Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

„Da das Gesetz den Vertragspartnern keine Bindungen auferlegt, können sie auch weiter gehende Rechte, zum Beispiel Mitwirkungsrechte der Fakultäten bei Einzelfallentscheidungen vereinbaren. Dies könnte sich für Ausstattungsverhandlungen mit Bewerberinnen und Bewerbern für Professuren empfehlen.“

Das würden wir im Ausschuss gerne noch einmal ausführlich diskutieren. Ich freue mich auf die sachliche Debatte. Wir sind gut beraten, dazu auch Fachleute zu hören. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die Vorlage des Gesetzentwurfs zur Errichtung eines Universitätsklinikums Schleswig-Holstein nehmen die Pläne der Landesregierung zur Zusammenführung der Universitätsklinika Konturen an, die die Zukunft der Hochschulmedizin in diesem Land maßgeblich verändern werden. Ziel der Landesregierung ist es, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicherzustellen, dass sich die Hochschulmedizin Schleswig-Holsteins durch eine hoch qualifizierte Krankenversorgung sowie durch eine exzellente Forschung und Lehre auszeichnet.

(Anke Spoorendonk)

Dieses Ziel der Landesregierung ist nicht neu und wurde bereits im Jahre 1999 mit der rechtlichen und organisatorischen Verselbstständigung der Klinika verfolgt. Auch damals wurden die Universitätsklinika bereits aufgefordert, durch eine engere Zusammenarbeit so genannte Synergieeffekte zu erzielen und somit die Zukunft zu sichern. Dies ist scheinbar nicht in dem erhofften Umfang gelungen. Rückwärts gewandt nach den Gründen zu suchen, ist sicherlich müßig - es sei denn, dass man wirklich gewillt ist, daraus etwas zu lernen.

Damals hatten die Klinika gewisse Freiheitsgrade bei der Entscheidung, ob, wann und wie sie zusammen arbeiten wollten. Durch die geplante Fusion wird ihnen nun die Zusammenarbeit vorgeschrieben und das ist sicherlich gut so. Das heißt aber auch, dass man keine halbherzigen Lösungen betreiben sollte.

So entnehmen wir dem Gesetzentwurf doch mit Erstaunen - § 122 -, dass lediglich der kaufmännische Vorstand des Klinikums seine Tätigkeit hauptberuflich ausüben muss. Die anderen Vorstandsmitglieder können das, müssen es aber nicht. Ob dies der richtige Weg ist, sollte unserer Meinung nach auch im Ausschuss noch einmal hinterfragt werden.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man stelle sich das einmal so vor: Ein Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigen, mehr als 500 Millionen € Jahresumsatz, ein Großklinikum mit mehr als 2.500 Betten, wird unter Umständen in weiten Teilen von einem nebenamtlichen Vorstand geführt, nebenamtlich geführt in den Bereichen, die ein Universitätsklinikum ausmachen - in der Krankenversorgung und im Bereich Forschung und Lehre.

Das künftige Universitätsklinikum Schleswig-Holstein wird aus mehr als 80 verschiedenen Kliniken und Instituten bestehen, auf die die zunehmend knappen Finanzmittel sinnvoll und zielgerichtet zu verteilen sein werden. Es sind also Strategien zu entwickeln und in Maßnahmen umzusetzen, die der Entwicklung des gesamten Klinikums dienen. Mit anderen Worten: Kostspielige Konkurrenzen zwischen den Standorten Kiel und Lübeck müssen abgebaut werden.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das geht nur, wenn Schwerpunkte gebildet, die standortübergreifende Zusammenarbeit insgesamt gefördert und last, but not least Kulturen zusammengeführt werden.

Allein das von der Unternehmensberatung Roland Berger prognostizierte Einsparvolumen von mehr als 10 Millionen € durch einen gemeinsam betriebenen Einkauf kann nur erzielt werden, wenn sich ein starker, unabhängiger Vorstand gegen die Interessen einzelner Einrichtungsleiter durchsetzt - zum Beispiel in Fragen der Standardisierung oder gemeinsamen Nutzung von Großgeräten. Bei einem nebenamtlichen Vorstand für Krankenversorgung besteht durch die enge Einbindung und die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten immer die Gefahr, dass Entscheidungen eben nicht sachgerecht getroffen und durchgesetzt werden.

Außerdem ist laut Gesetzentwurf nicht vorgesehen, einen Vorstand für den Bereich Pflege zu benennen. Kollege Jürgen Weber sprach das ja auch schon an. Ich denke, dass auch das im Ausschuss noch besprochen werden muss. Diese Aufgabe wurde bisher - Sie wissen es - in beiden Klinika von hauptberuflichen Pflegedirektoren wahrgenommen. Daher wüssten wir gern, wie die Landesregierung sicherstellen möchte, dass diejenigen, um die es geht, nämlich die Patienten, ausreichend bei strategischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das gilt vor allem dann, wenn der zuständige Vorstand für Krankenversorgung für beide Bereiche - Pflege und Medizin - zuständig sein wird.

