Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Ich finde, dass wir da noch am Anfang sind, aber trotzdem, bei jährlich 27 Milliarden Steuersubventionen für den Agrarbereich fordern die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht ein Mitbestimmungsrecht über das Wie und Was der landwirtschaftlichen Produktion. Das heißt, heraus aus der Überschussproduktion und hinein in die Qualitätsproduktion. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mit ihren Steuergeldern keine Tierquälerei finanzieren, sondern artgerechte Tierhaltung, keinen Raubbau an Boden und Wasser, sondern den Schutz unserer natürlichen Ressourcen, keine Vernichtung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, sondern Sicherung von bestehenden und Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Ich hoffe, dass wir mit der Beantwortung dieser Großen Anfrage ein Stück weiter kommen auf dem Weg, auch die Biomasse in Schleswig-Holstein vernünftig zu nutzen und zu einer besseren energetischen Verwertung zu kommen, als das zurzeit der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erhält jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.

(Klaus Klinckhamer [CDU]: Der soll jetzt erklären, was der Klärschlamm in Dänemark macht!)

Klaus, keine Angst, ich bin auf deiner Seite.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Verwendung von Klärschlämmen auf landwirtschaftlichen Flächen problematisch ist, ist eine Tatsache. Aber eine genau solche Tatsache ist natürlich auch, dass die Verwendung von Stickstoffdüngern oder anderen Mitteln problematisch sein kann. Aus diesem Grund ist es notwendig, genauer die Wirkungsweise von Klärschlamm zu betrachten. Deshalb sind wir dankbar für die Große Anfrage der

FDP, die dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung bringt.

Die moderne Landwirtschaft kann unter den heute geltenden Bedingungen nicht ohne Klärschlämme oder andere Dünger auskommen. Die Anforderungen an die Produktionsweisen in der Landwirtschaft sind nun einmal so, wie sie sind, und wir müssen ehrlicherweise damit rechnen, dass sich nicht alles so schnell ändern wird. Deshalb gilt es die möglichen negativen Auswirkungen der Nutzung von Klärschlamm so zu minimieren, dass man von einer verantwortlichen Nutzung sprechen kann.

Ich sage dies auch vor dem Hintergrund, dass die Verwertung des Klärschlammes in der landwirtschaftlichen Nutzung immer noch die preisgünstigste Variante ist. Das heißt, die Deponierung, die thermische Nutzung, die Verarbeitung in einer mechanischbiologischen Anlage oder auch der Export von Klärschlämmen sind immer nur die teurere Variante. Damit ist klar, dass auch der wirtschaftliche Druck dazu führen wird, dass Klärschlämme in der Landwirtschaft genutzt werden.

Betrachtete man die beiden Tatsachen - die Notwendigkeit der Nutzung von Klärschlämmen und Düngern in der Landwirtschaft und die notwendige kostengünstige Entsorgung -, dürfte es nicht verwundern, wenn es eine grenzenlose Klärschlammausbringung gäbe. Gleichwohl haben aber die Landesregierung, die kommunale Seite und die Landwirtschaftskammer einen Kompromiss erarbeitet. Die von allen drei Seiten gemeinsam erarbeiteten Referenzwerte liegen weit unterhalb den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten. Sie bieten somit eine zusätzliche Sicherheit für den Produzenten und den Verbraucher landwirtschaftlicher Produkte.

Vor dem Hintergrund, dass nun auf Bundesebene neue Grenzwerte eingeführt werden sollen und die ersten Gespräche hierzu laufen, kann man sagen, dass die, die den Empfehlungen von Landesregierung, Kommunen und Landwirtschaft, gefolgt sind, nun einen gewissen Vorsprung haben, da sie diese Auflagen schon erfüllen. Wir waren somit in SchleswigHolstein in Bezug auf die Grenzwertdiskussion sehr vorausschauend.

Wie wichtig dieses vorausschauende Handeln ist, kann man auch folgenden Textpassagen aus der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen. Zwar sind auf Grundlage der derzeitigen Klärschlammverordnung keine wissenschaftlich erkennbaren Risiken für die Qualität von Nahrungsmitteln erkennbar, aber es ist auch festzustellen, dass beispielsweise bei der Problematik von Arzneirückständen in Klärschläm

(Lars Harms)

men die Grundlagenforschung noch aussteht. Das heißt, die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse sind ungenau und somit eigentlich nicht nutzbar. Gleichzeitig bezieht man sich auf die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, wenn es um mögliche Risiken geht. Das kann nicht funktionieren. Daher ist es nur vernünftig, erst einmal sicherheitshalber weiter unter den Grenzwerten zu bleiben.

