Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kruse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich an die Debatte des vergangenen Jahres im Januar und im März 2001 erinnert, bei der es um die Neuausrichtung und um die Finanzierung des Gütezeichens ging, dann war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis uns der Antrag, der heute von der CDU vorliegt, erreicht. Mein geschätzter Kollege Claus Hopp hat damals schon gesagt - Claus! -: Das Gütezeichen ist für die Ernährungswirtschaft unverzichtbar.

Damals geisterten allerdings Presseverlautbarungen herum wie: „Bauern im Norden favorisieren schwächeres bundesweites Verbraucherschutzkonzept mit dem Ziel, möglichst viel Vieh über die Erzeugergemeinschaften zu handeln und damit das QS-System einzuführen.“ Und dann - wörtlich! - „werden die Qualitätstore durch die kalte Küche weggeschossen“, glaubte einer, der sich in Schleswig-Holstein mit dem Thema befasst, aber lieber nicht zitiert werden wollte.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kann man Tore wegschießen?)

Heute und bei näherer Betrachtungsweise gibt es sogar möglicherweise zwei Standpunkte, die Hintergrund für den CDU-Antrag sein könnten: Erstens die CDU-Fraktion will mit dem Antrag wirklich das Aus der Qualitätstore einläuten und damit durch die Hintertür die Finanzierung des Gütezeichens erhöhen. Zweitens - daran glaube ich allerdings nicht so recht - die CDU-Fraktion akzeptiert mit ihrem Antrag die vier Qualitätstore. Dann allerdings müssten für die beiden Zeichen auch die gleichen Voraussetzungen gelten und die Inhalte komplett übereinstimmen. Dies ist eindeutig nicht der Fall.

Die Qualitätstore sind noch nicht einmal in den Regalen etabliert und sollen nach dem Willen der Fraktion der CDU schon eingeäschert werden.

Für die SPD-Landtagsfraktion steht fest, dass die Betriebe in Schleswig-Holstein darüber entscheiden, ob sie QS oder Qualitätstore oder auch das Gütezeichen der Kammer haben wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und was sich am Ende durchsetzt, entscheidet letztlich der Verbraucher und entscheiden nicht wir.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt nämlich freie Markt- wirtschaft! - Lachen der Abgeordneten Ros- witha Strauß [CDU])

Einen aus unserer Sicht ganz wichtigen Punkt möchte ich noch anfügen; er scheint heute vielleicht noch nicht die Bedeutung zu haben, die er vielleicht noch erlangen könnte.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes darf das CMA-Gütesiegel „Markenqualität aus deutschen Landen“ in bisheriger Form nicht weiter vergeben werden, da es unzulässig die Hersteller aus anderen europäischen Ländern benachteiligt. Entscheidend für das Urteil des EuGH ist die Finanzierung aus gesetzlichen Zwangsumlagen der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und damit die Betrachtungsweise als eine staatliche Einrichtung.

Als Konsequenz aus dem Urteil müsste sich das CMA-Siegel EU-weit öffnen oder in private Trägerschaft übergehen. Das Fazit für uns daraus: Nach diesem Urteil können auch andere regionale Gütezeichen torpediert werden, wenn die Finanzierung nicht staatsfern und freiwillig ist.

Bei einer Eingliederung der Qualitätstore à la Hopp könnte also dann beides zu Fall gebracht werden, wenn die Konstruktion auf Zwangsumlagen beruht.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Es ist nämlich nicht gesagt, dass allein die nachweisbare Qualität regionaler Gütezeichen das europaweite Nichtdiskriminierungsgebot unterläuft.

Im weiteren Sinne könnte das Urteil auch Konsequenzen für alle staatlich bezuschussten Länderprogramme zur Förderung regional erzeugter Lebensmittel haben. Selbst länder- oder regionenspezifische Werbung nach dem Prinzip „Aus der Region für die Region“ könnte verboten werden, wenn sie nicht privat von Unternehmen finanziert wird.

Reformbedarf ergibt sich aber nicht nur aus dem EuGH-Urteil, sondern aus einer neuen Brüsseler Richtlinie, die zum 1. Januar in Kraft tritt. Werbung mit - ich sage das einmal in Gänsefüßchen - „Herkunft als Primärbotschaft“ könnte dann nur noch außerhalb der Herstellungsregion möglich sein, und zwar um den Verbrauchern die Erzeugnisse vorzustellen, die sie noch nicht kennen. Dem regionalen oder

(Maren Kruse)

nationalen Ursprung soll dann keine Bedeutung mehr beigemessen werden.

