Protokoll der Sitzung vom 12.09.2002

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie können es auch nur unterschreiben!)

- Kollege Kayenburg, ich verstehe, dass Sie nervös sind.

Kollege Schlie, wir sollten aber der Vollständigkeit halber eine umfassende Darstellung geben. Sie hätten auch das Datum des Flächennutzungsplanes nennen sollen - er ist nämlich Anfang der 60er-Jahre in Kraft getreten -, wenn Sie hier eine solche Philippika ablassen.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Angesichts der Dramatik der Auswirkungen der Flutkatastrophe ist in ganz Deutschland ein hohes Maß an Solidarität mit den Opfern spürbar. Dies hat nicht nur in Worten, sondern auch in einer beispiellosen Spendenaktion seinen Niederschlag gefunden. Wir danken allen Bürgern, Verbänden und Unternehmen, insbesondere in Schleswig-Holstein, die sich daran beteiligt haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Mit den Spenden allein allerdings wird der bei Familien und Unternehmen entstandene Schaden nicht zu beseitigen sein. Deshalb begrüßen wir die schnelle und unbürokratische Hilfeleistung durch die Bundesregierung und die Europäische Union. Diese nationale Aufgabe ist - wie die Wiedervereinigung 1990 - nicht aus der Portokasse zu finanzieren. Es ist allerdings bestürzend, dass CDU und FDP nicht aus den Fehlern von 1990 gelernt haben. Schon damals haben Sie - noch in der Regierungsverantwortung - nicht auf den Rat der SPD hören wollen, auf die für den 1. Januar 1991 geplante Steuersenkung zu verzichten. Stattdessen haben Sie die Wiedervereinigung zunächst auf Pump finanziert. Im Ergebnis hat Ihr Regierungshandeln einen Schuldenberg hinterlassen, der sich beim Regierungswechsel 1998 auf die Rekordhöhe von 1.500 Milliarden DM belief. Wir wollen Schluss machen mit der Finanzierung auf Pump. Nicht unsere Kinder und Enkelkinder sollen für die Kosten der Flutkatastrophe aufkommen, sondern diese Generation soll es tun.

Die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform um ein Jahr ist der geeignetste Weg der Schadensbeseitigung. Er ist sozial gerecht und sofort zu finanzieren.

(Martin Kayenburg [CDU]: Durch Wieder- holungen wird das nicht richtiger!)

Es gibt keine gerechtere Finanzierung als über die Einkommensteuer und die Lohnsteuer; denn wer über ein hohes Einkommen verfügt, beteiligt sich stärker als jemand, der ein geringeres Einkommen hat. Hören Sie endlich auf, in diesem Zusammenhang von Steuererhöhungen zu reden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Natürlich!)

Für niemanden wird die Steuer erhöht; vielmehr erfolgt eine Verschiebung der Steuersenkungen um ein Jahr.

(Wolfgang Fuß)

Die Auszahlung von mehr als 7 Milliarden € zur Schadensbeseitigung wird mit Sicherheit die Konjunktur positiv beeinflussen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Verhöhnung der Opfer der Flutkatastrophe stellt die Forderung der FDP dar, die Folgen aus dem Umschichten von Haushaltsmitteln zu finanzieren. Das kann doch nur jemand fordern, der sehr sicher ist, dass er in absehbarer Zeit weder in Kiel noch in Berlin Regierungsverantwortung zu übernehmen hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer von Umschichtungen redet, ist beweispflichtig. Von der FDP hören wir aber nur Anträge auf Ausgabensteigerungen oder Steuersenkungen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer hat Ihnen das bloß aufgeschrieben?)

Auch in dieser Landtagssitzung müssen wir uns mit diversen Anträgen nach Mehrforderungen aus dem Landeshaushalt durch CDU und FDP befassen. Ein Ausdruck von Hilflosigkeit und von Konzeptionslosigkeit ist der Antrag der CDU.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Hochwasser!)

