Wirklich ganz besonders hilfreich ist die Forderung nach verbesserten Refinanzierungsmöglichkeiten für Wagniskapital. Meine Damen und Herren, Wagniskapital wird dort bereitgestellt, wo die Rahmenbedingungen überdurchschnittliche Renditen erwarten lassen, die die Kapitalgeber für das überdurchschnittliche Wagnis solcher Finanzierungen entschädigen. Um die Refinanzierung kümmern sich die Kapitalgeber dann schon selber.
Das Problem des deutschen Mittelstandes liegt darin, dass die staatlich gesetzten Rahmenbedingungen so eng sind, dass rationale Investoren von allen Wagnissen bei der Mittelstandsfinanzierung von vornherein leider absehen. Das Ergebnis dieser schlechten staatlichen Rahmenbedingungen ist die niedrige Eigenkapitalquote vieler Mittelständler. Deshalb wollen die Antragsteller sie auch erhöhen: gemäß der Überschrift zu Punkt 2 durch mittelstandsfreundliche Steuergesetze. Ausdrücklich angesprochen wird dann allerdings ausschließlich die Erbschaftsteuer. Die soll nach den Wünschen der Landesregierung, soweit ich informiert bin, erhöht werden.
Auch hohe Freibeträge für altersbedingte Betriebsübergaben würden das Problem von zu wenig Eigenkapital nicht lösen. Diese Regeln verhindern nur, dass die Eigenkapitalquote noch weiter gesenkt würde. Es bleibt offen, wie sich Rot-Grün vorstellt, die mittelständische Eigenkapitalquote zu fördern.
Alle anderen Steuern, meine Damen und Herren, fehlen in diesem Antrag. Sie sollen in nächster Zeit nicht sinken. Viele sollen sogar steigen. Wollte man den Mittelstand wirklich entlasten, dann müssten die Steuern aber auf breiter Front gesenkt werden.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen die Antragsteller offenbar nicht. Denn die Koalitionen in Berlin und Kiel wissen jetzt schon nicht, woher sie das Geld für ihre Ausgaben nehmen sollen.
Zusätzlich werden in Punkt 3 noch mehr steuerfinanzierte Ausgaben gefordert, ohne allerdings zu sagen, wie der Mittelstand oder seine Kunden gleichzeitig steuerlich entlastet werden sollen. Dafür sollen die Lohnnebenkosten sinken, so der Antrag. Bei den Renten- und Krankenversicherungen wird das offenbar nichts, wie wir gerade erleben dürfen. Denn die steigen erst einmal, angeblich um Luft für spätere Senkungen zu schaffen. Das kann doch niemand mehr glauben.
Das wird einen Großteil der Entlastung auffressen, die durch die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe erhofft wird. Dies alles eine Milchmädchenrechnung zu nennen wäre für Milchmädchen eine schwere Beleidigung.
Der vierte Punkt soll von der dringend benötigten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes handeln. Leider trifft die Überschrift nur teilweise den Inhalt. Zunächst wird wieder etwas begrüßt, diesmal die beabsichtigte Umsetzung der Vorschläge der HartzKommission. Das würde zwar die Vermittlung von Arbeitsplätzen etwas flexibilisieren, hilft allerdings nur wenig - das wissen wir doch alle -, wenn offene Stellen fehlen. Und die werden in Deutschland gerade zu einer bedrohten Art.
Zusätzlich werden mehr Anreize für die Arbeit im Niedriglohnbereich gefordert - im Klartext: niedrigere Sozialleistungen -, um den Abstand zu den unseren Lohngruppen zu erhöhen. Das allerdings ist für Sozialdemokraten und Grüne ein ungewohnt progressiver Vorschlag. Ich fürchte allerdings, Herr Hentschel wird uns gleich erklären, dass genau dies nicht gemeint ist.
Der letzte Punkt des Antrages handelt von mittelstandsfreundlichem Verwaltungshandeln. Freundlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Verwaltung hier im Lande sowieso. Das wissen wir. Das entspricht auch dem Leitbild, das die Landesregierung schon vor langer Zeit ausgegeben hat.
Oder geht da etwas an der Wirklichkeit vorbei? Wichtiger wäre weniger Verwaltungsaufwand. Aber das wollen die Antragsteller eben auch nicht. Sie wollen ausdrücklich nur den Zuwachs neuer bürokratischer Hemmnisse verlangsamen. Vom Abbau alter Hürden ist leider nicht die Rede. Das hilft dem Mittelstand nicht.
Alles in allem meldet sich hier der rot-grüne Wolf auf der Mittelstandsjagd im medienfreundlichen Schafspelz der Ankündigungspolitik mit liberalen Überschriften. Wirklich helfen würden dem Mittelstand nur weniger Regulierung, niedrigere Steuern und niedrigere Lohnnebenkosten durch tragfähigere Systeme der sozialen Sicherung.
