier Minuten von der Schichtmannschaft abgesperrt und das Problem wurde zusammen mit einer Arbeitsgruppe aus den Fachbereichen noch einmal analysiert. Man kam nach einem Qualitätssicherungscheck zu dem Ergebnis, dass eine spontane Dichtungsleckage als wahrscheinliche Ursache des Ereignisses anzusehen sei.
Die Betreiberin, die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH, informierte das Energieministerium fristgerecht am 17. Dezember. Daraufhin forderte - wie wir hörten - das Ministerium einen Bericht an und der TÜV Nord wurde gebeten, gutachterliche Untersuchungen aufzunehmen. Der TÜV Nord ist eine unabhängige technische Untersuchungsanstalt mit einem sehr hohen Fachwissen. Es ist nicht richtig, an der Kompetenz und Unabhängigkeit des TÜV zu zweifeln. Am 16. Januar 2002 gelangte der TÜV zu dem Ergebnis, dass die sicherheitstechnische Unbedenklichkeit des Weiterbetriebes der Anlage bestätigt werden könne. Allerdings forderte der TÜV über das Ministerium von der Betreiberin, bis Ende Januar zu ermitteln, ob ein Riss in einer Rohrleitung als Ursache der Leckage ausgeschlossen werden könne.
Hier beginnt das Ringen um eine lückenlose Aufklärung. Da ist auf der einen Seite die Betreiberin der Anlage, die den Vorfall als gering einstuft, auf der anderen Seite das Energieministerium, das zum Schutz der Allgemeinheit und zur Beseitigung aller Zweifel eine Inspektion des Sicherheitsbehälters fordert.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, in einem Sicherheitsbehälter eines Kernkraftwerkes darf und kann es nicht lapidare Vorfälle geben und der Betreiber darf in keinem Fall seine Meldepflicht restriktiv handhaben.
Jede Störung muss zusammen mit den zuständigen Behörden und Gutachtern schnellstens und lückenlos mit der gebotenen Sorgfalt analysiert und aufgeklärt werden. Ist Ihr Motto, meine Damen und Herren, Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit? Oder halten Sie es mit dem Lied von Hans Scheibner: „Im Kernkraftwerk ging etwas kaputt, das macht doch nichts! Hauptsache es quatscht dort keiner!“?
Das Energieministerium forderte die Betreiberin auf, sich zu einer Inspektion bereit zu erklären; anderenfalls würde es eine Anordnung geben. Daraufhin wurde die Inspektion am 18. Februar veranlasst. Das Ergebnis ist bekannt: Eine Rohrleitung des Reaktordruckbehälterdeckel-Sprühsystems war über eine Länge von zwei bis drei Metern zerborsten. Die Anlage wurde daraufhin von der Betreiberin vom Netz genommen.
Das Energieministerium hat nicht nur in diesem Fall, sondern auch in der Vergangenheit richtig und verantwortungsvoll gehandelt.
Die Forderungen der Landesregierung nach einer vollständigen Klärung des Schadensmechanismus und der Ausschluss einer Wiederholung auch in anderen sicherheitstechnischen Bereichen, die Reparatur sämtlicher Schäden und die Gewährleistung der Funktionssicherheit der beeinflussten Systeme sowie das Ausräumen der entstandenen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Betreiberin sind richtig und angemessen und wurden auch von den Experten der Reaktorsicherheitskommission bestätigt. Dieser Vorfall muss vollständig aufgeklärt werden, um auszuschließen, dass ein ähnlicher Unfall im Kernkraftwerk Brunsbüttel und auch in anderen deutschen Siedewasserreaktoren passieren kann.