Protokoll der Sitzung vom 21.06.2002

Ich bin trotzdem weit davon entfernt, bei meinem Finanzminister Stellen für weitere Kontrolleure und weitere Kapazitäten - wahrscheinlich würde ich dies auch ohne Erfolg versuchen - anzufordern. Ich meine, auch dies ist wieder ein Fall, bei dem wir an die Eigenverantwortung appellieren müssen, und zwar auf allen Ebenen.

Ich möchte noch einmal mit großem Nachdruck und auch mit Stolz Folgendes sagen. Der erste BSE-Fall in Schleswig-Holstein war ein Fall in einer privaten Schlachterei, eines privaten Qualitätsprogramms - da waren wir als Staat noch nicht im Spiel - sowie eines privaten Labors. Wir haben damals sofort Laut gegeben. Deswegen überzeugt mich nichts von dem, was in anderen Bundesländern passiert. Mich überzeugt also auch nicht das Werk in Niedersachsen, das ja monatelang Bescheid gewusst hat und das - wenn es richtig ist, was im Fernsehen zu hören war - sogar ein Gutachten hatte, in dem zu lesen war, unter welchen Bedingungen man die nitrofenverseuchten Futtermittel noch nach Russland hätte verschieben können, wo der Einsatz solcher Futtermittel noch erlaubt ist.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Man stelle sich das einmal vor, so etwas wäre in diesem unserem Lande passiert, wo wir BSE gehabt haben!

Meine Damen und Herren, ich habe auch kein Verständnis für einen Professor - er ist zum Glück nicht aus meinem Bereich; das betrifft also nicht mein Forschungsinstitut -, der noch einen Paragraphen braucht, um zu funktionieren. Ein gesunder Menschenverstand dürfte bei einem Professor immer noch vorhanden sein. Selbst wenn man in einem privaten Labor auf etwas stößt, kann man sich doch nicht vom Auftraggeber erzählen lassen, das sei alles nicht mehr am Markt. Man muss dann Laut geben. Gegen so etwas kann ich auch nicht mehr mit Kontrollen angehen. Ich kann in dieser Hinsicht eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung verlangen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich bin in dem Moment gefragt worden, als ein Raiffeisenbetrieb als Mitbeteiligter in Malchin bekannt wurde. Ich habe daraufhin gesagt: Das ist nicht mein Thema. Dort sind die Kripo, die Staatsanwaltschaft und hoffentlich auch die Gerichte am Zuge. Ich habe mich nicht vor eine Firma zu stellen und habe sie auch nicht vorzuverurteilen. Ich habe einfach die Gewaltenteilung einzuhalten und das funktioniert hier. Als

(Ministerin Ingrid Franzen)

politische Organisation muss die Landesregierung mit den verschiedenen Zuständigkeiten für Sicherheit sorgen. Wir müssen die Kontrollen durchführen, können aber nicht gegen Straftäter vorgehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin und eröffne die Aussprache. Ich erteile zunächst Herrn Abgeordneten Hopp das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in Schleswig-Holstein eine funktionierende Laborlandschaft. Gerade die Nitrofenfunde haben gezeigt: Landeslabor und Kieler LUFA sind leistungsfähig und in der Lage, insbesondere Situationen zu bewältigen, wie sie in den letzten Wochen aufgetreten sind.

(Zuruf von der CDU)

- Dat heb wi doch al gründ.

Lot Se sick mal nich ut de Konzept bringen.

Dennoch kann auch hier einiges verbessert werden. Die CDU-Landtagsfraktion fordert daher die Landesregierung mit einem Antrag auf, sich für eine engere Vernetzung der Landeslabore im norddeutschen Raum einzusetzen. Gerade Lebensmittelskandale erfordern ein sehr zügiges Handeln zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch im Interesse der Landwirtschaft, der Verarbeiter und des Handels.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus geht es auch darum, Kosten zu sparen. Der Nitrofen-Skandal hat deutlich gezeigt: Die gesamte Landwirtschaft sitzt in einem Boot. Ob es Fehler im System oder gar kriminelle Machenschaften sind: Weder die konventionelle noch die ökologische Landwirtschaft kann für sich in Anspruch nehmen, völlig sicher zu sein. Die Überheblichkeit, mit der bisher Fehlverhalten allein der konventionellen Landwirtschaft zugeordnet wurde, dürfte jetzt erledigt sein. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten, den Landwirtschaftsminister aus Niedersachsen, Herrn Bartels, zitieren. Er sagte Folgendes:

„Der ökologische Landbau hat seine Unschuld verloren.“

„Frau Künast hat sich selbst freigesprochen.“

Auch solche Äußerungen helfen uns nicht weiter, meine Damen und Herren. Niemand kann daran interessiert sein, dass der ökologische Landbau beschädigt wird.

