Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, Ihnen allen zusammen erst einmal einen schönen guten Morgen.
Auf der Tribüne begrüßen wir Gäste, Damen und Herren der Abendvolkshochschule in Leck sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Qualifizierungsmaßnahme der Firma New Start in Kiel. Ihnen allen ein herzliches Willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag.
Die Fraktionen sind mit der Regierung dahin gehend übereingekommen, dass zunächst der Finanzminister seinen Beitrag leistet und danach der Oppositionsführer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat in den letzten Tagen in Dessau die mittelfristige Steuerschätzung vom Mai 2002 und für das Jahr 2003 auf der Grundlage der revidierten gesamtwirtschaftlichen Eckwerte, der Entwicklung der Steuereinnahmen Januar bis Oktober, der seit Mai verkündeten Steuerrechtsänderung überprüft. Dabei haben wir zu gewärtigen, dass noch vor einem Jahr in der Novembersteuerschätzung für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,25 % prognostiziert wurde, das dann auf 0,75 % gesenkt wurde. Jetzt geht die Steuerschätzung von 0,5 % aus.
So manch einer wird ja sagen, das habe ich immer gewusst. Das Institut für Weltwirtschaft ist in diesem Jahr noch von 1,5 % ausgegangen, und die Dresdner Bank hat noch im Juli gesagt, wir könnten 1 % schaffen.
Es führt nichts daran vorbei, wir haben ein eklatantes Finanzproblem der öffentlichen Haushalte, die Weltwirtschaft steckt in einer der heikelsten Phasen seit Jahrzehnten, geprägt, sage ich mal, vom Platzen von Aktien- und Technologieblasen. Nachwirkungen des 11. September und die Drohung eines möglichen Irakkrieges haben ihren Teil dazu beigetragen.
Ich gehe davon aus - das sollte organisiert werden im Einvernehmen mit dem Präsidium -, dass Ihnen der Pressetext mit den Zahlen auf den Tisch gelegt wird. Die Steuerschätzung geht davon aus, dass noch einmal die Maisteuerschätzung für dieses Jahr um 15,1 Milliarden insgesamt reduziert wird, davon 6,3 Milliarden die Länder, 2,3 Milliarden die Kommunen, und für das Jahr 2003 noch einmal 22 Milliarden, 9,3 Milliarden für die Länder, 3,7 Milliarden für die Kommunen. Teilweise ist der Betrag von 16 Milliarden veröffentlicht worden. Das ist eine rechnerische Größe, die verkennt, dass die Mehreinnahmen, die durch die Verschiebung der Steuerreform auftreten, eins zu eins wieder als Ausgaben für die Flutopfer weitergereicht werden.
Was lehrt uns das für Schleswig-Holstein, welches sind die Auswirkungen? Ich habe das Kabinett heute darüber unterrichtet und habe selbstverständlich in den letzten Tagen mit der Ministerpräsidentin Kontakt gehabt.
Ich will Ihnen zunächst die Zahlen nennen. Für das Jahr 2002 gehen wir nunmehr insgesamt von einem Minus von 430 Millionen aus. Davon waren 155 Millionen in der Maisteuerschätzung prognostiziert. Für das Jahr 2003 müssen wir insgesamt gegenüber der alten Schätzung von vor einem Jahr von einem Minus von 515 Millionen ausgehen. Davon wurden in der Maisteuerschätzung bereits 2333 Millionen prognostiziert. Diese sind bereits Gegenstand des Haushalts. Aber es führt nichts daran vorbei, für das Jahr 2003 haben wir aufgrund dieser Tatsache eine zusätzliche Deckungslücke von 230 Millionen.
Meine Damen und Herren, es ist ja nicht so, dass wir diese Entwicklung ganz tatenlos hingenommen haben. Wir haben schon im Februar eine erste zusätzliche Haushaltsbewirtschaftung von 27 Millionen verhängt, dabei allerdings wegen der Baukonjunktur die Investitionen und die Verpflichtungsermächtigungen für die Investitionen ausgenommen. Als die Maisteuerschätzung kam, haben wir die Haushaltssperre verhängt. Ich denke aber, Größenordnungen wie die 430 Millionen sind im Laufe des Haushalts nicht mehr wegzusparen. Sie wissen, dass wir darüber hinaus noch ein paar außerplanmäßige Ausgaben hatten, zum Beispiel für Bürgschaften.
Ich schlage Ihnen in Abstimmung mit der Ministerpräsidentin - das Kabinett hat das heute noch einmal bestätigt - vor, dass bei der Situation, in der jetzt schon zwei Jahre lang das Steueraufkommen immer unter dem des Vorjahres und das Steueraufkommen 2003 300 Millionen unter dem des Jahres 2002
liegt, wir wie der Bund davon ausgehen, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Auf der Basis hat das Kabinett beschlossen, auf meinen Vorschlag, dass wir am Donnerstag einen Nachtragshaushalt aufstellen, dass wir in diesem Nachtragshaushalt eine höhere Kreditaufnahme werden vorsehen müssen. Wir gehen davon aus, dass wir diesen Nachtragshaushalt Ihnen spätestens am 22. zuleiten können und dass er dann noch in diesem Jahr verabschiedet werden kann.