Betrachtet man nun die Alternativen zur landwirtschaftlichen Nutzung, so lässt sich feststellen, dass die Alternativen derzeit auch nicht so vorteilhaft sind. Da ist zum einen die thermische Verwertung mit all ihren Problemen in Bezug auf Abgase und mögliche Schadstoffe. Hier müssen wir vor allem bedenken, dass die derzeitigen Kapazitäten der thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Schleswig-Holstein demnächst schon für den Siedlungsabfall nicht mehr ausreichen werden. Zum anderen ist da die mechanisch-biologische Behandlung, die immer auch die Deponierung mit all ihren Konsequenzen nach sich zieht. Zu guter Letzt das „Seaborne-Verfahren“, das einen hoffnungsvoll stimmt, aber erst einmal großtechnisch in einer Pilotanlage in Plön getestet werden muss. Auf absehbare Zeit werden wir auch deshalb mit der landwirtschaftlichen Nutzung von Klärschlämmen leben müssen, weil die anderen Verfahren entweder noch nicht serienreif sind oder aber andere Mängel haben.

Es kommt unserer Meinung darauf an, einen vernünftigen Mix aus Verwertungsarten zu etablieren.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dabei ist darauf zu achten, dass die Schlämme mit geringeren Schadstoffgehalten in der Landwirtschaft genutzt werden und die problematischeren Schlämme in MBAs oder thermisch behandelt werden. Davon ausgehend, dass der in Schleswig-Holstein vorhandene Klärschlamm im Vergleich zu anderen Schlämmen eher schadstoffarm ist, dürfte diese Vorgehensweise kein Problem darstellen.

Einen gewissen Ausgleich, wenn auch nur einen kleinen, können wir als Land Schleswig-Holstein dadurch schaffen, dass wir weiterhin daran festhalten, dass Liegenschaften, die durch das Land oder die Stiftung „Naturschutz“ genutzt oder verpachtet werden, frei von Klärschlämmen bleiben. So wird die Nutzung von Klärschlamm wenigstens auf einigen Flächen eingestellt beziehungsweise nicht mehr zugelassen, was dem gesamten Naturhaushalt zugute kommt und der Vorbildfunktion des Landes Schleswig-Holstein entspricht. Was das in Bezug zum Beispiel auf Nährstoffeinträge in Ostsee und Nordsee bedeutet, darüber

können wir uns morgen beim geeigneten Thema unterhalten.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wo wir gerade bei der Vorbildfunktion sind, muss man sagen, dass die Entwicklung von Biogasanlagen enorme Fortschritte gemacht hat. Zwar müssen wir feststellen, dass noch nicht sehr viele Anlagen bestehen, wir aber technisch inzwischen in der Lage sind, Anlagen zu bauen, die durchaus bestehen können. Dies kann in den nächsten Jahren zu einem Schub in der Biogasnutzung führen, der vielleicht mittelbar mit der Entwicklung auf dem Windenergiesektor vergleichbar ist.

Gerade in Nordfriesland ist spürbar, dass man sich im ländlichen Raum für diese Form der Energieerzeugung interessiert und bereit ist, in Biogasanlagen zu investieren. Durch die dezentrale Energiegewinnung werden Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen. Durch die regenerativen Energieformen entstehen neue Perspektiven auch für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume. Insofern ist die Investition in Biogasanlagen eine Investition in die Zukunft. Dies haben auch Bundes- und Landesregierung erkannt, wenn sie Förderprogramme aufstellen, um die Erschließung dieser Energieträger zu fördern. In diesem Ansinnen können wir als SSW die Bundes- und die Landesregierung nur unterstützen.

Was die Nutzung von Rapsöl angeht, bleibt festzuhalten, dass sie weit verbreitet ist und der Verbrauch sicherlich noch gesteigert werden könnte. Somit könnte man langfristig den Import anderer Öle verringern.

Bei Biodiesel sieht die Lage zurzeit etwas anders aus. Aufgrund der Dieselerstattungen für die Landwirtschaft ist der Einsatz von Biodiesel für Landwirte nicht attraktiv. Dieser Markt bleibt somit bis auf weiteres verschlossen. Wichtiger ist, was in Bezug auf den Einsatz von Biodiesel bei Wasserfahrzeugen in der Antwort auf die Große Anfrage gesagt wurde. Biodiesel ist aggressiv und greift Leitungen, Filter und Ähnliches im Fahrzeug an. Das heißt, obwohl Biodiesel billiger ist, lohnt sich sein Einsatz nicht, weil die Kosten für die Instandhaltung oder auch die Instandsetzung für Leitungen und Filter zu hoch wären. Aus diesem Grund wird Biodiesel auch nicht von Herstellerfirmen beispielsweise von Wasserfahrzeugen freigegeben. Gleiches gilt auch für ganz normale Autos. Daher ist es wichtig, dass die Hersteller in ihre Fahrzeuge serienmäßig Leitungen und Filter einbauen, die dem aggressiven Biodiesel standhalten.

