Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat gestern eine Entscheidung getroffen, wie sie vielleicht in einer Legislaturperiode nur einmal getroffen wird,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie tritt zurück oder wie?)

eine Entscheidung, die die Hochschullandschaft und die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes nachhaltig beeinflussen wird. Ich meine natürlich die Entscheidung für den Multimedia-Campus. Sie ist auch ein Symbol für den künftigen Weg der Hochschulen, nämlich in einer engeren Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in diesem Land.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Jürgen Weber [SPD])

Das ist Ihnen, Herr de Jager, nun in dieser Debatte ich finde das wirklich ein Armutszeugnis - nur eine wie haben Sie gesagt? - warnende Bemerkung wert gewesen. Man muss doch auch einmal loben können!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abge- ordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Das gehört natürlich auch in den hochschulpolitischen Zusammenhang. Das können Sie doch gar nicht bestreiten.

Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren von der Opposition - auch die F.D.P., die gestern eine geradezu peinliche Erklärung dazu abgegeben hat -,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Na! Warten wir mal ab!)

dass alle - nicht nur die wirtschaftlichen Kräfte im Land, sondern auch alle politischen Kräfte - zum Gelingen dieses Projektes beitragen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was der Wissenschaftsrat vor einigen Wochen nach der Evaluierung des Hochschulsystems in Berlin forderte, nämlich - ich zitiere - „ein neues Gewand für die deutschen Universitäten“, wird in kleinerem Umfang auch von der CAU diskutiert: Welches Gewand braucht diese Hochschule, um sich im zukünftigen Wettbewerb mit anderen Hochschulen zu behaupten? Wie kann sie ihre Stärken besser nutzen, ihre Schwächen abbauen? Wie können die Rahmenbedingungen und hier eben nicht nur die finanziellen - effizienter genutzt werden?

Dieser Diskussionsprozess wird von mir ausdrücklich unterstützt. Veränderungen müssen sein, wenn die CAU in Zukunft profiliert, wettbewerblich, wissenschaftlich, autonom und wirtschaftlich sein will.

Es ist eben nicht nur - das wäre wirklich kleinkariert, wenn man sich darauf beschränken würde - die Fi

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

nanznot von Bund, Ländern und Gemeinden, die zu strukturellen Veränderungen zwingt. Wer das behauptet, der verkennt einfach die Herausforderungen, die an die Hochschulen der Zukunft gestellt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber - das meine ich nicht zynisch - die Knappheit wird diesen Prozess der Umstrukturierung beschleunigen.

Ein Umdenken ist nötig, und zwar nicht übermorgen und auch nicht morgen, sondern jetzt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die Universität auf diesen Weg gemacht hat. Das Rektorat der CAU hat ein Strukturkonzept erarbeitet und die Vorschläge beinhalten in der Tat die Einsparung beziehungsweise die Umwidmung von 10 % der Stellen in den nächsten Jahren, nicht etwa zum Haushalt 2001. Es verbindet damit strategische Ziele, das strukturelle Haushaltsdefizit im Personalbereich auszugleichen, das wir im Übrigen, Herr Dr. Klug, nie bestritten haben, sondern wir haben uns vielmehr immer gestritten über den Umfang

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

und über die Millionen, die da genannt wurden. Darüber haben wir uns in der Tat gestritten.

Ziel ist ferner, das dann so angepasste Budget ohne Bewirtschaftungsmaßnahmen in Zukunft gestalten zu können und vor allem - das ist vielleicht das Wichtigste - Finanzpotential für innovative und profilstärkende Maßnahmen zu gewinnen. Es kann eben in Zukunft nicht mehr sein, dann, wenn man etwas Neues, Innovatives machen will, immer nur zu sagen: Das kommt oben drauf. Wer soll das finanzieren, Herr de Jager? Das frage ich Sie wirklich. Das geht doch nur über Alternativen, über den Gewinn neuen Potentials. Das müssen Sie doch akzeptieren.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei werden in diesem Strukturkonzept Prüfungskriterien zugrunde gelegt. Ich will sie kurz nennen: Es sind besondere Schwerpunktsetzungen - traditionelle Stärken und neue Profilbildungen -, es ist die Berücksichtigung des Angebots anderer Hochschulen, auch Fachhochschulen, es ist die vorhandene Mindestausstattung, es ist die Auslastung und Berücksichtigung der Dienstleistungsverpflichtungen eines Bereiches, es ist natürlich auch die Anfänger- und Absolventenbilanz - ich werde darauf im Zusammenhang mit der Agrarfakultät noch zurückkommen -, es sind die Arbeitsmarktperspektiven und die Drittmittelintensität

und die Transferfähigkeit eines Bereichs. Die Kriterienfestlegung teile ich.

Ich meine auch, dass die meisten Vorschläge, die gemacht worden sind, nachvollziehbar sind. Sie entsprechen übrigens im Wesentlichen den Ergebnissen der Strukturreformdiskussion von 1997, die in Teilen aber eben längst noch nicht vollständig - umgesetzt worden sind.

