Aber auch der Innenminister spricht sich immer häufiger für größere Verwaltungseinheiten mit mehr Effizienz aus. Das ist wohl der Versuchsballon, um die Reaktion aus der Bevölkerung zu testen, wie beispielsweise damals beim Ausspruch zur Schließung der Ein-Mann-Stationen.
Die Vorstellungen über eine Gebietsreform lassen befürchten, dass Wege gesucht werden, in den Finanzausgleich noch weiter zulasten der Kommunen einzugreifen.
Das Land hat kein Geld, also lautet die Formel: Größere Gebietskörperschaften gleich geringere Verwaltungskosten gleich größerer Finanzspielraum der Gemeinden, der dann vom Land abgeschöpft werden kann.
Bevor die Landesregierung über solche Vorhaben nachdenkt, sollte sie ihre eigenen Hausaufgaben im Bereich Funktionalreform und Verwaltungsstrukturreform der Landesverwaltung erledigen.
Stanislav Jerži Lec sagte: „Der Weg zum Ziel ist der gefährlichste. Er ist die Flugbahn aller Geschosse.“
Der Mann hatte Recht. Ich rate SPD und Grünen daher, größere Gebietseinheiten nie gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen zu wollen. Sie könnten sich politisch ernsthaft dabei verletzen.
Wir wünschen den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Fehmarn für die Zukunft alles Gute. Ich bin
mir sicher, dass sie sich in ihrer neuen Heimatstadt wohl fühlen und sich mit ihr identifizieren werden.
Zunächst begrüße ich neue Gäste auf der Tribüne, und zwar Damen und Herren vom Inner-Wheel-Club Heide und vom SSW-Ortsverband Eckernförde. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Nun erteile ich für die Grünen im SchleswigHolsteinischen Landtag Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politiker in Fehmarn hatten Mut. Sie haben mit einem Schlag ein Amt und vier Kommunalparlamente aufgelöst und gezeigt, dass eine vernünftige Vision umzusetzen ist, wenn es engagierte Menschen gibt, die das wollen. Ich gratuliere allen Akteuren und den Bürgerinnen und Bürgern von Fehmarn.
Wie zu erwarten, hat dieses Ereignis unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die meisten sehen in diesem Ereignis einen Modellfall, dass das Problem der Kommunalstrukturen auf freiwilliger Basis zu lösen ist, und hoffen, dass andere Kommunen dem Beispiel nun folgen werden. Das hoffe ich auch. Ich glaube aber, dass wir dem Vorbild der Fehmarneraner nicht gerecht werden, wenn wir jetzt glauben, wir könnten das Problem auf Landesebene ad acta legen.
Erlauben Sie mir deshalb einige Anmerkungen dazu, Herr Hildebrand. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die folgenden Überlegungen meine persönliche Meinung darstellen. In meiner Partei wird das Thema genauso kontrovers diskutiert wie in anderen Parteien in diesem Landtag. Das ist auch gut so. Auch ich glaube, dass wir zu einer Überprüfung der Strukturen sowohl auf der Landesebene als auch auf der kommunalen Ebene - ich denke, dies gehört zusammen - kommen müssen. Es kann dann aber nicht so sein, dass sich eine Regierungsmehrheit bei diesem Thema durchsetzt. Vielmehr muss es gelingen, in einer solchen Frage einen überparteilichen Konsens herzustellen. Wenn man von vornherein sagt: Diese Diskussion wollen wir nicht führen, wie Herr Hildebrand es getan hat, der sich sogar noch
darüber beschwert hat, dass jemand anders diese Diskussion führt, dann kommen wir bestimmt nicht weiter. Die Diskussion über vernünftige Strukturen im Lande und darüber, ob an den Strukturen etwas zu korrigieren ist oder nicht, ist dann von vornherein geblockt. Das finde ich nicht sinnvoll.
Ich glaube, dass wir die Struktur der unteren Landesbehörden überprüfen müssen. Die Lösung kann aber nicht darin liegen, dass wir die Aufgaben der staatlichen Ämter der verschiedenen Ministerien einfach den Kreisen übertragen. Das würde in vielen Fällen zu einem Kompetenzverlust führen, worunter zum Beispiel gerade die Wirtschaftsbetriebe leiden würden.
