Grundsätzlich haben wir keine Einwände dagegen, dass liebevolle Autobesitzer ihre Fahrzeuge auch am Sonntag pflegen, natürlich mit der Ausnahme, dass dadurch nicht andere in ihrer Sonntagsruhe gestört werden dürfen. Die FDP umschifft dieses Problem, indem sie die Ausnahmegenehmigung auf Gewerbe- und Industriegebiete beschränkt. Aber genau das könnte zum Problem werden.
Man sollte jedenfalls im Ausschuss genauer erörtern, wie viel Tankstellen von der Gesetzesänderung betroffen sind. Es darf nämlich nicht so sein, dass der Autowäscher im Industriegebiet gegenüber der innerstädtischen Tankstelle oder der Dorftanke einen großen Wettbewerbsvorteil erhält, nur weil er keine Anwohner hat. Dieser Frage wollen wir näher nachgehen, bevor wir dem Gesetzentwurf unseren letzten Segen - sonntäglichen Segen - erteilen.
Wir können den Gesetzentwurf der FDP von der Sache her unterstützen. Allerdings fragen wir uns, ob die diversen Verbote zum Sonntag in Zukunft alle einzeln geändert werden sollen. Erst haben wir den Videothekaren erlaubt, nach dem Kirchgang ihre Türen zu öffnen. Jetzt ist der Volkssport Autowaschen dran. Was kommt als Nächstes? Es gibt sicherlich noch weitere solche unzeitgemäßen Sonntagsverbote.
Wir brauchen dieses Gesetz weiterhin schon zum Schutz der Arbeitnehmer. Aber der vorliegende Gesetzentwurf ist erneut ein Beispiel dafür, dass sich manche Verbote selber überlebt haben. Deshalb sollte sich der Innenausschuss einmal die Regelungen des Gesetzes über Sonn- und Feiertage vorknöpfen. Alle Verbote müssen auf ihre Tauglichkeit für die heutige Zeit hin geprüft werden, statt immer neue Einzelausnahmen zu beschließen. Das wäre nur konsequent und fair gegenüber den anderen, die am Sonntag ihre Zeit nur mit Autowaschen vertreiben.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke.
Ich finde, Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ganz nett mit mir und dem Antrag umgegangen. Das ist meine erste Bemerkung.
Nun die zweite Bemerkung. Ich finde es toll, dass wir über diesen, wie ich selber gesagt habe, nicht sehr weitreichenden Antrag diese Diskussion wirklich in Gang bringen. Es geht dabei um die ganz grundsätzlichen Fragen, die Sie alle angesprochen haben.
Ich stelle drittens aber auch fest, dass diese Diskussion bedauerlicherweise bis heute von niemandem von Ihnen angeregt worden ist.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schutz der Sonn- und Feiertage hat nach Artikel 140 des Grundgesetzes Verfassungsrang. Die Bestimmung korrespondiert mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung, nach dem die Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt sind. Sie sollen sich deutlich von den Werktagen unterscheiden. Neben der religiösen Komponente wird deutlich, dass den arbeitenden Menschen die Möglichkeit der inneren Ruhe und der physischen Erholung gegeben werden soll.
Das Gesetz über Sonn- und Feiertage, das seit fast 50 Jahren gilt, blieb trotz mehrmaliger Änderungen in der Grundsubstanz erhalten. Die Verwaltungspraxis hat aber gezeigt, dass das Gesetz in einigen Punkten nicht mehr zeitgemäß ist. Es ist zum Beispiel schwer zu vermitteln, wenn gewerbliche Flohmärkte wegen des Vorrangs der bundesrechtlichen Gewerbeordnung an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich stattfinden dürfen, private Flohmärkte jedoch nicht.
Zudem hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten in vieler Hinsicht ein Wandel der gesellschaftlichen Anschauung auch hinsichtlich der Gestaltung von
Sonn- und Feiertagen stattgefunden. Einige Beispiele sind von den Diskutanten hier genannt worden. Dem trägt das geltende Gesetz nicht ausreichend Rechnung. Die Akzeptanz für viele Beschränkungen des geltenden Gesetzes ist nicht mehr vorhanden.