Aus diesen Gründen lehnen wir den Bremsvorgang der CDU und die Eingliederung der Qualitätstore ab.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. HappachKasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der BSE-Krise, dem immer noch nicht aufgeklärten Nitrofen-Skandal, den jüngsten Entdeckungen von Krebs erregenden Acrylamid in Chips und Keksen

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und Pommes fri- tes!)

- und Pommes frites; richtig, Kollege Garg - fragen sich viele Menschen: Was können wir noch essen? Trotz all dieser Skandalmeldungen gilt nach wie vor: Nicht etwaige Schadstoffe im Essen, sondern die Auswahl und Menge dessen, was viele Menschen essen, stellt die eigentliche Gefahr dar. Viele Menschen haben Übergewicht. Die Zahl der übergewichtigen Kinder steigt. Ein großer Anteil an Krebserkrankungen ist auf falsche Ernährung zurückzuführen. Ich habe festgestellt: Die Übergewichtigen haben mehrheitlich den Saal verlassen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hay ist noch da!)

- So ist es, Herr Kollege Matthiessen. - In einer Veranstaltung der Landesregierung, die während der Phase der Aufarbeitung der BSE-Krise im Kieler Schloss stattfand -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten. Man wundert sich manchmal, wie wenig Abgeordnete so viel Lärm machen können. Das sollten wir nicht zur Regel machen.

(Heiterkeit)

Bitte, Frau Abgeordnete!

Danke schön! -, sagte der Göttinger Ernährungswissenschaftler Professor Pudel: Die Wissenschaft bietet Beweise, gibt aber keine absolute Sicherheit. Glaube bietet Sicherheit, hat aber keine Beweise.

Der wissenschaftlich geführte Nachweis guter Qualität überzeugt nicht alle, egal wie überzeugend der Nachweis geführt wurde. Daher reicht Wissenschaft nicht aus; es muss auf vielen Wegen um Vertrauen geworben werden.

Das Gütezeichen der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftskammer „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ hatte immer zum Ziel, die besonders gute Qualität auszuzeichnen. Mit diesem Konzept ist es in 37 Jahren unermüdlicher Qualitätskontrolle gelungen, das Vertrauen der Verbraucher zu erwerben.

(Beifall des Abgeordneten Claus Hopp [CDU])

In Schleswig-Holstein kennen es 98 %, in Deutschland 65 % der Menschen und 42 % berücksichtigen das Gütesiegel bei ihrer Einkaufsentscheidung. Ich glaube, dass ist eine enorme Leistung, die von keinem anderen Gütezeichen erreicht wird.

(Beifall bei FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP hält das Konzept des Gütezeichens für richtig. Im Mittelpunkt stehen nachprüfbare Kriterien, die die Qualität der Produkte beeinflussen und die Endkontrolle des Produkts. Das ist die Stärke dieses Zeichens.

Nur die Endkontrolle des Produkts kann bestimmte Qualitäten garantieren. Aus diesem Grund verlassen sich die Hersteller von Babynahrung nicht auf die Anwendung von bestimmten Produktionsmethoden, sondern prüfen die Qualität der Rohprodukte, aus denen die Babynahrung hergestellt wird.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Es ist immer noch zu unruhig.

Nach dem Vorbild des Gütezeichens sind die Qualitätstore der Landesregierung gestaltet. Von der Bundesregierung kommt das QS-Zeichen. Sowohl die Qualitätstore als auch das QS-Zeichen sind Reaktionen auf die BSE-Krise. Nur das Gütezeichen der

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Landwirtschaftskammer stammt aus einer Zeit, als die Welt BSE-mäßig sozusagen noch heil war.

Angesichts unseres gut eingeführten und auch öffentlich akzeptierten Gütezeichens frage ich mich, ob wir die Qualitätstore überhaupt noch brauchen.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: So ist es!)

Kollegin Kruse, das habe ich auch nach Ihrem Bericht nicht verstanden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich weiß nicht, wofür wir dieses neue Zeichen noch brauchen. Es ist nicht eingeführt. Es ist in der Bevölkerung nicht bekannt. Wir haben ein gutes Gütezeichen, das bekannt ist, in das schon sehr viel Geld investiert worden ist.

(Beifall bei FDP und CDU)