Es wäre sinnvoll, über vier oder fünf Regionen oder Großkreise in Schleswig-Holstein nachzudenken, die die Aufgaben von Landesbehörden und einen Teil der Aufgaben der jetzigen Kreise übernehmen würden. Die anderen Aufgaben der Kreise könnten dann, wie es ja, auch von der Opposition, oft vorgeschlagen worden ist, nach unten auf die Kommunen übertragen werden. Dazu ist aber die jetzige Ämter- beziehungsweise Kommunalstruktur zu kleinteilig. Wir haben teilweise Ämter mit wenigen tausend Einwohnern, mit Minikommunalverwaltungen, was natürlich eine Übernahme von zusätzlichen Aufgaben aus Kompetenzgründen in der jetzigen Form gar nicht ermöglicht. Wir haben in Schleswig-Holstein circa 250 hauptamtliche Kommunalverwaltungen in Kreisen, Ämtern, Gemeinden und Städten. An 30 Orten befinden sich sogar zwei Verwaltungen nebeneinander. Deshalb wäre es erforderlich, Ämter und Kommunen so zusammenzulegen, dass sie handlungsfähige Einheiten bilden, die dann auch zusätzliche Aufgaben von der Kreisebene übernehmen können.
Die oft geäußerte Befürchtung, dass damit die Dörfer in Schleswig-Holstein ihre Selbstverwaltung verlieren, ist nicht stichhaltig. Es gibt neben Fehmarn bereits ein langes und gut funktionierendes Modell, nämlich die Struktur der Gesamtgemeinden im alten Kreis Eutin. Das Modell dort wird seit Jahren praktiziert und es funktioniert hervorragend. Dort haben die Dörfer ihre eigenen Dorfräte, die den gleichen Status haben wie Ortsbeiräte in den Stadtteilen von Städten. Anstelle des Bürgermeisters gibt es dort den Dorfvorsteher, der ehrenamtlich tätig ist und Vorsitzender des Dorfrates ist. Damit bleibt die dörfliche Selbstverwaltungsstruktur erhalten, die für das dörfliche Leben so wichtig ist.
Meine Damen und Herren, ein solcher Prozess kann nur überparteilich funktionieren. Natürlich wird eine Veränderung dieser Art Widerstände hervorrufen. Das ist in allen Bundesländern immer so gewesen,
wenn Strukturen geändert worden sind. Ich appelliere deshalb an alle Parteien, diese Diskussion offen zu führen und sich nicht selbst Denkverbote zu erteilen. Damit würden wir dem Mut der Fehmarneraner nämlich nicht gerecht. Sie haben sich nicht gescheut, etwas Neues zu denken und dies dann auch umzusetzen. Das sollte sich auch die Landesebene zum Vorbild nehmen.
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommunen sind nichts Gottgegebenes. Kreise, Städte und Gemeinden müssen bestimmte Bedürfnisse erfüllen und danach müssen sie auch gestaltet werden. Wenn es um die identitätsstiftende Funktion der Kommunen und eine bürgernahe Politik geht, haben kleine Einheiten vieles für sich. Wenn es aber um die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben und um die Verwirklichung der kommunalen Politik geht, haben kleine Kommunen zuweilen Probleme. Auch weil sie zu wenig Finanzmasse haben, sind sie häufig wenig handlungsfähig. Das ist das Dilemma, vor dem wir stehen.
Bisher hatte sich die Politik nicht an die Probleme herangetraut, die unweigerlich in diesem Bereich liegen. Das liegt zum einen an der emotionalen Bindung der gewachsenen kleinen Kommunen. Das liegt zum anderen aber auch - das muss hier ebenfalls gesagt werden - an den vielen verschiedenen persönlichen Interessen, die damit verbunden sind. Drei Gemeinden bedeuten auch drei Bürgermeister, drei Gemeinderäte, drei Bürgervorsteher, drei Wehrführer und vieles andere mehr. Werden die Gemeinden zusammengelegt, dann gibt es auf Dauer von jeder Position nur noch eine; die anderen Personen verlieren ihren Posten. Außerdem können Parteien ihre angestammten kleinen Hochburgen verlieren. Diese Aspekte müssen ehrlicherweise auch genannt werden, denn sie standen bislang vielfach einer rationalen Entscheidung im Weg.
Umso erfreulicher ist es natürlich, dass wir voraussichtlich am Freitag in zweiter Lesung über diesen Gesetzentwurf entscheiden, nach dem mehrere Kommunen freiwillig die Vorteile einer größeren Kommune nutzen wollen. Die Einwohnerinnen und Ein
wohner der Insel Fehmarn haben für sich entschieden, zukünftig gemeinsam in der Stadt Fehmarn zu leben. Diese Entscheidung ist sicherlich nicht leicht gefallen. Die Betroffenen haben sich aber trotzdem über die genannten Ängste hinweggesetzt und das verdient unser aller Respekt. Diese mutige Entscheidung kann für die Kommunen im gesamten Land ein Wegweiser sein.