Ich sage noch einmal: Die Verwaltungspraxis hat das geltende Gesetz ausgehöhlt. Ich habe das selber jahrelang betrieben und weiß, wovon ich rede.
- Ja, selbstverständlich! Soll ich Ihnen Beispiele sagen, wie man so etwas macht? Das ist ganz einfach, Herr Wadephul.
Nachdem der Landtag in den letzten Jahren aufgrund einer Volksinitiative bereits die Sonntagsöffnung der Videotheken ab 13:00 Uhr beschlossen hatte, wird jetzt eine weitere Lockerung für Autowaschanlagen diskutiert. Ich beabsichtige, anstelle von Einzelregelungen ein umfassendes neues Sonn-und-FeiertagsGesetz auf den Weg zu bringen, dessen Regelungen auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen sollen. Der Kern des Sonn-und-Feiertags-Rechts soll selbstverständlich unangetastet bleiben. Einzelne Einschränkungen der Freizeitgestaltung an Sonn- und Feiertagen, die in der Praxis kaum noch von Bedeutung sind, kommen auf den Prüfstand.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Menschen ihre Freizeit unterschiedlich gestalten möchten. Die Interessen des Einzelnen an einer selbst bestimmten Freizeitgestaltung einerseits sowie der Sonn-und-Feiertags-Schutz andererseits sind gegeneinander abzuwägen. Dazu zählt natürlich auch das Verbot der Öffnung automatischer Waschanlagen und Selbstwaschanlagen für Kraftfahrzeuge.
Ob es sinnvoll ist, Frau Aschmoneit-Lücke, die geplante Öffnung von Autowaschanlagen auf Gewerbe- und Industriegebiete zu beschränken - ich sage das nur als Beispiel; die Diskussion kann in den Ausschussberatungen noch geführt werden -, wage ich zu bezweifeln. Ich möchte an die objektiv mögliche Störung anknüpfen und nicht so sehr daran, ob es sich um ein Gewerbegebiet oder ein anderes Gebiet handelt. Aber diese Dinge können noch intensiv diskutiert werden.
Eine umfassende Novellierung des Sonn-undFeiertags-Schutzes wird eine breite Diskussion in der Bevölkerung auslösen. Die Meinungen, wie ein Sonntag gestaltet werden sollte, gehen in einer pluralen Gesellschaft auseinander.
Ich bin jederzeit bereit, meine Damen und Herren, mit allen Beteiligten Gespräche zu führen. Dazu gehören nach meinem Verständnis an erster Stelle die Kirchen in Schleswig-Holstein, denen ich meine Vorstellungen in Kürze im Detail erläutern werde.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Das Gesetz über die Sonn- und Feiertage ist nicht ein Gesetz, das Arbeitszeiten oder verkaufsoffene Sonntage regelt. Das sind andere Gesetze, die hiermit zusammenhängen. Vom Grundsatz her ist der Regelungsgehalt ein anderer.
Ich hoffe, dass die Beratungen zu einem Gesetz führen werden, das sowohl von weiten Teilen der Bevölkerung als auch von den Kirchen und möglichst auch von diesem Haus insgesamt mitgetragen wird. Ich würde mich darüber freuen, weil es für uns alle, für unsere Gesellschaft, auch für die Kirchen, ein Stück mehr Rechtssicherheit gäbe, auch im Sinne von Artikel 140 des Grundgesetzes.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Es ist beantragt, die Drucksache 15/2068 an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dieser Empfehlung Folge leisten will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das so beschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Alter, kurz Grundsicherungsgesetz, ist als Teil des Altersvermögensgesetzes am 26. Januar 2001 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden und hat nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses am 11. Mai 2001 den Bundesrat passiert. Es tritt zum
1. Januar 2003 in Kraft und sieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor, die entweder das 65. Lebensjahr vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Das sind in Schleswig-Holstein insbesondere alle behinderten Menschen in den Werkstätten.
Beide Personenkreise erhalten Leistungen nach der Grundsicherung, wenn sie bedürftig im Sinne der Prinzipien des Bundessozialhilfegesetzes sind. Träger dieses Leistungsgesetzes sind die Kreise und kreisfreien Städte.