(Beifall bei der CDU)

Niemand kann Interesse daran haben, wenn ein Bereich der Landwirtschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Die Informationspolitik in diesem Zusammenhang bis hin zur Bundeslandwirtschaftsministerin war höchst unbefriedigend. Wir haben in der Vergangenheit Situationen erlebt, die bei ähnlichen Sachverhalten zu Rücktritten geführt haben. Zur Schadensbegrenzung wäre es zwingend notwendig gewesen, so früh wie möglich die Öffentlichkeit und alle Beteiligten zu informieren.

(Beifall bei der CDU)

Mit jedem Tag Verzögerung ist der Schaden größer geworden. Für diesen Schaden trägt die Bundeslandwirtschaftsministerin die politische Verantwortung. Dieser Verantwortung hat sie sich bisher in keiner Weise gestellt.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch unglaub- lich!)

- Das hat sie nicht. - Es ist zu hoffen, dass alle Beteiligten aus diesen Fehlern gelernt haben und dass sich Derartiges nicht wiederholen kann.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Antrag eingebracht. Ich möchte darum bitten, dass dieser Antrag Drucksache 15/1926 hier beschlossen wird, sodass wir dementsprechend erwarten können, dass die Landesregierung so handelt.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kruse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Laborarbeit in Schleswig-Holstein ist von meinem geschätzten Kollegen Claus Hopp - bitte hör zu, Claus in hervorragender Weise gelobt worden. Ich brauche das an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Vielen Dank! Der letzte Futtermittelskandal, BSE mit seinen katastrophalen Folgen für die Landwirtschaft, ist noch nicht ganz vergessen und uns allen noch gut in Erinnerung, da gibt es schon wieder einen neuen Futtermittelskandal. Wieder ist Tierfutter die Schwachstelle.

(Maren Kruse)

Das Problem, Frau Happach-Kasan, waren eben nicht schlecht organisierte Kontrollen und mangelhafte Überwachung von Futter und Lebensmittel im Ökobereich, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung dargestellt haben. Erst durch die Kontrollen im Ökobereich ist das Ganze aufgedeckt worden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die wahren Ursachen des Nitrofen-Problems sind nicht im Biolandbau und in der konventionellen Landwirtschaft, sondern in einem von einigen Multis kontrollierten agroindustriellen Markt zu suchen,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sauber her- ausgearbeitet!)

in dem übrigens auch der Bauerverband über seine Verpflechtung mit dem Raiffeisen eine wenig rühmliche Rolle spielt.

(Claus Ehlers [CDU]: Das müssen Sie erklä- ren!)

- Hör gut zu! Das erkläre ich dir gern, falls du das noch nicht weißt.

Nicht nur die skandalverursachenden Firmen gehören zu Raiffeisen, sondern die Genossenschaften selbst beherrschen den Futtermittelmarkt. Da klang es recht merkwürdig, als sich ausgerechnet Bauernchef Sonnleitner schützend vor die Ökobauern stellte, ausgerechnet vor die Gruppe, die er noch vor einem Jahr in eine völlig andere Ecke gestellt hat.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört! - Claus Ehlers [CDU]: Stimmt nicht!)

Die Frage, die man sich stellen muss - hört doch einmal zu -, ist: Wer sind eigentlich die Leidtragenden in diesem Skandal?

(Zuruf von der CDU: Die Landwirtschaft ins- gesamt!)

Die Leidtragenden sind wie immer Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Bäuerinnen und Bauern, denn auch die Bauern sind Abnehmer von Futtermitteln und in diesem Sinne Verbraucher. Auch bei Nitrofen geht es auf Kosten der Bauern. Am wichtigsten ist Aufklärung und kein Stochern im Nebel über Dinge, die wir alle nicht beweisen können. Da trifft sich an vielen Stellen in der Republik hoch kompetent versammelte Ratlosigkeit, um über Wie, Wo, Wann und Vielleicht zu beraten. Wichtig ist Aufklärung über die Verursacher, die systematisch diese Dinge geheim gehalten haben, weil sie ihren Profit nicht beeinträchtigt sehen

wollten und damit ganz klar der Kern des ganzen Problems sind,

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

denn sie haben den Profit über die Sicherheit von Lebensmitteln und die Gesundheit von Verbrauchern gestellt.

Ich gebe gern zu: Wichtig sind auch bessere Strukturen bei den Kontrollen und Informationen, um die aktuelle Krise zu bewältigen und zukünftige zu verhindern. Nur ein lückenloses System kann der Futterund Lebensmittelsicherheit auf die Beine helfen. Geltendes Recht muss ergänzt werden, wo sich Lücken gezeigt haben. Es ist schon erstaunlich und erschreckend, warum es bis heute überhaupt keine Ausbildungsregelungen und Sachkundeanforderungen im Futtermittelbereich gibt und Kontrolleure bisher gar nicht per Ausbildung gelernt haben, was und wie sie mit welchen Methoden kontrollieren sollen.

(Claus Ehlers [CDU]: Die wurden früher bei uns nicht eingestellt!)

- Bei euch nicht, wir machen das jetzt.