Protokoll der Sitzung vom 12.09.2002

(Rainder Steenblock)

1.000 Jahren davor. Das zeigt, welche Fehler in der Vergangenheit - nicht immer im Wissen um die Folgen - gemacht worden sind. Allein in der tschechischen Elbe - um das noch hinzuzufügen - sind 22 Staustufen gebaut worden. Die Moldau ist im Grunde genommen nur noch eine Kette von Stauseen. Das heißt, im Hochwasserfall geht dieses Wasser ungebremst, immer schneller, immer höher in die Elbe hinein. Auch im Elbebereich sind mittlerweile über 80 % der natürlichen Überflutungsauen von der Elbe abgeschnitten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben an der Elbe - die Vorrednerinnen und Vorredner haben das betont; ich will das auch noch einmal sagen - in Zeiten der Not einen vorbildlichen Einsatz der Verantwortlichen, ein ungeheures Ausmaß an Solidarität erlebt. Dafür bedanken auch wir uns als Fraktion bei den Helferinnen und Helfern, bei den Menschen, die freiwillig geholfen haben, bei den Institutionen, bei den Menschen in den Krisenstäben, die dies Unglück so gut, wie sie es konnten, gemanagt haben und größeres Leid von Mensch und Natur abgewendet haben. Herzlichen Dank dafür.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Klaus Schlie [CDU])

Ich glaube aber, unsere Aufgabe in der Politik ist es nun, auf der einen Seite so schnell, so rasch, so unbürokratisch wie möglich Hilfe zu leisten, auf der anderen Seite aber konsequent Vorsorge dafür zu treffen, dass solche Katastrophen zumindest in ihrer Häufigkeit verringert werden, alles das zu tun, was wir tun können, um eine konsequente Klimaschutzpolitik einzuleiten.

Die erste Aufgabe, der sich die Politik zu stellen hatte, ist natürlich die Hilfe für die Opfer. Deshalb lassen Sie mich auch noch einmal kurz etwas zur Finanzierung sagen. Es ist schon erstaunlich, mit welchem Tempo die CDU jeweils immer auf Vorschläge der Regierung aufspringt, wenn diese von der Regierung aus aktuellem Anlass aufgegeben werden müssen. Sie sind immer hinter der Zeit her; ein halbes Jahr, ein Jahr zu spät kommen Sie dann auch mit solchen Vorschlägen an, wie dem Vorschlag, jetzt die Steuerreform retten zu wollen.

(Widerspruch des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Leider sind Sie nie auf der Höhe der Zeit, der Entscheidung, um die es tatsächlich geht. Das ist das Problem, das Sie haben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist genau umgekehrt! Sie haben Wahrnehmungsstö- rungen, Herr Kollege! - Zuruf des Abgeord- neten Werner Kalinka [CDU])

- Ich kann es doch nicht ändern, dass Sie mit Ihren Denkvorgängen so langsam sind.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was ich zumindest erwarte, ist eine gewisse Ehrlichkeit in der Problembewältigung.

(Werner Kalinka [CDU]: Dann mal los!)

- Herr Kalinka, Sie und der Kollege Kubicki werfen der rot-grünen Regierung vor, in solch einer Krisensituation Steuern zu erhöhen. Das ist das gleiche Spielchen, das Sie nach dem 11. September betrieben haben.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Das muss man sich dann einmal angucken. Bei der Opposition bin ich immer dafür zu gucken, was sie denn macht, wenn sie in der Verantwortung ist, und nicht, welche großen Töne sie spuckt, wenn sie keine Verantwortung hat.

(Zurufe von der CDU)

Gucken wir uns einmal die vergleichbare Situation wie beim 11. September oder jetzt an: die Golf-KriegSituation. Was haben Sie denn gemacht, als da völlig neue Kosten auf das Land zukamen, um die Militäreinsätze zu bezahlen? - Sie haben die Steuern erhöht, 20 Pf. bei der Mineralölsteuer! Das haben Sie gemacht und zu verantworten. Das ist das, was Sie in Regierungsfunktion tun.

Ich will gar nicht auf Hamburg eingehen. Aber ich bin dafür, eine gewisse Ehrlichkeit in diese Debatte hineinzubringen und nicht so zu tun, als ob Sie in konkreter Verantwortung etwas anderes machen. Denn dann beschummeln Sie die Öffentlichkeit. Die Leute merken das.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Wer die Öffentlichkeit beschummelt, ist ja wohl klar!)

Sie haben damals die Steuern erhöht und wir machen etwas Ähnliches. Das Hinausschieben einer Steuersenkung ist letztendlich nichts anderes - darüber muss man offen reden - als die relative Erhöhung von Steuern. Das muss man ehrlich sagen.

(Rainder Steenblock)

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gucken wir uns die volkswirtschaftlichen Effekte an. Was diese Regierung macht, ist solidarisch, weil es die Lasten solidarisch auf die Gesellschaft verteilt. Wir haben bei dieser Reform die Unternehmensteuerkomponente nochmals erhöht. Das heißt, die Leute, die viel schultern können, schultern viel. Das merken die Menschen in diesem Land. Denn das, was die rotgrüne Bundesregierung tut, stößt auf große Akzeptanz in diesem Lande. Die Leute sind ausgesprochen verärgert über die Querschüsse aus der Opposition, weil Solidarität angesagt ist. Das Finanzierungsmodell der Bundesregierung bei der Bewältigung der Flutkosten heißt Solidarität.