Langfristig gesehen kann eine verstärkte freiwillige Zusammenarbeit bis hin zu einem Zusammenschluss für die schleswig-holsteinischen Gemeinden der Heilsweg sein, um sich für die Zukunft fit zu machen. Sie gibt den Kommunalpolitikern die Möglichkeit, politisch zu gestalten. Sie vermeidet Abstimmungsprobleme über Gemeindegrenzen hinweg. Sie ist die Basis einer leistungsstarken Verwaltungsebene. Sie garantiert einen fairen Wettbewerb zwischen den Kommunen im Land.
Die Zusammenlegung von zwei Gemeinden ist natürlich mehr als eine Hochzeit, bei der sich zwei ewige Treue schwören. Wie kompliziert es ist, zeigt der vorliegende Gesetzentwurf. Die Verschmelzung der Kommunen betrifft sehr viele Aufgaben und ebenso viele Menschen - Politiker, Beamte, Angestellte, Bürgerinnen und Bürger. Deshalb geht es nicht von heute auf morgen, sondern erfordert langfristige Übergangslösungen. Für eine Übergangszeit müssen die bisherigen Verantwortlichkeiten aufgeteilt und verteilt werden. Auch Fürsorgepflichten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen gewahrt werden. Dies zeigt, wieweit die politisch Verantwortlichen einschließlich der Verwaltung auf der Insel Fehmarn bereit waren, ihre eigenen Positionen und Besitzstände dem Gemeinwohl unterzuordnen.
So viel Weitsicht und Mut brauchen wir überall im Land. Die Zusammenlegung der Kommunen auf Fehmarn ist ein seit Jahrzehnten einmaliger Vorgang. Deshalb wird es vermutlich auf dem Weg zu dieser Stadt Fehmarn manche Überraschungen und manche Probleme geben. Die betroffenen Menschen sollen aber wissen, dass sie die volle Unterstützung des Landes auf diesem Weg haben. Wir werden diesen Prozess mit besonderem Interesse verfolgen, positiv begleiten und unterstützen, nicht zuletzt, weil die Bedeutung dieses Projektes weit über die Küsten Fehmarns hinausreicht. Es wird hoffentlich ein leuchtendes Vorbild dafür sein, dass weitere Gemeinden und Ämter ihre Ängste und Bedenken überwinden und sich zu leistungsfähigen Kommunen zusammentun. Denn starke Gemeinden sind letztlich nicht nur Ausdruck einer effektiven schlanken Verwaltung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der interfraktionelle Gesetzentwurf weist eine bemerkenswerte Vorgeschichte auf. Sie ist ein eindrucksvoller und ermutigender Beweis dafür, dass es in SchleswigHolstein Kommunen gibt, die in der Lage sind, aus eigener Kraft selbst einschneidendste Maßnahmen zu ergreifen, um ihre kommunalen Strukturen entsprechend den heutigen Anforderungen an eine moderne und leistungsfähige Verwaltung zu optimieren. Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Hildebrand, dass irgendjemand nicht dafür ist, dass auch unsere Kommunen moderne und leistungsfähige Verwaltungen erhalten.
Der Gesetzentwurf sieht den Zusammenschluss der Gemeinden Bannesdorf, Landkirchen, Westfehmarn und der Stadt Burg auf Fehmarn zu einer neuen Stadt mit dem Namen Fehmarn vor. Die Initiative für ein solches Gesetz ging jedoch weder von den Fraktionen des Landtages noch von der Landesregierung aus.
Vielmehr ist der Wunsch nach einem Zusammenschluss in der örtlichen Gemeinschaft selbst gewachsen und tatkräftig bis zur Entscheidungsreife verfolgt worden. Grundlage ist - das erwähne ich hier mit Freude - die dort durchgeführte LSE, für die ich selbst in meinem früheren Ministeramt auf der Insel geworben habe.
Unterstützung von außen wurde erst notwendig, als sich im Laufe der vertieften Diskussion zeigte, dass sich bestimmte Rechtsfragen nicht durch einen einfachen Gebietsänderungsvertrag regeln lassen würden. Insbesondere im Hinblick auf die anstehende Kommunalwahl bedarf es gesetzlicher Übergangsregelungen. Alle zentralen Fragen der Zusammenlegung werden nun durch Gesetz geregelt. Wir haben den betroffenen Kommunen mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
Auf der Grundlage haben die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter der vier Kommunen in einer gemeinsamen Sitzung am 5. September 2002 jeweils mit großer Mehrheit den weichenstellenden Beschluss
gefasst, ihre Gemeinden zum 1. Januar 2003 zu einer neuen Stadt namens Fehmarn zu vereinigen. Die Tatsache, dass die Entscheidungsträger vor Ort, die kommunalen Mandatsträger in ihren unterschiedlichen Funktionen auf gemeindlicher Ebene und auf Amtsebene ebenso wie der hauptamtliche Bürgermeister, ohne Zögern bereit waren, ihre persönlichen Interessen zurückzustellen, verdient besondere Würdigung.