Dazu allerdings trägt dieser Antrag nichts, aber auch gar nichts bei. Es lindert die Probleme des Mittelstandes eben nicht, nur die Überschriften aus unserem Wahlprogramm zu nehmen. Das haben die letzten vier Jahre und besonders die letzten eineinhalb Monate rot-grüner Politik bewiesen. Lieber Herr Kollege Schröder, ich nehme Ihnen persönlich ab, dass Sie sich um die Probleme des Mittelstandes kümmern wollen. Aber wir können die Probleme des Mittelstandes hier auch das nächste Mal, das übernächste Mal und das überübernächste Mal diskutieren: Mit Resolutionen dieser Art werden Sie, werden wir die Probleme nicht lösen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts, sagte einmal ein kluger Mann. Bert Brecht drückte es noch etwas drastischer aus: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Diese Worte machen deutlich, warum die Arbeitslosigkeit zurzeit das Problem Nummer eins in diesem Land geworden ist. Wenn die beiden Regierungsfraktionen hier heute einen Mittelstandsantrag vorlegen, dann tun wir das, weil wir glauben, dass die Mittelstandspolitik der strategische Hebel dafür ist, die Trendwende zu schaffen. Ich kann gut verstehen, dass die Opposition die Schuld an der augenblicklichen Situation RotGrün gibt.
Ich bekenne durchaus: Natürlich haben wir eine Mitschuld. Wir haben eine Mitschuld, weil wir nach 1998 nicht mutig genug die Schritte getan haben, die nötig waren, um die so zitierten Kräfte des Marktes zu beleben. Aber anstatt uns das vorzuwerfen, sollte sich die schwarz-gelbe Seite vielleicht ehrlich fragen, warum sie trotz dieser für sie günstigen Situation die Wahl verloren hat.
Das war nicht das Hochwasser, es waren auch nicht Lügen, es war auch nicht der Irak, sondern es war schlicht die Erkenntnis der Wähler und Wählerinnen, dass Sie nicht in der Lage waren, eine ehrliche Bilanz über das zu ziehen, was gelaufen ist, und die entsprechenden Alternativen zu formulieren.
Frau Strauß, Sie haben eine ehrliche Analyse gefordert. Ich versuche, bevor ich zu den Konsequenzen unseres Antrags komme, etwas zur Analyse zu sagen. Die augenblickliche Krise hat eine internationale und eine nationale Seite. Die internationale Seite ist der Zusammenbruch des neuen Marktes, die Absatzkrise der Computertechnologie. Dieser Markt hatte in den 90er-Jahren die Weltkonjunktur vorwärts gepeitscht und die Aktienkurse in den Himmel getrieben. Am Schluss wurden Firmen mit dem Drei- bis Vierfachen ihres tatsächlichen Wertes gehandelt. Als die Spekulationsblase platzte, die sich zehn Jahre aufgebaut hatte, und als dann am 11. September die Menschen zusätzlich verschreckt wurden, brach die Weltkonjunktur ein. Dieser internationale Zusammenbruch ist nicht von Rot-Grün verschuldet. Wenn man Schuldige suchen will, dann waren es all die Superliberalen in den Wirtschaftsinstituten, den Banken und den Börsenzeitungen, die trotz massiver Warnungen von renommierten Experten sich selbst in einen Gewinnrausch geredet hatten und zugleich die Deregulierung der Finanzmärkte auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Dazu gehört übrigens auch der unselige Versuch, mit Basel II die gewachsene Bankenlandschaft in Kontinentaleuropa und die Sparkassenlandschaft in Deutschland zu zerstören.
All dies war keine Ausgeburt von Rot-Grün, sondern eine Folge davon, dass sich die Ideologie der freien Märkte verselbstständigte und dass vergessen wurde, dass Märkte ohne einen zuverlässigen Ordnungsrahmen nichts sind.
Meine Damen und Herren, der zweite Grund für unsere gegenwärtige Krise liegt in Deutschland. Seit mindestens 20 Jahren wissen wir, dass die Altersdemographie unseren bisherigen Sozialsystemen den Boden entziehen wird. Während Anfang der 90erJahre viele europäische Länder daraus die Konsequenzen gezogen haben, während in Skandinavien, in den Niederlanden und in vielen anderen Ländern Reformen eingeleitet wurden, weil man wusste, dass, wenn wir weniger Beitragszahler und mehr Rentner haben, die Sozialsysteme, die Renten- und Krankenversicherungen, zusammenbrechen werden, ist in Deutschland nichts passiert.
