Protokoll der Sitzung vom 21.06.2002

Der Einstieg der beiden Rüstungskonzerne aus den USA in das Unternehmen hat sich zudem offenbar zerschlagen. Unabhängig davon ist es natürlich gut, dass sich der Mehrheitseigentümer dazu bekennt,

(Thomas Rother)

HDW als Universalwerft weiterzuführen, und damit auch den Handelsschiffbau sichert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie haben nicht ka- piert, worum es geht! Gehen Sie einmal in den Betrieb und schauen Sie einmal, wie uni- versal der noch ist!)

- Vielleicht ergibt sich daraus sogar ein Einstieg in den US-Markt, Herr Garg.

Die Situation auf der Lübecker Flender Werft zeigt, wie leicht es möglich ist, dass eine Werft, die eigentlich über eine sehr gute Kapitalausstattung verfügt, in existenzielle Schwierigkeiten gerät, wenn auch nur ein Auftrag nicht zeitgerecht erfüllt werden kann.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Jetzt ist zu hoffen - der Minister hat es aufgeführt -, dass Insolvenzverwalter, Betriebsrat, IG-Metall und Eigentümer gemeinsam versuchen, die begonnenen Projekte abzuschließen. Zurzeit sieht es dafür auch ganz gut aus.

(Martin Kayenburg [CDU]: Neu zu akquirie- ren, ist wichtig!)

Das ist nicht nur die beste Lösung für die Werft, sondern auch für das Land. Die Finanzpolitiker werden denken: in mehrfacher Hinsicht.

(Günter Neugebauer [SPD]: Das ist auch gut so!)

Aber darüber hinaus muss natürlich auch ein Zukunftskonzept für die Werft erarbeitet werden, um in Aussicht stehende Aufträge zu realisieren und damit möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser Platz tatsächlich nicht zuerst bei der deutschen Fußballnationalmannschaft, sondern bei den Werftarbeiterinnen und Werftarbeitern und bei deren Familien. Die haben nämlich ganz andere Sorgen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Deren Initiativen, so beispielsweise die der FlenderFrauen, sind wirklich toll. Wenn Sie einmal nach Lübeck kommen, schauen Sie sich das an.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Wir sollten die Landesregierung darin unterstützen, Lösungen für Flender und für die ganze Branche voranzubringen, damit unsere vielen Beschlüsse zu mehr werden als nur zu beschriebenem Papier und langen Reden.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Mir liegen jetzt noch vier Wortmeldungen vor: die des Kollegen Hentschel für die Grünen und des Kollegen Lars Harms für den SSW im Rahmen der vereinbarten Redezeit sowie die des Kollegen Geißler und der Kollegin Strauß nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung. Es ist jetzt 13:30 Uhr.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Na und? - Martin Kayenburg [CDU]: Weitermachen!)

Deswegen ist die Frage, ob jetzt unterbrochen werden soll und ob wir nach -

(Zurufe: Ja! - Zurufe: Nein!)

- Bevor ich Meinungsäußerungen entgegennehme, möchte ich aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt: Entweder unterbrechen wir hier und setzen die Beratung um 15:30 Uhr fort oder aber wir tagen weiter. Das sind die beiden Möglichkeiten. Ich darf fragen, welche der beiden vom Hause präferiert wird.

(Lothar Hay [SPD]: Ich schlage vor, um 15:30 Uhr weiterzumachen! Ich halte es im Interesse der Kolleginnen und Kollegen für sinnvoll, dass die vereinbarte Mittagspause eingehalten wird! - Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Ich bin der Auf- fassung, dass wir wegen eines beginnenden Fußballspiels nicht in die Mittagspause ein- treten sollten! Wenn der Kollege Vorredner Recht hat, dass die Werften und deren Mitar- beiter wichtiger sind als Fußball, können wir jetzt nicht unterbrechen! - Beifall bei CDU und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Reden und Handeln sind zweierlei!)

- Dann fahren wir in den Beratungen fort.

(Weitere Zurufe)

- Das braucht jetzt nicht weiter kommentiert zu werden. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation macht mir in der Tat Sorgen.

(Zurufe)

- Würdet ihr bitte eure Gespräche einstellen? Das könnt ihr nachher diskutieren. - Das Problem besteht nicht darin, dass es keinen Bedarf an Schiffen gibt. Die Schifffahrt wächst. Über 90 % aller Transporte weltweit erfolgen mit Schiffen. Die Transporte nehmen zu. Der Schiffbau hat eine glänzende Zukunft. Es ist nur die Frage, ob man konkurrenzfähige Werften hat und ob man auf die Zukunft eingestellt ist. Ich glaube, man muss, wenn man nach Schleswig-Holstein sieht, ganz nüchtern bilanzieren, dass wir gute, moderne, technologisch hoch stehende Werften haben, dass wir aber in einer anderen Klasse spielen als Südkorea und dass auch das, was in China aufgebaut wird, eine andere Klasse ist. Das liegt natürlich auch an der Größenordnung der Werften. Über diese Dinge müssen wir uns einmal bewusst werden. Dort werden Schiffe in Serie gebaut. Eine Serie umfasst über zehn Schiffe. Das wird hierzulande ganz selten gemacht. Flensburg schafft das teilweise.