In den Erläuterungen zu dem von mir vorhin schon genannten § 122 des Gesetzesentwurfs ist von einer erweiterten Geschäftsführung die Rede. Demnach ist geplant, an jedem Standort eine Geschäftsführungsebene einzurichten, die sich aus Pflegedirektor, Ärztlichem Direktor, Dekan und Verwaltungsdirektor zusammensetzt. Das heißt, dass jetzt ein gemeinsamer Vorstand zuzüglich zwei Verwaltungsdirektoren, zwei Ärztliche Direktoren, zwei Pflegedirektoren und zwei Dekane im Gespräch sind. Für uns stellen sich dabei gleich folgende Fragen: Wer hat denn in diesem Konstrukt welche Aufgaben, welche Kompetenzen, welche Verantwortlichkeiten? Wie sollen jemals die beiden doch sehr unterschiedlichen Klinika zu einem Uniklinikum Schleswig-Holstein zusammenwachsen? Wie soll unter diesen Bedingungen eine effiziente, qualitativ hochwertige Hochschulmedizin betrieben werden? Auch das sind noch Themen für die Ausschussberatungen.

Der SSW begrüßt aber grundsätzlich, dass künftig mit den Leiterinnen und Leitern der Einrichtungen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein privatrechtliche Verträge geschlossen werden und die Möglichkeit einer leistungsbezogenen Vergütung besteht. Auch dass den Leiterinnen und Leitern der Einrichtungen die volle Verantwortung für ihren Verwaltungsbereich übertragen wird, begrüßen wir. Aber gerade diese größere Selbstständigkeit erfordert klare

(Anke Spoorendonk)

strategische Vorgaben und eine starke übergeordnete Leitung, um zu verhindern, dass sich Teilbereiche auf Kosten anderer optimieren und somit das Gesamtklinikum in eine Schieflage gerät.

Wir alle wollen Hochschulmedizin auf hohem Niveau, um nicht nur national, sondern auch international mithalten zu können oder vielleicht sogar in einigen Bereichen Vorreiter zu sein. Dann müssen die Forschenden und Lehrenden aber auch die Kapazitäten haben, Forschung und Lehre zu betreiben. Das heißt, die wirtschaftliche Verantwortung für eine Einrichtung darf nicht dazu führen, dass sich hoch bezahlte medizinische Kapazitäten einen großen Teil ihrer Zeit mit Zahlenwerken beschäftigen. Professorinnen und Professoren müssen von diesen Tätigkeiten durch qualifiziertes Fachpersonal entlastet werden. Auch das gibt es nicht zum Nulltarif.

Auch darf sich eine leistungsgerechte Vergütung nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg orientieren, nur weil dieser sich leicht beziffern lässt. Die Landesregierung sagt zwar, dass auch die Qualität ein Kriterium bei der Leistungsbewertung darstellt, aber Qualität definieren, messen und bewerten ist ein aufwendiges Unterfangen. Der Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements in einem Klinikum dieser Größenordnung ist nicht trivial und kostet auch Geld.

Der SSW warnt davor, einerseits den Landeszuschuss weiterhin zu kürzen und andererseits Forderungen zu stellen, die nur mit einem erhöhten finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen sind. Dass finanzielle Kürzungen erforderlich sind, darüber sind sich wohl alle einig. Dem künftigen Universitätsklinikum SchleswigHolstein darf aber der Hahn nicht derart zugedreht werden, dass zum Beispiel Rationalisierungsinvestitionen, die sich erst in mehreren Jahren rechnen, nicht getätigt werden können. Zunächst kostet die Fusion Geld, die Synergie- und Einspareffekte werden sich erst im Laufe der nächsten Jahre nach und nach einstellen.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Die Quadratur des Kreises haben schon andere versucht und sind daran gescheitert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles ist Grund genug, um in den Ausschussberatungen alles auf den Tisch zu bekommen. Wir sagen schon einmal eine konstruktive Mitarbeit zu.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf kurz einen Überblick über die noch verfügbaren Restredezeiten für die Fraktionen geben. Die Fraktion der SPD hat noch 120 Sekunden, die Fraktion der CDU zwei Minuten, die Fraktion der FDP zwei Minuten, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 110 Sekunden und der SSW verfügt noch über rund 2,30 Minuten Restredezeit. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass die Dreiminutenbeiträge, die mir schon vorliegen, erst aufgerufen werden können, wenn die Redezeit der Fraktionen aufgebraucht ist.