Meine Damen und Herren, nun zur Agrarfakultät! Die Fragen, die uns bei der Diskussion über die zukünftige Struktur der CAU bewegen, gelten für alle Bereiche eben auch für die Agrarfakultät. Es sind die Fragen: Ist Ihre Struktur effizient, ist Ihre Auslastung zufriedenstellend, wie sieht der Drittmittelbereich aus, wie sieht der Transferbereich aus?

(Zurufe von der CDU)

- Und andere Fragen mehr.

Diese Fragen werden gestellt, aber an keiner Stelle, in keinem Gremium, schon gar nicht in der Landesregierung, gibt es einen Beschluss, der eine Schließung dieser Fakultät vorsieht, auch wenn in der Öffentlichkeit Gegenteiliges behauptet wird. Und ich erkläre hier: Für die Öffentlichkeitsarbeit einer Abgeordneten bin ich nicht verantwortlich und will ich auch nicht verantwortlich gemacht werden.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

An der Leistungsfähigkeit der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät zweifelt niemand. Die Forschungsleistung ist beachtlich und der Drittmittelfluss ist in der Tat erfreulich. Diese Bereiche gehören zu den Aushängeschildern der CAU. Ein hoch erfolgreicher Sonderforschungsbereich hat über neun Jahre hinweg die Arbeit dieser Fakultät geprägt. Wer weiß, wie schwierig es ist, Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu akquirieren, der kann dies nur hoch wertschätzen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Dieser Sonderforschungsbereich ist Ende letzten Jahres ausgelaufen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte, etwas aufmerksamer zuzuhören.

Hinzu kommt Folgendes: Die Fakultät betreibt hervorragende wissenschaftliche Nachwuchsausbildung, was sich an einer über zehn Jahre gleichbleibenden insgesamt überdurchschnittlich hohen Zahl an Promotionen messen lässt. Ausdrücklich anerkennen will ich natürlich das starke Engagement der Fakultät im Rahmen der EXPO.

Übrigens: Die Zusammenarbeit zwischen Ernährungswirtschaft und Wissenschaft ist exzellent und für die Bereitstellung einer Stiftungsprofessur im Bereich Lebensmitteltechnik sind wir dankbar.

(Vereinzelter Beifall bei der F.D.P.)

Ich habe übrigens die junge Frau, die diese Stiftungsprofessur innehat und die nach Schleswig-Holstein berufen wurde, zusammen mit denjenigen, die die Stiftungsprofessur finanzieren, persönlich begrüßt und habe ausdrücklich das Engagement der Wirtschaft in diesem Bereich gewürdigt. Insofern, Frau Kollegin, ist

(Zurufe)

- ich meine die Frau Kollegin, die ich gerade angucke, nämlich Frau Spoorendonk - natürlich das Interesse der Ernährungswirtschaft und auch der Landwirtschaft an diesen Fragen der Zukunft der Fakultät für mich absolut nachvollziehbar.

(Beifall bei der F.D.P.)

Trotzdem bleibt zu sagen: Es ist angebracht, auch auf die Struktur dieser Fakultät etwas genauer zu sehen und auch andere Parameter als die, die ich eben genannt habe, ins Auge zu fassen. Dem können auch Sie sich nicht verschließen, meine Damen und Herren!

Man muss nämlich feststellen, dass der Studiengang Agrarwissenschaften, der das Gros der Studierenden in diesem Bereich ausmacht, in den letzten Jahren deutlich und stetig zurückgegangen ist - über 30 % Rückgang in den letzten fünf Jahren!

Auch der Studiengang Agrarökonomie, ein ohnehin schon kleiner Studiengang, hat nur eine geringe Nachfrage. Im letzten Wintersemester gab es dort im Erstsemester sieben Studienanfänger - ganze sieben Studienanfänger!

Die Gründe für diese Entwicklung - davon bin ich überzeugt - hat natürlich nicht die Universität zu vertreten. Sie liegen vermutlich eher in der Entwicklung der entsprechenden Wirtschaftsbranche und den Berufsaussichten und es kommt mit Sicherheit hinzu, dass die Fachhochschule Kiel mit ihrem Fachbereich Landbau in Rendsburg eine vorzügliche - das wird von allen, die dies untersucht, evaluiert haben, bestätigt -,

praxisorientierte Hochschulausbildung bietet, die von den zukünftigen Betriebsleitern ganz besonders geschätzt wird.

Das muss man in diesem Zusammenhang sehen.

Dass es Diskussionsbedarf gerade im Bereich der Studiengänge gibt, liegt auf der Hand. Es muss mehr Zusammenarbeit geben. Da liegt der Druck vielleicht eher auf der Agrarfakultät als auf der Fachhochschule. Es muss mehr Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Bereichen und auch mit anderen Fakultäten, etwa mit der WiSo-Fakultät, geben. Das liegt ebenso auf der Hand.