Zum anderen werden - der Kollege Hentschel hat gerade in seiner Zwischenfrage darauf hingewiesen - Investitionen in einem großen Ausmaß getätigt und dadurch volkswirtschaftliche Effekte positiv beeinflusst.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Nein. Wie Kollege Kubicki schon sagte: Die Bildungsveranstaltung machen wir nachträglich und privat hinterher. Dafür bin ich auch.

Die CDU sagt: Schulden machen, Schulden machen, Schulden machen, wie bisher auch.

(Martin Kayenburg [CDU]: Stimmt doch gar nicht! Völliger Unsinn!)

Sie haben uns einen Haushalt hinterlassen, der eine gigantische Summe an Schulden hat. Das hat sich unter anderem bei den Direktinvestitionen bemerkbar gemacht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege Kayenburg, Sie haben in den letzten vier Jahren Ihrer Bundesregierung 31 Milliarden DM Direktinvestitionen in Deutschland gehabt. Wir haben in den Jahren der rot-grünen Bundesregierung 321 Milliarden DM Direktinvestitionen in Deutschland gehabt. Das zeigt, welches Vertrauen die Weltwirtschaft wieder zu uns hat und wie wenig Vertrauen sie zu Ihrem Schuldenstaat hatte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich würde Ihnen raten: Gehen Sie in Sack und Asche

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das müssen Sie gerade sagen!)

bei dem, was Sie wirtschafts- und steuerpolitisch zu verantworten haben.´

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Wir sind in Kiel und nicht in Ber- lin!)

Die Menschen in diesem Lande merken glücklicherweise sehr genau, was sie von Ihren Sprüchen zu halten haben. Sie werden am 22. September die Quittung für Ihre Großspurigkeit erhalten. Sie haben in diesem Lande nichts geleistet.

(Unruhe)

Einen Moment. Der Herr Abgeordnete Steenblock hat das Wort.

(Caroline Schwarz [CDU]: Aber zum The- ma! - Lothar Hay [SPD]: Vielleicht kann man der CDU ein paar Beruhigungstabletten geben!)

Ich freue mich, dass das zur Belebung der Debatte beiträgt.

Nachdem wir die Finanzierungsfrage und Ihre Inkompetenz an dieser Stelle geklärt haben, würde ich gerne etwas zu den konkreten Auswirkungen für Schleswig-Holstein sagen, auch zur Klimapolitik. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergeben sich Konsequenzen für unser Land. Ich möchte das in sieben Punkten zusammenfassen.

(Martin Kayenburg [CDU]: So weit können die Grünen doch gar nicht zählen!)

Der erste Punkt, Elbausbau, ist schon angesprochen worden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen ein ganz deutliches Nein zu einem weiteren Ausbau der mittleren Elbe und wir sagen auch ein ganz deutliches Nein zu einer weiteren Vertiefung der Unterelbe. Wir wissen, dass es an dieser Stelle Diskussionsbedarf gibt. Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, dass in anderen Parteien eine ausgesprochene Sensibilisierung durch das stattgefunden hat, was an der Elbe passiert ist - nicht bei der CDU Schleswig-Holsteins, das habe ich leider wieder festgestellt. Auch in Hamburg hat es eine Sensibilisierung gegeben. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir auf Grund dieser Ereignisses neu darüber nachdenken, was die Ausbaumaßnahmen an der Elbe bringen werden. Die

(Rainder Steenblock)

Grünen in Hamburg haben vorgeschlagen, eine Enquetekommission zu dem Bereich Unterelbe einzusetzen. Ob das das richtige Instrument ist, muss man sehen, Aber ich halte es für wichtig, dass wir uns zusammensetzen, Wissenschaft, Politik und Fachleute, und gemeinsam darüber reden, welche Konsequenzen das hat. Es schadet überhaupt nichts, das Wissen um ökologische Folgekosten und ökonomische Notwendigkeiten zu vertiefen. Deshalb ist ein neuer Diskussionsbedarf angesagt. Dem werden wir uns stellen. - Ich werde keine weiteren Zwischenfragen beantworten. Das können wir gerne hinterher machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Du hast noch gar keine beantwortet!)

Zweiter Punkt: Wir müssen die Versiegelung der Landschaft stoppen. Wir haben hier in der Vergangenheit Fehler gemacht. Das wissen Sie, das wissen mittlerweile alle.

Wir werden - drittens - ein Flächenentsiegelungsprogramm fördern, damit alle Kommunen in die Lage versetzt, aber auch verpflichtet werden, Regenwasser dort versickern zu lassen, wo es anfällt.

Viertens. Wir brauchen eine konsequente Renaturierung der Flüsse und Bäche und keine Aushöhlung der Wasserrahmenrichtlinie. Die Maßnahmen zur Renaturierung unserer Flüsse und Bäche mit entsprechenden Überflutungsräumen müssen verstärkt werden. Die Ministerpräsidentin hat schon auf die Anstrengungen der Landesregierung hingewiesen. Das werden wir weiter unterstützen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die eine Renaturierung aller Gewässer, wo immer möglich und machbar, vorsieht, ist hierfür eine hervorragende Grundlage. Das Umweltministerium hat eine ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, die jetzt umgesetzt werden muss.

Fünftens. Wir wollen keine weitere Bebauung in Überschwemmungsgebieten. Wir haben kein Verständnis dafür, dass Städte und Gemeinden den geplanten Hochwasserschutz dadurch verschleppen oder gar verhindern, dass sie dort immer noch Baugebiete ausweisen.