Die Mehrheit in diesem Lande befand sich in der Einigungseuphorie. Die Bundesregierung finanzierte auf Pump Konjunkturprogramme sondergleichen, um die neuen Länder zum Blühen zu bringen, die im Wesentlichen den Firmen in den alten Ländern nützten. Das war keine Erfindung von Rot-Grün. Obwohl die Grünen damals schon davor gewarnt haben, muss man ehrlicherweise sagen, jeder, der sich dem in den
Weg gestellt hätte, wäre wahrscheinlich abgewählt worden. Kohl tat es nicht, er versprach blühende Landschaften, ließ das Strohfeuer brennen. Als 1996 das Strohfeuer ausgebrannt war, kam die Ostasienkrise und die Arbeitslosenzahl stieg zum ersten Mal über 4 Millionen. 1998 wurde Kohl abgewählt, dann kam Rot-Grün. Rot-Grün startete - und das ist in diesem Antrag richtig benannt, das muss man auch anerkennen, meine Damen und Herren von der Opposition - ein Konsolidierungsprogramm, wie wir es vorher noch nicht gehabt haben. Rot-Grün startete eine Steuerreform, die zu einer deutlichen Senkung der Steuern führte.
Insoweit lagen Eichel, Kohl und Metzger auch noch richtig. Es fehlte aber der Mut, das zu tun, was in Skandinavien in den 90er-Jahren gelang, die Reform der Sozialsysteme und die notwendige Deregulierung des Arbeitsmarktes.
Auch in dieser Frage war die Opposition keine Hilfe. Die Union hat an keiner Stelle gefordert, das Wachstum der Renten zu stoppen und zu einer deutlichen Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen zu kommen. Sie hat sogar all die Jahre der Regierung vorgeworfen, Sozialabbau zu betreiben bis zu dem Extrem, dass bei der letzten Bundestagswahl der Kandidat Stoiber sogar versucht hat, sich als die autoritäre Variante eines Sozialdemokraten zu verkaufen, was ihm niemand geglaubt hat.
Auch die Liberalen haben es uns nicht leicht gemacht, Frau Aschmoneit-Lücke. Ihre wilden Rufe nach Deregulierung und Sozialabbau, ohne dass Sie jemals bereit waren, zu den sozialen Konsequenzen einer Reform des Renten- und Gesundheitswesens zu stehen, haben nichts weiter bewirkt als eine massive Verunsicherung des Mittelstandes und der Rentner in diesem Lande, den großen Wählergruppen, die die Basis für beide großen Parteien darstellen.
Wenn wir schon eine Reform unserer Sozialsysteme und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes brauchen, dann müssen wir eine Reform machen, von der die Menschen überzeugt sind, dass sie gerecht ist. Ohne dass die Menschen glauben, dass es eine gerechte Reform ist, wird man keine Akzeptanz finden, die mehrheitsfähig und in der Lage ist, diese Reform
der Sozialsysteme durchzubringen. Das ist auch genau der Grund, warum trotz der Krise, die Sie richtig beschrieben haben, Rot-Grün wieder gewählt wurde.
Jetzt komme ich von der Diagnose zur Therapie. In der Therapie sind wir uns nicht einig. Das ist ein Problem, denn wir haben große Aufgaben vor uns. Wir sind uns nicht einig mit der Opposition, wir sind uns auch innerhalb der Regierungsparteien in vielen Fragen nicht einig, was man ehrlicherweise sagen muss. Ich glaube, auch innerhalb der Parteien sind sich nicht alle einig. Diese Diskussion müssen wir führen, wenn wir Erfolg haben wollen.
Das vorliegende Papier macht deutlich, dass sich die beiden Regierungsfraktionen über eine ganze Reihe von Fragen geeinigt haben. Das ist ein Fortschritt. Wir haben uns geeinigt, dass wir eine gezielte Mittelstandspolitik machen wollen und müssen, um Existenzgründungen zu erleichtern, die Kreditversorgung zu verbessern und um die Eigenkapitalbasis der kleinen Betriebe zu stärken. Ich hätte mir durchaus gewünscht, dass auch aufgenommen worden wäre, dass die Besteuerung von Gewinnen, die im Unternehmen bleiben, bei den kleinen Betrieben geringer ausfällt als die Besteuerung bei Betrieben, wo sie herausgezogen werden.
Im Gegensatz zu den Liberalen, die immer mit absurden und unfinanzierbaren Vorschlägen zur Steuersenkung herumfuhrwerken, haben wir gemeinsam erkannt, dass unser deutsches Problem zurzeit nicht die hohen Steuern sind. Das Kernproblem sind die hohen Sozialabgaben. Angesichts der Situation in Berlin wie auch der Diskussion freue ich mich, dass es in diesem Punkt gemeinsam mit der SPD in SchleswigHolstein zu einem klaren Signal an die Bundesregierung gekommen ist:
- Sie können nicht zuhören, das ist Ihr Problem. Können Sie zuhören oder können Sie es nicht? Wenn ich anfange zu reden, fangen Sie auch an. Das fördert den Dialog enorm.