(Zuruf von der SPD: Mit Subventionierun- gen!)

Lübeck hat es bisher überhaupt nicht geschafft. Mir ist auf den Werften gesagt worden: Wenn ich ein Schiff in Serie baue, dann baue ich das letzte Schiff zwei- bis dreimal so schnell wie das erste.

(Renate Gröpel [SPD]: Flender hat nur in Se- rie gebaut! - Lothar Hay [SPD]: Schiffbauten sind immer Serien!)

- Aber kleine Serien. Das waren keine Serien mit über zehn Schiffen eines Typs.

Das sind die Probleme, mit denen wir es zu tun haben. Es muss darüber nachgedacht werden, wie es weitergeht. Denn es hat ja keinen Sinn, dass wir uns etwas vormachen. Wir müssen durch entsprechende Modellpolitik und durch entsprechende Absprachen im Schiffbau dahin kommen, dass wir Schiffstypen und Serientypen haben, die es gewährleisten, dass die Werften konkurrenzfähig produzieren können. - Das ist ein wichtiger Punkt.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen wollte, ist HDW. Ich bin in der Tat besorgt darüber, was dort passiert, und glaube, dass die Gefahr des Know-howAbzugs durchaus gegeben ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Um das festzustellen, muss man nicht amerikafeindlich sein. Es gibt durchaus Bestrebungen in den USA, das Monopol oder die Technologieführerschaft für wichtige waffentechnologischen Sektoren nach USA zu holen. Wir besitzen in Kiel die Technologieführerschaft im Sektor des konventionellen U-Boot-Baus. Es ist natürlich eine ganz spannende Geschichte für die USA, diese Technologie zu bekommen, wie es auch noch eine ganze Reihe anderer spannender Technologien gibt. Ich denke nur einmal an Panzer und Ähnliches.

Nun bin ich als Grüner nicht unbedingt jemand, der für die Rüstungsindustrie spricht. Das ist nicht mein Interesse. Aber wirtschaftspolitisch muss man sich darüber im Klaren sein - ich sage es einmal ganz deutlich -: Es ist natürlich ein Problem, wenn eine solche Wirtschaftspolitik gemacht wird. Die Historie zeigt, dass gerade, was die Rüstung angeht, Wirtschaftspolitik in den USA nicht rein privatwirtschaftlich betrieben wird. Ich erinnere nur daran, dass ganz wesentliche Elemente der Computertechnologie vor 20 Jahren in den USA über die Rüstungswirtschaft finanziert worden sind, dass damals der große Vormarsch der USA in der Computerindustrie sozusagen von Rüstungskonzernen betrieben worden ist, und zwar in Verbindung mit zivilen Konzernen, und dass auf diese Art und Weise eine Technologieführerschaft errungen worden ist, die heute noch währt. Ich glaube, dass dort keineswegs nur Privatwirtschaft betrieben wird, sondern dass auch staatliche Interessen eine Rolle spielen. Wenn man so etwas vor Augen hat, dann ist es meiner Meinung nach notwendig, auch in Deutschland in solchen Fragen eine staatliche Industriepolitik zu betreiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich gehe davon aus, dass wir diese Entwicklung ernst nehmen sollten. Ich kann hier kein Lösungskonzept vorstellen. Ich glaube auch nicht, dass irgendwelche Fehler gemacht worden sind. Ich sage nur: Es ist notwendig, dass wir uns alle der Situation bewusst sind, dass wir die Situation ernst nehmen und dass wir dies auch bei den weiteren Überlegungen und Eingriffsmaßnahmen berücksichtigen.

Letzter Punkt. Das alles hat mit Werftenförderung oder mit dem, was vonseiten der CDU gesagt worden ist, überhaupt nichts zu tun. Sie können nicht einerseits beklagen, dass in Lübeck Bürgschaften fällig werden und andererseits sagen, man solle noch mehr Werftenförderung betreiben. Das ist absurd. Es waren immer die Oppositionsparteien, die gesagt haben, vonseiten des Staates solle mehr für die Werften gegeben werden. Jetzt wird beklagt, dass Bürgschaften fällig

(Karl-Martin Hentschel)

werden. Ich habe bei den Bürgschaften Bauchschmerzen gehabt. Das gebe ich zu. Aber ich habe ihnen immer zugestimmt, weil ich mir gesagt habe: Wenn hierüber ein großer Konsens besteht, dann wollen wir nicht diejenigen sein, die sich querstellen. Aber wenn man einen solchen Konsens hat, wie er von Ihrer Seite immer gefordert worden ist, dann kann man sich, wenn etwas schief geht, nicht hinstellen und Alarm schlagen. Das ist nicht in Ordnung.

(Roswitha Strauß [CDU]: Sie haben es nicht verstanden! - Glocke des Präsidenten)

Die Redezeit, Herr Kollege!

Ja, ich komme zum Schluss. - Lübeck hat in den letzten Jahren immer die volle Werftenförderung erhalten. Dort spielen andere Gründe eine Rolle. HDW hat in der Tat nicht die volle Werftenförderung erhalten,

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, formulieren Sie bitte jetzt Ihren letzten Satz!

weil sie es sich auch so leisten konnten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)