Sie rufen nur nach zusätzlichen Ausgaben des Landes, ohne sich über die Gegenfinanzierung Gedanken zu machen, Stichwort: Oberflächenwasserabgabe.

(Klaus Schlie [CDU]: Lesen Sie doch einmal den Antrag!)

Wenn Sie Forderungen erheben, dann müssen Sie uns auch sagen, welche der Aufgaben wegfallen sollen, die bisher aus dieser Abgabe finanziert wurden.

Unser Konzept ist im Alternativantrag, Drucksache 15/2101m nachzulesen. Wir sagen Ja zu schneller, unbürokratischer Hilfe, Ja zur Verschiebung der Steuerentlastung um ein Jahr, Nein zur Fortsetzung der Verschuldungspolitik von FDP und CDU und Ja zur Anhebung der Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften um 1,5 %. Auch große Kapitalgesellschaften müssen sich wieder an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Harms. Es gilt die normale Redezeit.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die Bereiche eingehen, auf die wir als Land Schleswig-Holstein in der nächsten Zeit konkret Einfluss nehmen können und müssen.

Beim Notfallmanagement mussten wir feststellen, dass die Ziele, die die einzelnen Bundesländer im Rahmen des Krisenmanagements verfolgt haben, sehr unterschiedlicher Art waren. Gerade in der Abstimmung mit Mecklenburg-Vorpommern mussten wir feststellen, dass die Problemstellung, die für uns wichtig war, aus mecklenburg-vorpommernscher Sicht nicht unbedingt vordringlichste Priorität hat. Wenn man so will, kam es hier zu einem klassischen Zielkonflikt. All die Probleme, die für uns im Vordergrund standen, waren für unsere Nachbarn erst einmal nachrangig. Dass dabei die Zusammenarbeit ins Stocken gerät, ist klar. Deshalb ist es notwendig, Strukturen zu schaffen, die eine engere und vor allem besser abgestimmte Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn möglich macht.

Gleiches gilt natürlich auch in Bezug auf alle Elbanrainer. Was wäre eigentlich passiert, wenn einige Deiche in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt nicht gesprengt worden wären? Keiner kann diese Frage verlässlich beantworten. Aber die Erkenntnis ist, dass auch hier eine engere Zusammenarbeit im Krisenmanagement vonnöten ist. Die nationale Flutkonferenz vom 15. September ist ein erster Schritt hin zu engerer Zusammenarbeit und ein Weg, um ein Gesamtkonzept auf die Beine zu stellen. Gerade der geplante Ausbau der Elbe wird hierbei eine Rolle spielen müssen.

Vor dem Hintergrund der chronisch klammen Kasse des Landes kann ich sagen, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass die Gelder, die ursprünglich für eine Elbvertiefung eingeplant waren, jetzt in den Deichbau und die Erneuerung von Deichen in den betroffenen Gebieten fließen. Die vorgesehene Umschichtung der Bundesmittel, die für Maßnahmen des Ausbaus der Elbe geplant waren, jetzt zugunsten des Hochwasserschutzes zu nutzen, halte ich für sinnvoll. Der Ausbau der Elbe hat nach diesem Hochwasser keine Priorität mehr.

Aber nicht nur in der Not ist die Zusammenarbeit wichtig, sondern auch, wenn es darum geht, zukünftige Katastrophen zu verhindern. Wissenschaftler sagten, dass man in der Vergangenheit alle 50 Jahre mit solchen Hochwassern rechnen musste. Nun sagt die Wissenschaft, dass man, statistisch gesehen, alle acht Jahre mit solchen Ereignissen rechnen muss. Die

(Lars Harms)

Gefahr ist also größer geworden. Damit ist auch die Notwendigkeit des Handelns größer geworden. Neben Deichverstärkungen und möglicherweise auch Deichneubauten müssen wir in Schleswig-Holstein verstärkt auch die Schaffung von Überschwemmungsgebieten ins Auge fassen.