In dem Sinne bitte ich um weitere Wortmeldungen. Gemeldet hat sich der Herr Abgeordnete Thorsten Geißler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sowohl dem Kollegen Weber als auch der Frau Kollegin Birk dankbar, dass sie in ihren Beiträgen kritische Fragestellungen angesprochen haben und auch deutlich gemacht haben, dass die Regierungsfraktionen offensichtlich nicht bereit sind, diesen Gesetzentwurf einfach nur abzunicken, sondern ihn im Ausschuss auch einer kritischen Überprüfung unterziehen zu wollen. Dafür bin ich Ihnen dankbar, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.

Es stellen sich gravierende Fragen im Hinblick auf die Fortentwicklung unserer Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein. Es war zweifelsohne ein Verdienst der alten Landesregierung, fortgesetzt dann von der Regierung Engholm, neben einer starken Landesuniversität in Schleswig-Holstein eine vielfältige Hochschullandschaft in den Regionen entwickelt zu haben. Wir wollen nicht, dass diese positive Entwicklung jetzt möglicherweise durch die Hintertür zurückgenommen wird. Das wollen wir weder im Landesteil Schleswig noch im Landesteil Südholstein, noch an der Westküste.

Daher sind solche Veränderungen gut zu begründen. Ob diese Fusion gut begründet ist, da habe ich - mein Kollege de Jager und auch der Kollege Dr. Klug haben es deutlich gemacht - gravierende Zweifel. Denn die prognostizierten Einspareffekte sind keineswegs nachgewiesen. Es ist auch nicht nachgewiesen, ob sich bestimmte Einsparpotenziale nicht anders erreichen lassen, nämlich im Wege einer verbesserten Kooperation der beiden Hochschulstandorte Kiel und Lübeck, gegen die ja überhaupt nichts spricht. Wenn Kooperation zu Synergieeffekten führt, zu Einsparungen, sollte man diesen Weg beschreiten. Aber die Zahlen liegen keineswegs unumstritten auf dem Tisch und wir müssen sie kritisch überprüfen.

(Thorsten Geißler)

Natürlich lassen sich im Bereich Forschung und Lehre durch Absprache, durch unterschiedliche Forschungsschwerpunkte Einsparungen erzielen; nicht alles muss parallel entwickelt werden. Aber dass es dazu einer Fusion bedarf, ist überhaupt nicht nachgewiesen und auch theoretisch überhaupt nicht begründbar.

Zum Bereich der Krankenversorgung! Natürlich macht es Sinn, in einem Ballungsraum zwei Hochschulklinika zusammenzuführen. Da können unterschiedliche medizinische Angebote vorgehalten werden und die Bevölkerung wird trotzdem gleichermaßen optimal versorgt. Aber bei zwei Standorten, 82 km voneinander entfernt, zwei Krankenhäusern der Maximalversorgung - wie sollen da Einsparpotenziale durch eine Fusion erreicht werden? Diese Frage müssen Sie beantworten, wenn Sie diesen Weg wirklich erfolgreich beschreiten wollen. Ich behaupte: Das können Sie nicht.

Wir stehen vor einem gewissen Dilemma. Die Landesregierung hat durch ihr übereiltes Vorgehen und durch die Tatsache, dass sie einen Weg beschritten hat, der nirgendwo anders erprobt und nachgewiesenermaßen der richtige ist, Unsicherheit an die beiden Standorte herangetragen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, beachten Sie bitte die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Kaum ein angesehener Wissenschaftler ist noch bereit, nach Kiel oder Lübeck zu wechseln. Gleichwohl sind wir verpflichtet - und sollten das im Bildungsausschuss tun -, sehr sorgfältig zu beraten, bevor wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Ich halte ihn gegenwärtig überhaupt nicht für zustimmungsfähig. Da stimme ich meinem Kollegen de Jager völlig zu. Ich hoffe, dass die Regierungsfraktionen im Bildungsausschuss das einhalten, was sie hier zugesichert haben, nämlich eine kritische Überprüfung des Gesetzentwurfs. Dann werden wir konstruktiv zusammenarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 15/1839, federführend an den Bildungsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den darf ich um sein deutliches Handzeichen bitten. - Ge

genprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das vom hohen Haus einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist erledigt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 33 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Anwärtersonderzuschläge für Lehramtsanwärter und Lehramtsanwärterinnen an beruflichen Schulen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1798

b) Bericht über die Gewinnung von Lehrkräften

Landtagsbeschluss vom 20. Februar 2002 Drucksache 15/1596

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1728

Bevor wir in die Beratung eintreten, erlauben Sie mir, dass ich in der Loge weißrussische und deutsche Mitglieder des Solidaritätskomitees für Belarus als Gäste begrüße. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)