Es gibt aus unserer Sicht aber ernsthafterweise Folgendes zu bedenken: Das Gesetz, das so schreckliche Dinge wie das Betriebsverbot von Autowaschanlagen am Sonntag hervorbringt, basiert auf Artikel 140 unseres Grundgesetzes, nach dem der Sonntag und die Feiertage „als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt“ bleiben. An diesem Grundsatz müssen und wollen wir festhalten. Auch meinen wir, dass der Sonntag für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Familien weiterhin ein Tag der Ruhe bleiben muss.
Das Gesetz über Sonn- und Feiertage vom 12. Dezember 1953 wurde von uns mehrfach, zuletzt am 16. April dieses Jahres, geändert. Seine Grundstruktur blieb aber erhalten. Veränderte Lebensgewohnheiten und Einstellungen zur Begehung von Sonn- und Feiertagen in unserer Gesellschaft, aber auch der Umstand, dass im Dienstleistungsbereich immer mehr
Menschen am Sonntag arbeiten müssen und schon dadurch der Charakter von Sonn- und Feiertagen eine Veränderung erfahren hat, lassen die Frage berechtigt erscheinen, ob nicht grundsätzlicher über die Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsgesetzes nachgedacht werden muss. Anders gesagt: Wir meinen, Frau Aschmoneit-Lücke, Ihr Autowaschanlagenantrag greift zu kurz.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was wollen Sie noch waschen?)
Es stellt sich die Frage, ob die Öffnung von Videotheken und der Betrieb von Autowaschanlagen an den geschützten Tagen ausreichen, um der veränderten gesellschaftlichen Rolle von Sonn- und Feiertagen gerecht zu werden. Wir wollen vielmehr gemeinsam mit dem Innenminister darüber nachdenken, wie der Sinn und Zweck des Gesetzes, ausgehend von Artikel 140 Grundgesetz, erreicht werden kann, ohne dass wir alle zwölf Monate einen FDP-Antrag über einzelne Änderungen beraten müssen.
Das Gesetz muss so novelliert werden, dass es einerseits den Menschen, die an Sonntagen Ruhe und Besinnung suchen, diese Ruhe garantiert, andererseits trotzdem flexibel Betätigungen zugelassen werden können, die diesem Ruhebedürfnis in keiner Weise entgegenstehen. Wir werden bei diesen Überlegungen aber auch die Belange der Besucherinnen und Besucher von Gottesdiensten im Auge behalten. Insofern werden wir mit den Kirchen frühzeitig in die Diskussion eintreten.
Sehr zu begrüßen wäre es auch, wenn eine Änderung des Gesetzes zu einer Deregulierung mit verringertem Verwaltungsaufwand führen würde.
Ein novelliertes Gesetz sollte so sein, dass wir nicht schon nach kurzer Zeit wieder einen FDP-Antrag zum Beispiel auf Einfügung einer Erlaubnis des Betriebs von Selbstbedienungsheißmangeln oder Münzwäschereien, Solarien oder privaten Flohmärkten an Sonn- und Feiertagen auf dem Tisch haben.
Zunächst möchte ich auf der Tribüne neue Gäste begrüßen, und zwar die Damen und Herren des CDUOrtsverbands Hartenholm. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP spricht selbst von einem marginalen Beitrag zum deutschen Aufschwung. Ich will anerkennen, dass Sie sich immerhin Gedanken gemacht haben. Sie haben auch versucht, einige kollidierende Rechtsgüter miteinander in Übereinstimmung zu bringen, indem Sie beispielsweise diese Wohltaten auf Gewerbe- beziehungsweise Industriegebiete beschränken wollen. Aber, meine Damen und Herren, beachten Sie dabei bitte auch, dass Sie damit auch Wettbewerbsverzerrungen herbeiführen; denn wenn Sie 90 % der Tankstellen ausnehmen, dann werden Sie damit Fehllenkungen provozieren. Ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln.
Aber wir sollten wirklich einmal im Grundsatz darüber diskutieren, ob es Sinn hat, den Sonn- und Feiertagsschutz scheibchenweise immer weiter einzuschränken, wie wir es bei der Neuregelung betreffend die Öffnungszeiten von Videotheken getan haben oder wie es die Landesregierung offenbar mit der Einführung weiterer verkaufsoffener Sonntage beabsichtigt.