Gleiches gilt für Auenlandschaften. Diese gilt es nun wieder so weit wie möglich herzustellen. Auch hierfür ist dringend ein gemeinschaftliches Konzept aller Elbanrainer nötig.

Wir in Schleswig-Holstein werden kurzfristig Finanzmittel in den Elberaum leiten müssen, um Überschwemmungsflächen schaffen zu können. Derartige Flächen sind finanzierbar, wenn man sie mit ökologischen Zielen kombiniert. Wir können uns vorstellen, dass die Mittel, die man für den Ankauf von Flächen zum Zwecke des Naturschutzes durch das Land und die Stiftung „Naturschutz“ aufwendet, jetzt zielgerichtet im Bereich der Elbe eingesetzt werden. Das heißt, sollte man geeignete Flächen finden, so sollten die Finanzmittel für den Ankauf dieser Flächen genutzt werden.

Ein Punkt, der kurzfristig eine Rolle spielen wird, ist die Frage der Neuwaldbildung und der Erhaltung des Waldes. Wir wissen, dass Wälder bis zu 95 % des Wassers in ihrer Umgebung binden können. Dieser Art des naturnahen Schutzes der flussnahen Flächen wird bisher noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, in Bezug auf die anstehenden Haushaltsberatungen sollten wir diesen wichtigen Aspekt nicht außer Acht lassen. Hier kann das Land wirklich nachhaltig handeln. Hier müssen wir auch auf die Änderung ganz bestimmter Haushaltsansätze hinwirken.

Zu guter Letzt möchte ich noch einen Appell an die Kommunen richten. Die Kommunen sollten auf jeden Fall davon Abstand nehmen, in Zukunft weitere Bau- und Gewerbegebiete in Hochwassergebieten einzurichten. Möglicherweise kann hier das Land auch dahin wirken, dass es die Förderung solcher Gebiete daran koppelt, dass sie außerhalb von Gefährdungsgebieten liegen müssen, um eine Förderung auszulösen. Auf jeden Fall muss dieser Aspekt durch das Land geprüft werden.

Ich glaube, wir haben sowohl langfristig als auch kurzfristig genügend Ansatzpunkte, an die wir anknüpfen können, um solchen Hochwassern, wie wir sie erlebt haben, wirksam entgegentreten zu können. Wir sollten deshalb gerade vor dem Hintergrund der

Einsicht, dass für uns alles auch noch hätte schlimmer kommen können, nun aber auch handeln.

Wie Sie wissen, komme ich von der Küste, aus Nordfriesland. Wir haben öfter mit Fluten zu tun. Deshalb gibt es bei uns natürlich ein entsprechendes friesisches Sprichwort: Eebe än flödj täiwe aw niimen. Das heißt: Ebbe und Flut warten auf niemanden. Damit soll gesagt sein: Wenn wir zu lange warten, kommt die nächste Flut mit all den Auswirkungen, die wir in den letzten Wochen entlang der Elbe erleben mussten. Gerade deshalb müssen wir handeln. Wir begrüßen, dass der Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deutlich macht, dass gehandelt werden soll.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Schlie, zunächst bedanke ich mich bei Ihnen für die aktuelle Schilderung der Situation vor Ort und für die Schilderung der Maßnahmen der Landesregierung, die alle verhindert haben, dass der Deich rechtzeitig erneuert worden ist. Herzlichen Dank dafür!

Frau Gröpel, die Arroganz Ihrer Rede verhöhnt die Menschen in Lauenburg.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich meine die Menschen, die dort leben, und diejenigen, die dort den Deich gesichert haben.

Ich erinnere an Folgendes. Der Deich in Lauenburg hätte verschiedenen Hochwasserereignissen der letzten 150 Jahre nicht Stand gehalten. Insofern reicht es eben nicht aus, über Klimaschutz und sonstige Visionen ganz global zu reden, sondern wir müssen über die Dinge vor Ort sprechen, was SchleswigHolstein angeht.