Protokoll der Sitzung vom 08.06.2000

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Kollege Geißler, das ist alles in Ordnung, aber mir ging es um die Frage des politischen Einvernehmens, dass wir noch einmal in die Abstimmung eintreten.

(Zurufe: Ja, ja!)

- Gut, prima, dann stelle ich das Einvernehmen darüber fest, dass der zuerst getroffene Beschluss so nicht wirksam ist, sondern dass wir erneut in die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9 zur Drucksache 15/118 eintreten. Wer in der von Frau Heinold

vorgeschlagenen Fassung dem Beschlussteil, der sich aus Absatz eins und den einzelnen aufgeführten Punkten zusammensetzt, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser erste Teil, der Beschlussteil, mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bei Stimmenthaltung von CDU und F.D.P. angenommen worden.

Wir kommen nun zum zweiten Antragsteil, das ist der Antrag, der sich aus dem dritten Absatz ergibt, der Berichtsantrag. Ich darf fragen, wer dem Berichtsantrag seine Zustimmung erteilt. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Der Berichtsantrag ist damit einstimmig angenommen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit ist der Tagesordnungspunkt 9 erledigt. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 19.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Videoüberwachung in öffentlichen Räumen zum Zwecke der Gefahrenabwehr und der Kriminalitätsbekämpfung

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/137 (neu)

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/154

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Geißler zukünftig zu den Kommentatoren der Geschäftsordnung gehören wird, freue ich mich, dass wir in eine weitere ebenfalls juristisch interessante Debatte eintreten können.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.] und Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Videoüberwachung erleben wir an vielen Stellen des täglichen Lebens. Im privaten Bereich ist sie gang und gäbe. Wenn wir in eine Bank gehen, wenn wir zu einem Geldautomaten treten, wenn wir auf dem Bahnhof sind - überall erleben wir Videoüberwa

(Dr. Johann Wadephul)

chung, und zwar aus dem Grund, weil die Sicherheitslage das erforderlich macht.

Die Sicherheitslage ist jedoch nicht abhängig davon, ob der Raum privat oder öffentlich ist. Deshalb muss auch der Staat darüber nachdenken, dieses Medium einzusetzen. Es ist deshalb sehr erfreulich, dass die Innenministerkonferenz am 5. Mai diesen Jahres übereinstimmend - ich begrüße das, Herr Minister - zu der Ansicht gelangt ist, dass

„durch den offenen Einsatz von Videotechnik an Kriminalitätsbrennpunkten im Rahmen eines den jeweils spezifischen Gegebenheiten Rechnung tragenden Konzeptes die Prävention verstärkt, die Kriminalitätshäufigkeit reduziert, die Aufklärung von Straftaten gesteigert und das Sicherheitsgefühl verbessert werden“

können. In diesem Sinne ist - wie die Innenministerkonferenz in ihrem einstimmig gefassten Beschluss festhielt - die Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten im öffentlichen Raum ein geeignetes Mittel,

„um die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung wirksam zu unterstützen“.

Ich begrüße für meine Fraktion ausdrücklich diesen Beschluss. Und ich begrüße ausdrücklich, Herr Innenminister, dass Sie diesen Beschluss mitgetragen haben.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Klaus-Peter Puls [SPD])

Mit Sorge nehmen wir zur Kenntnis, was die Regierungsfraktionen mit ihrem Antrag hier vorgelegt haben. Und ich muss sagen, wenn wir diesen Antrag lesen, Herr Minister, wird deutlich, es droht, dass Ihnen jetzt rote oder grüne Korsettstangen angezogen werden. Aber haben Sie keine Angst; wenn Sie auf diesem Weg weitergehen wollen, wenn Sie das umsetzen wollen, was die Innenministerkonferenz beschlossen hat, haben Sie an dieser Stelle unsere Unterstützung und insofern auch eine Chance, das parlamentarisch durchzusetzen.

Der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz hat die Forderung formuliert, dass eine zusätzliche rechtliche Absicherung der Videoüberwachung in den Polizeigesetzen der Länder notwendig ist. Wenn wir vergleichen, was in den verschiedenen Bundesländern an gesetzlichen Regelungen existiert, so müssen wir feststellen, dass es Regelungsbedarf gibt. Deshalb überar

beiten die Bundesländer Hessen und BadenWürttemberg zurzeit ihre Gesetze. Wenn wir die Gesetzeslage in Schleswig-Holstein mit der in Hamburg vergleichen, müssen wir feststellen: Auch hier gibt es Handlungsbedarf für unser Bundesland.

Derzeit ist nämlich die gesetzliche Regelung so, dass Videoaufzeichnungen nur bei dem Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Begehung von Straftaten möglich sind. Die abstrakte Gefährdung im Vorfeld von Straftaten ist bisher nicht erfasst.

Genau dieser Umstand bereitet Probleme und schränkt die Wirksamkeit von Videoüberwachungsmaßnahmen in Schleswig-Holstein sehr stark ein.

Ein Beispiel: Im Vorfeld einer Straftat - es kann ein Diebstahl sein, es kann aber auch ein Drogendelikt sein - ist die Vorbereitung der Tat nicht sofort erkennbar. Die Gesetzeslage in Schleswig-Holstein ermöglicht den tätigen Beamten erst dann, an den Monitoren tätig zu werden, die Videotechnik einzuschalten und eine Videoaufzeichnung durchzuführen, wenn die Straftat konkret erkennbar ist. Das ist für die Identifizierung des Täters und möglicher Mittäter und Gehilfen zu spät. Eine Auswertung der Überwachung, eine Rückverfolgung, wie es zu dieser Straftat kam, ist nicht mehr möglich. Das schränkt das Medium sehr stark ein.