Der Vorsitzende es Evangelischen Arbeitskreises meiner Partei, der Kollege de Jager, hat meiner Ansicht nach völlig zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass gegenwärtig eine Salamitaktik bei der scheibchenweisen Aushebelung des Sonn- und Feiertagsschutzes Anwendung findet, bei der jede Ausnahmeregelung zur logischen Begründung für die nächste Ausnahme herangezogen wird.
Ich halte es für sehr viel sinnvoller, einmal im Gesamtzusammenhang unter gesellschaftspolitischen, aber auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten in einen Diskurs darüber einzutreten, wie der Staat seine Ausgestaltungs- und Schutzpflicht für Sonn- und Feiertage unter sich wandelnden sozialen Bedingungen wahrnehmen soll. Dabei ist zu beachten, dass die verfassungsrechtliche Garantie des Sonn- und Feiertagsschutzes sowohl sozialen als auch religiösen Zwecken dient. Die durch den Wochenrhythmus erfolgende synchrone Taktung des sozia
len Lebens erst befähigt zu familiären und sonstigen gesellschaftlichen Aktivitäten. Nur unter der für die ganze Gesellschaft verbindlichen Festlegung eines einheitlichen Ruhetages können sich die traditionellen familienspezifischen Sozialformen ausbilden. Auch andere Formen sozialer Geselligkeit, insbesondere Aktivitäten in gesellschaftlichen Verbänden, werden zumindest durch einheitliche gesellschaftliche Ruhetage gefördert, wenn nicht gar erst ermöglicht.
Die mit einem Tag der Arbeitsruhe einhergehende physische und psychische Regeneration dient der körperlichen Unversehrtheit. Die Befähigung des Einzelnen zur Religionsausübung in Gemeinschaft ist ebenfalls ganz wesentlicher Zweck des Artikels 139 der Weimarer Reichsverfassung, der über Artikel 140 Bestandteil des Grundgesetzes ist.
Ich möchte dabei nicht jenen folgen, Herr Kollege Astrup, die behaupten, in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft habe die sonntägliche Autowäsche bereits den Charakter einer religiösen Ersatzhandlung angenommen und falle damit auch unter den Schutz der Freiheit der Religionsausübung.
Bei der Frage, was zum unantastbaren Kernbereich der Verfassungsnorm gehört und was der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt, werden wir ganz gewiss dem Wandel der Freizeitbedürfnisse der Menschen Rechnung zu tragen haben. Aber es gilt auch zu beachten, dass jeder Einsatz von Arbeitnehmern eine Durchbrechung der sonn- und feiertäglichen Arbeitsruhe ist. Deshalb ist auch im Falle der Arbeit für den Sonntag eine Abwägung zwischen den Freizeitbedürfnissen der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitnehmer durch Sonntagsarbeit erforderlich. Es gilt der Satz: Wenn allzu viele für die Freizeitbedürfnisse der anderen arbeiten müssen, wird das Prinzip des Sonntagsschutzes verletzt. Demzufolge hält das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung Aktivitäten dann für unzulässig, wenn die Freizeitbedürfnisse werktäglichen Charakter haben. Das sind die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die wir bei der von der Landesregierung angekündigten Novellierung des Sonn- und Feiertagsgesetzes zu beachten haben.
Es geht aber auch um mögliche gesellschaftliche Folgen. Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage, plakatiert die Evangelische Kirche. Damit macht sie
darauf aufmerksam, dass wir Acht geben müssen, dass der Sonntag nicht seinen Ausnahmecharakter verliert. Ansonsten würde mehr Gleichförmigkeit in unserer Gesellschaft herrschen. Ob dies auf Dauer wirklich zu mehr Abwechslung oder nicht doch zu mehr Langeweile führt, darüber sind Bücher geschrieben worden, die nachzulesen sich allemal lohnt.