Für das kommende Jahr ist in der so genannten Nachschiebeliste jetzt natürlich auch noch Handlungsbedarf. Ich sage unumwunden, ich werde dem Kabinett einen Haushalt vorlegen, der die Verfassungsgrenze bei der Kreditaufnahme für 2003 einhält. Das bedeutet allerdings, dass wir im Ausgabenbereich in den verschiedensten Bereichen noch einmal deutliche Einsparungen werden vornehmen können.
Diesen Weg eines verfassungskonformen Haushalts für 2003 gehen nicht alle Länder, um das noch einmal deutlich zu machen, wie die Gesamtsituation der Länder ist. Es gab gestern die Pressekonferenz von Herrn Gabriel. Herr Gabriel geht davon aus, dass er 2002 und 2003 die Nettokreditaufnahme wird verdoppeln müssen.
Die Gespräche mit den anderen Ländern gehen ebenfalls davon aus, dass es bis zur Verdoppelung der Nettokreditaufnahme in sehr vielen Ländern, auch CDU-regierten Ländern, kommen wird.
Herr Präsident, ich weiß, wie die Regelungen bei der Aktuellen Stunde sind. Ich kann jetzt natürlich mit den Zahlen Schluss machen. Ich würde dennoch gern Gelegenheit haben, zur Gesamtsituation und wie wir damit umgehen, etwas zu sagen. Ich würde es für besser halten, wenn ich das, wenn Sie einverstanden sind, jetzt tun könnte und nicht nachher.
Dann zum Abschluss jetzt noch einmal: Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Sie sind für die öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen wirklich desaströs. Unser Vorschlag und unser Vorgehen ist: Nachtragshaushalt noch im Dezember, in dieser Woche, in der kommenden Woche, und über die Nachschiebeliste über eine Kombination aus Kreditaufnahme, Einsparungen Ihnen noch einen verfassungskonformen Haushalt zur Beschlussfassung vorzulegen. Alles Weitere in einem späteren Beitrag!
Das Wort hat jetzt der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag und Fraktionsvorsitzender der CDU, Herr Abgeordneter Kayenburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Financial Times Deutschland“ hat am 25. Oktober nach der Bundestagswahl geschrieben: „Neustart am Abgrund“. Die dramatischen Zahlen, die der Finanzminister gerade vorgetragen hat, müssen uns diese Bezeichnung verändern lassen. Das heißt: Neustart in den Abgrund. Anders kann ich nicht verstehen, was heute hier vorgetragen worden ist.
Die Bürger nicht nur unseres Landes müssen von Tag zu Tag leidvoll erkennen, wie sehr sie belogen und betrogen worden sind.
Schlimmer allerdings für uns alle. Ich will das kurz auflisten. Desaströs die Zahlen der Steuerschätzung. Der Minister hat dieses Wort selbst gebraucht. Als wir das vor einiger Zeit gebraucht haben, wurden wir beschimpft und verhöhnt.
Desaströs sind die Zahlen. Die Wachstumsprognose ist zurückgenommen worden von den fünf Weisen, ein Verfahren wegen Überschreitung des Haushaltsdefizits ist von Brüssel angekündigt, der blaue Brief ist auf dem Weg. Wir haben dieses Jahr eine Überschreitung von 3,8 %, für das nächste Jahr von weiteren 3,1 %. Ich frage mich, wie dieses Land eigentlich die Defizitkriterien je einhalten will. Obendrauf kommt die Ankündigung des Verfahrens gegen die Landesbank Schleswig-Holstein wegen ungerechtfertigter öffentlicher Beihilfen. Ich denke, Herr Minister, das ist ein vernichtendes Zeugnis der Wirtschaftssachverständigen und der EU für Ihre und für die Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung.
Wenn Sie jetzt die Prognosen korrigieren, so gehen Sie ja noch nicht einmal auf die Werte ein, die die Sachverständigen Ihnen vorgeben. Sie gehen für dieses Jahr noch von 0,5 % aus, die Sachverständigen von 0,2 %. Das ist kein Wachstum, das ist Stagnation, das ist Stillstand, das ist die konjunkturelle Misere, die hier ausgerufen worden ist.
Dass Sie dabei sind, die Zahlen für das nächste Jahr schon wieder schönzureden, ist doch klar. Sie rechnen mit 1,5 % Wachstum, die Sachverständigen gehen von 1 % oder weniger aus.
Ich frage Sie: Wie können Sie eigentlich von Wachstum reden? Sie bekommen die Probleme nicht in den Griff. Wenn der Finanzminister letzten Mittwoch euphorisch sagt, dass die Bundesregierung in der Herbsteinschätzung davon ausgehe, dass sich die Erholung der wirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2002 fortsetze und sich im Jahre 2003 verstärke, dann kann ich nur fragen: Wovon redet dieser Minister eigentlich? Er redet wie der Blinde von der Farbe.
Ich denke, Herr Minister, Sie sitzen mit der Pechmarie Eichel in einem Boot. Die fünf Wirtschaftsweisen korrigieren Sie pausenlos nach unten. Sie sind nicht in der Lage, ein adäquates Konzept zu bieten. Der Finanzminister Eichel erklärt das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewicht. Willfährig kommen alle hinterher. Warum denn wohl? - Sie machen Schulden auf Teufel komm raus. Sie sind gar nicht an einer Haushaltskonsolidierung interessiert. Konzeptionslosigkeit und sinnlose Ausgaben führen dazu, dass wir in dieser Misere stecken.