Herr Minister, wenn Sie also tatsächlich an der Schaffung eines effektiven und gezielten Instrumentariums zur Gefahrenabwehr für unsere Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein interessiert sind, müssen Sie mit uns gemeinsam gesetzgeberisch tätig werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen mit unserem Antrag die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Videoaufzeichnung und die Videoüberwachung auf ein rechtlich sicheres Fundament gestellt werden. Uns ist sehr wohl bewusst, dass es sich dabei - in Bayern wird das teilweise geleugnet - um einen Grundrechtseingriff handelt, der nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen kann. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, aber auch im Interesse der handelnden Beamten brauchen wir eine klare gesetzliche Grundlage. Deswegen müssen wir nachbessern.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch hier ganz klar sagen: Wir wollen durch sehr konkrete Formulierungen im Gesetz verhindern, dass Videoüberwachung als falsch verstandenes Allheilmittel allerorten missbraucht wird.

(Beifall bei der CDU)

(Dr. Johann Wadephul)

Es ist notwendig, die Videoüberwachung einsatzmäßig klar zu begrenzen. Sie soll nach unseren Vorstellungen nur an Orten zulässig sein, an denen es in der Vergangenheit überproportional und schwerpunktmäßig zur Gefährdung der Sicherheit oder zu strafbaren Handlungen gekommen ist. Gemeint sind dabei zum Beispiel Treffpunkte der Drogenszene, die wir alle kennen, und auch die häufigen Ausgangspunkte der typischen Begleit- und Beschaffungskriminalität, die leider dazugehören. Wir wollen Videoüberwachung nur dort zulassen, wo es sich aufgrund der Erfahrungen der Polizei und Ordnungsbehörden um einen so genannten Kriminalitätsbrennpunkt handelt, also einen Ort, der nach der Kriminalitätslage als gefährlich eingestuft werden kann. Wo das letztlich der Fall ist, Herr Minister, müsste nach unseren Vorstellungen das Innenministerium im Einzelfall entscheiden.

Wir sind auch dafür, dass wir die Videoüberwachung nicht geheim durchführen, sondern dass sie sichtbar und für alle erkennbar ausgeschildert wird, sodass jeder weiß: An dieser Stelle findet Videoüberwachung statt. Das ist übrigens eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir wirklich zu Vorbeugung kommen, dass wir wirklich abschrecken. Das ist das beste und geeignetste Mittel polizeilicher Tätigkeit, dass sie verhindert, dass es überhaupt zu Straftaten kommt. Deswegen müssen wir an dieser Stelle tätig werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Weil Transparenz für uns wichtig ist, wollen wir auch die Bevölkerung umfangreich informieren und sind dafür, dass die kriminalpräventiven Räte eingebunden werden. Wir müssen das Verständnis derjenigen Bürgerinnen und Bürger erwerben, die notwendigerweise mit betroffen sind, auch aufgezeichnet werden können, beobachtet werden können, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, aber die von diesem Eingriff betroffen sind. Deswegen brauchen wir eine sorgfältige Einzelabwägung und sehr viel Transparenz in diesem Verfahren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Es gibt in anderen Ländern, beispielsweise in Großbritannien, sehr erfolgreiche Versuche mit einer umfangreichen, flächendeckenden Videoüberwachung. In Newcastle hat das zum Rückgang der Kriminalität um fast 50 % geführt. Wir haben vor einigen Tagen die Presseveröffentlichung über die Praxis in Regensburg verfolgt. Ich sage hier für meine Fraktion ganz klar: Wir wollen keine flächendeckende Videoüberwachung. Wir wollen sie ganz gezielt. Eine flächendeckende Videoüberwachung ist weder notwendig noch wünschenswert.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind, da wir alle Datenschutzprobleme sehr ernst nehmen, dafür, die notwendigen Daten relativ schnell wieder zu löschen. Wir können uns eine Löschungsfrist der Videoaufzeichnung nach spätestens sieben Tagen vorstellen. Darüber sollten wir ausführlich diskutieren. Wir wollen auch den Datenschutzbeauftragten des Landes umfangreich in das Verfahren einbinden und eine Entscheidung des Innenministeriums erst dann, wenn der Datenschutzbeauftragte seine Meinung dazu gesagt hat.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Die CDUFraktion redet nicht einer unbegrenzten Videoüberwachung das Wort. Es geht uns um den angemessenen Einsatz eines geprüften Mittels zum Schutz von Personen und Rechtsgütern in unserem Bundesland.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen die Prävention stärken, die Kriminalitätshäufigkeit reduzieren, die Aufklärung von Straftaten erleichtern und das Sicherheitsgefühl aller Menschen in Schleswig-Holstein verbessern. Die Erfahrungen auch im Inland, in Leipzig und in Halle, haben gezeigt, dass kontrollierte Videoüberwachung ein adäquates Mittel der Kriminalitätsbekämpfung ist. In Leipzig, wo die Videoüberwachung im Bereich des Hauptbahnhofs als einem Kriminalitätsbrennpunkt seit 1995 durchgeführt wird, reduzierten sich beispielsweise die KfzDiebstähle und die Taschendiebstähle um die Hälfte.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])