Der Anlass ist nun wahrlich nicht so bemerkenswert, dass man allein darüber streiten sollte. Aber er gibt uns möglicherweise Gelegenheit, einmal im Zusammenhang und grundsätzlich über einige Fragen zu diskutieren, die unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben betreffen. Wenn Sie das über das Vehikel „Autowaschanlagen in Industrie- und Gewerbegebieten“ erreichen wollen, dann kann dieser Beitrag durchaus nützlich sein. Dann verdienen Sie auch Dank und Anerkennung dafür.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sollte schon festgestellt werden, dass niemand das Grundgesetz ändern will, dass aber eine grundsätzliche Erörterung im Rahmen einer umfassenderen Debatte notwendig ist. Ich halte es für notwendig, dass sich alle Parteien auf diese Diskussion einlassen; denn es hat für die Gesellschaft durchaus eine große Bedeutung, wie wir mit kulturellen Traditionen umgehen und wie wir verhindern, dass das passiert, was Sie eben angesprochen haben, Herr Geißler, nämlich dass eine Gleichförmigkeit im Leben entsteht und dass Besonderheiten, so es sie überhaupt gibt, Eventcharakter haben, die mit Kultur nicht mehr viel zu tun haben. Deshalb ist diese Diskussion wichtig.
Den FDP-Antrag finde ich in der Sache richtig. Ich sage dazu allerdings deutlich: Mir ist nicht ganz klar, warum man die Maßnahmen auf die Gewerbegebiete beschränken muss.
- Ja, ich weiß, wegen des Lärms. Aber ich halte das nicht für so vorrangig. Nun will ich mich darüber mit Ihnen nicht streiten. Lärm entsteht durch die Trocknung der Autos, nicht durch das Waschen. Über diese Dinge kann man noch einmal reden. Aber das ist jetzt nicht mein Thema.
Ihr Antrag macht Folgendes deutlich: Wenn man solche Pepitaprobleme unserer Gesellschaft lösen will, muss man dafür einen großen Verwaltungsaufwand treiben. Ich finde das ja auch erstaunlich. Ich finde es gut, dass Sie das in Ihrem Antrag deutlich gemacht haben. Ich hätte an Ihrer Stelle auch betont, wie bürokratisch solche Dinge organisiert sind und wie schwer es ist, das zu ändern. Eigentlich hat kein Mensch in diesem Lande Verständnis dafür, warum wir einen großen Aufwand treiben müssen, um eine solche Kleinigkeit neu zu regeln.
Deshalb ist es richtig und vernünftig, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, wie es die Landesregierung ja auch geplant hat. Wir sollten als SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner dabei allerdings nicht vergessen: Wir leben in einem Ferienland. Die Bedeutung von Sonntagsarbeit hat für uns, unsere Infrastruktur und die Ökonomie in SchleswigHolstein eine völlig andere Wertigkeit. Deshalb sollte man das, was hier zur Sonntagsarbeit zum Teil gesagt worden ist, nicht so hoch hängen. Wir haben aufgrund unseres Fremdenverkehrs völlig andere ökonomische Bedingungen. Sonntagsarbeit ist in vielen Teilen dieses Landes Realität; es würde auch gar nicht anders gehen.
Deshalb muss man hier eine sehr realistische Haltung einnehmen, um das Problem zu bewältigen. Für ideologische Debatten taugt das Thema überhaupt nicht.
Liebe Frau Aschmoneit-Lücke, Ihre Anträge haben immer eine hohe Qualität. Es lohnt sich, sich damit auseinander zu setzen. Ich meine das wirklich ernst. Ich glaube aber, Sie haben heute die Chance versäumt, das Thema in einen größeren Rahmen zu stellen. Dies wäre notwendig. Über die Einzelheiten sollten wir an dieser Stelle nicht entscheiden. Vielmehr sollten wir die Debatte so führen, wie es Herr Geißler dargestellt hat. Anders macht die Debatte keinen Sinn.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind das nur für Zeiten! Früher konnte der deutsche Bürger nach dem Kirchgang sein Auto im Garten und auf der Straße schrubben und wienern, bis ihm die Sinne schwanden. Heute gibt es Autowasch
Aber nun naht endlich Rettung durch die FDP. Sie klärt uns auf, dass sich das Freizeitverhalten der Bürgerinnen und vor allem der Bürger erheblich gewandelt hat. Heutzutage lieben sie einfach das Waschen von Personenkraftwagen. Wir leben im Medienzeitalter, das vom Fernsehen geprägt ist. Der Deutschen beliebteste Freizeitbeschäftigung ist es konsequenterweise, vor dem Tor der Autowaschanlage zu stehen und den bunten Bürsten beim Schrubben zuzuschauen. Nun, dann lasst uns denen ihr Vergnügen geben.