(Lars Harms)

Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen gern ihren Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz leisten würden, wenn man ihnen dazu Gelegenheit gäbe. Kommt das Biodieselauto serienmäßig, ergeben sich wieder einmal gute Erwerbschancen für unsere Landwirtschaft. Hier ist allerdings mehr unser „Autokanzler“ als unsere Landesregierung gefragt. Deswegen: Mal sehen, was uns in dieser Richtung in nächster Zukunft geboten wird. Das nächste Auto, das ich mir kaufen werde, wird auf jeden Fall ein Biodieselauto sein.

(Beifall bei SSW und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Mein Auto ist schön!)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Redebeiträge haben eine Vielfalt von Meinungen deutlich gemacht, die für mich interessant waren. Herr Jacobs, auch für Sie dürfte interessant gewesen sein zu erfahren, was zum Beispiel in der grünen Fraktion über die Antwort der Landesregierung zum Bodenschutz und zur Verwertung von Biomasse gedacht wird. Sie, Frau Fröhlich, haben hier gemeinsam mit Frau Tengler der Beantwortung eindeutig widersprochen und gesagt, die Aussagen zum Bodenschutz wie auch zur Gesundheit seien alle falsch. So muss ich Ihre beiden Beiträge zusammenfassen. Entsprechend sollten wir im Ausschuss intensiv darüber reden, ob diese Antworten falsch sind

(Zuruf)

- doch, falsch! -, ob der Minister gelogen hat oder ob er den falschen Wissenschaftler gefragt hat. Insofern muss man dies im Ausschuss meines Erachtens sehr grundlegend diskutieren. Ich freue mich darauf.

Ich möchte eines hinzufügen. Das sollte auch deutlich gesagt werden. Für keinen Landwirt gibt es eine Verpflichtung zur landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlämmen. Ich weiß, dass Landwirte gern möchten, dass es verboten wird. Aber sie sollten sich frei fühlen zu sagen: Ich mache es nicht. Diese Möglichkeit hat jeder Landwirt.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Man sollte die Freiräume, die wir in der Gesellschaft haben, durchaus nutzen.

Frau Fröhlich und auch Frau Tengler, ich bin sehr erstaunt, dass Sie sich intensiv für die thermische Verwertung einsetzen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, in diesem Haus als jemand beschimpft worden zu sein, der sich für die thermische Verwertung anderer Abfälle einsetzte, als absoluter Pyromane, als völlig unverantwortliches Wesen.

(Frauke Tengler [CDU]: Nicht von mir!)

- Nicht von Ihnen, Frau Tengler, aber von anderen! Ich bitte Sie beide, einfach einmal zu sehen, wie es im Kreis Nordfriesland ist, wo die Standortsuche für eine thermischen Verwertungsanlage im Augenblick Kapriolen schlägt, die sehr interessant sind. Ich bin gespannt, wie Sie für Ihre thermischen Verwertungsanlagen Standorte finden. Ich bin gespannt, wie Sie der Bevölkerung deutlich machen wollen, dass Sie für diese thermischen Verwertungsanlagen außerdem noch eine ganze Menge Geld bezahlen müssen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es zur Erforschung von Arzneimittelrückständen im Bundesgebiet eine ganze Vielzahl von Beispielen gibt. Über Koffein habe ich in verschiedenen Zeitungen gelesen. Ich habe auch schon eine entsprechende Anfragen gestellt. Es gibt eine Menge Material. Ich frage mich angesichts unseres Landeshaushalts, Frau Fröhlich, ob wir denn die Mittel dafür haben, das bei uns auch noch einmal zu untersuchen. Ich habe daran gelinde Zweifel.

Ich würde mir schon wünschen, wenn sich das schwarz-grüne Bündnis einmal überlegt, ob es das, was es hier an Politik vorträgt, vor Ort tatsächlich verantworten kann, ob es in den Gemeinden die Mehrheit bekommt, eine thermische Verwertung von Klärschlämmen anzustoßen, ob es dafür die Mehrheit im Gemeinderat bekommt. Sie alle sind frei zu tun, was Sie möchten. Sie brauchen nicht immer nach dem Land zu fragen. Sie können kommunal eine Menge von dem umsetzen, was Sie hier gesagt haben. Ich freue mich schon darauf, mit Ihnen für thermische Verwertungsanlagen auf Standortsuche zu gehen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 15/2078, zur abschließenden Beratung in den Umweltausschuss federführend und mitberatend in den Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist somit einstimmig beschlossen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Zur thermischen Verwertung!)

Der Tagesordnungspunkt ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 15/1748

Antwort der Landesregierung Drucksache 15/2139