Mit dem Grundsicherungsgesetz wird vor allem die so genannte verschämte Altersarmut bekämpft. Ich weiß, dass dieses Problem nicht mehr so drängend ist wie noch vor Jahren, Herr Kollege Garg; dennoch war es ein politischer Grund, dieses Gesetz zusammen mit der Rentenreform einzubringen. Neu ist der Verzicht auf die Inanspruchnahme Unterhaltspflichtiger. Gerade dieser Rückgriff hat in der Vergangenheit ältere Menschen davon abgehalten, Sozialhilfe zu beantragen. Das ist auch heute in vielen Fällen noch so.
Wir haben den Entwurf des Ausführungsgesetzes des Landes in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen Landesverbänden erarbeitet. Es war der ausdrückliche Wunsch der kommunalen Seite, die Möglichkeit zu erhalten, die amtsfreien Gemeinden und Ämter mit der Durchführung der Aufgaben zu beauftragen. Dies entspricht den Regelungen im Sozialhilfebereich und trägt natürlich auch dem Gedanken der Bürgernähe und der Verwaltungsvereinfachung Rechnung. Wir haben dies von schleswig-holsteinischer Seite auf Bundesebene durchsetzen helfen. Es steht entsprechend im Gesetz.
Mit den kommunalen Landesverbänden bestand auch Einvernehmen darüber, dass bei der Grundsicherung eine Kostenbeteiligung der Gemeinden zu erfolgen hat, und zwar in dem Umfang, in dem sie sich nach geltendem Recht an den Kosten der Sozialhilfe zu beteiligen hätten und jetzt dementsprechend Kosten einsparen.
Jetzt ist Schluss mit der Einigkeit mit den Kommunen, denn die Kommunen hätten es gern gesehen, dass sich das Land wie bei der Sozialhilfe mit einer festen Quote, nämlich 39 %, an den Kosten der Grundsicherung beteiligte.
- Nicht so nahe, wie Sie denken. Ich erkläre es gleich. - Jetzt haben die Kommunen noch einmal einen politischen Vorstoß in diese Richtung gemacht. Sie haben wahrscheinlich den Brief erhalten.
Die Begründung für diese Forderung ist vereinfacht die: Es wird uns nicht gelingen, die Mehrkosten den Kommunen nachzuweisen. Deshalb möchten wir eine feste Landesquote. - Sie werden vielleicht verstehen, dass uns diese Begründung nicht so ganz überzeugt, zumal rechtssystematisch eigentlich keine Veranlassung einer Quotierung besteht. Denn anders als bei der Sozialhilfe ist es ganz eindeutig so, dass allein die Kreise und die kreisfreien Städte zuständig sind. Bei der Sozialhilfe haben wir durch die örtlichen und überörtlichen Träger eine völlig andere Lage.
Dennoch beteiligt sich das Land an den Kosten und hat den Kommunen eine kostenneutrale Umsetzung dieses Gesetzes zugesagt. Unsere Beteiligung ergibt sich aus der Tatsache, dass auch wir Kosten durch das Grundsicherungsgesetz bei der Sozialhilfe einsparen.
Insgesamt bekommen die Kommunen kompensatorisch für ihre Mehraufwendungen in SchleswigHolstein rund 20,3 Millionen € von den 409 Millionen €, die der Bund für diesen Zweck einsetzt. Nebenbei angemerkt: Dass diese Summe so hoch ist, wie sie ist, haben die Kommunen unserem Antrag aus Schleswig-Holstein zu verdanken. Wir haben durchgesetzt, dass die Kompensation um immerhin 100 Millionen € erhöht worden ist.
Wir als Land zahlen zusätzlich 14,56 Millionen €. Die sind berechnet auf der Basis der kommunalen Zahlen über die Mehrkosten und sind in den Haushalt 2003 eingestellt. Nach dem Bundesgesetzgeber wird es nach zwei Jahren wegen der Bundesmittel eine Revision geben. Im Zuge dieser Revision können wir noch einmal über die Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen reden. Ich wiederhole: Für eine Quote gibt es rechtssystematisch keine Grundlage. Ich denke, es ist eine faire Basis, mit einem Landeszuschuss in dieser Höhe einzusteigen.