- War ich nicht zu verstehen? - Ich sagte: Ich eröffne die Sitzung wieder. Wir hatten vorhin gesagt, dass wir die Sitzung nach einer intensiven Mittagspause um 15 Uhr fortsetzen.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann könnten wir wenigstens nach Hause! - Zuruf von der CDU: Wir sollten beschließen! Wir haben die Mehrheit!)
Seitens des Präsidiums erlaube ich mir einen Hinweis. Mit dem Antrag wird die Erstattung eines Berichts in dieser Tagung beantragt. Herr Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer, möchte die Regierung zunächst einen Bericht geben?
- Dann eröffne ich die Aussprache, beginnend mit dem Bericht der Landesregierung. Ich erteile dem Wirtschaftsminister, Herrn Professor Dr. Rohwer, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gleichgewicht auf dem Ausbildungsmarkt ist nicht völlig gestört. Es gibt gewisse Veränderungen, die uns allerdings Sorgen bereiten müssen. Ich werde dazu etwas sagen.
Die Lage bei den Ausbildungsstellen ist im Jahr 2002 schwieriger geworden. Wir müssen das unter dem Vorbehalt sagen, dass die verlässliche Abschlussstatistik mit den Zahlen des Berufsbildungsinstitutes erst Anfang 2003 vorliegt. Wir haben jetzt erst die Zahlen des Landesarbeitsamtes einerseits und die Zahlen der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern andererseits. Sie ergeben
noch kein schlüssiges Gesamtbild, aber zeigen natürlich Tendenzen auf, mit denen wir uns sehr ernsthaft beschäftigen müssen.
Nimmt man die Statistik der vom Landesarbeitsamt erfassten Bewerber und der Stellen, so standen zum Ende des Ausbildungsjahres 2002 und jetzt zu Beginn des Ausbildungsjahres 2002/03 18.082 Bewerbern 18.473 Ausbildungsstellen gegenüber. Nach dieser Bilanz haben wir eine leichten Überschuss an Ausbildungsstellen, also eine positive Relation von 1,02, übrigens gegenüber einer negativen Relation im Bundesgebiet, nämlich 0,9.
Allerdings waren nach dieser Statistik Ende September - das ist der einschlägige Stand, weil das Ausbildungsjahr zum 1. Oktober beginnt - 499 Bewerber noch nicht vermittelt, 455 Stellen noch unbesetzt. Sie sehen eine leichte Lücke, die allerdings auch darauf beruhen kann - Sie kennen das Problem -, dass sich einige mehrfach bewerben; hier ergibt sich möglicherweise noch eine Bereinigung.
In Westdeutschland, anders als in SchleswigHolstein, haben wir einen deutlichen Überschuss der unbesetzten Stellen gegenüber den Bewerbern. Man kann dies auch anders interpretieren. Man kann dies so interpretieren, dass in Schleswig-Holstein die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage zurzeit noch - muss ich sagen - relativ gut ist, während in anderen Bundesländern die Abweichung zwischen Angebot und Nachfrage stärker auseinander geht und die Relation von 1 - das ist sozusagen der Idealwert - entsprechend größer ist.
Dabei ist sowohl die Zahl der Bewerber als auch die Zahl der angebotenen Stellen rückläufig. Das muss uns allerdings zu denken geben, und zwar in zweierlei Hinsicht. Die Zahl der Bewerber - wieder nach der Landesarbeitsamtsstatistik - ist um 1.300 rückläufig, die Zahl der Stellen um 1.100. Ich muss Ihnen hier nicht sagen, warum die Zahl der Ausbildungsstellen rückläufig ist. Angesichts der Konjunkturschwäche gerade im Handwerk, in der Bauwirtschaft, die überproportional zur Ausbildung beitragen, kann es überhaupt nicht verwundern, dass - auch angesichts der finanziellen Probleme, die viele Betriebe haben - auch bei der Ausbildung etwas zurückgefahren wird. Die Ausbildungsverträge in Schleswig-Holstein bei den Industrie- und Handelskammern und bei den Handwerkskammern sind, wie Sie wissen, um 3,6 % rückläufig. Im Bundestrend sind sie sogar um 7 % rückläufig, was uns nicht trösten kann. Sie sind aber eben - darauf verweist die Wirtschaft selbst - wegen dieser Probleme rückläufig. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Nach allem, was ich von den Unternehmen höre, ist die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe in
Schleswig-Holstein unverändert hoch. In einigen Fällen gibt es die Schwierigkeit, nicht ausbilden zu können. Aber die Ausbildungsbereitschaft bei den Betrieben - ich rede jetzt nicht von den Jugendlichen - ist hoch. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei den Betrieben bedanken, weil sie trotz dieser Probleme immer noch so viele Ausbildungsplätze bereitstellen.
Insgesamt nenne ich die Situation, die Ausbildungsbilanz 2002 zwar nicht so positiv wie in den Vorjahren, aber angesichts der konjunkturellen Situation gerade noch zufrieden stellend. Aber der Entwicklungstrend macht mir Sorgen. Es besteht die Gefahr, zumal die konjunkturelle Schwäche noch andauert und wir nicht wissen, wann der Aufschwung kommt, dass 2003 die Zahl der Bewerber in SchleswigHolstein erstmals größer ist als die Zahl der angebotenen Stellen. Das müssen wir verhindern. Das ist die Aufgabe des Bündnisses für Ausbildung. Ich komme darauf zurück.
Es besteht aber auch die Gefahr, dass es für Betriebe zugleich - das ist unser doppeltes Problem - schwieriger wird, genügend passende Bewerber zu finden.
Das ist das Thema Ausbildungsqualität. Das ist das Thema Flexibilität, Motivation der Jugendlichen, bereit zu sein, in Nichtmodeberufe zu gehen. Das ist auch eine Frage der Mobilität der Jugendlichen, der Beweglichkeit der Jugendlichen. Da tragen wir alle ein Stück Verantwortung, die wir in allen Zusammenhängen wahrnehmen müssen.
Die strukturellen Probleme nehmen zu. Wer den überlaufenen Beruf des Mediengestalters für Trend- und Digitalmedien erlernen will, wäre mit der anspruchsvollen Ausbildung zum Drucker nicht schlecht bedient, es klingt nur nicht so doll. Wir haben teilweise Marketingprobleme. Wir haben riesigen Bedarf im Druckersektor. Der Druckersektor ist hoch interessant für die Jugendlichen, die es einmal machen, aber sie bewerben sich dort weniger, sie gehen lieber in die Mediengestaltung hinein. Ob das die richtige Zukunftsentscheidung ist, ist ja in Teilbereichen unsicher.
Wir haben viele unbesetzte Stellen - das muss ich Ihnen nicht sagen - in der Gastronomie, in der Ernährungswirtschaft, bei den freien Berufen, bei den Rechtsanwälten, bei den Notargehilfen und so weiter. Das heißt, hier müssen wir wirklich alle dazu beitragen, dass wir die Jugendlichen informieren. Wir sind auf einem guten Weg, wir haben im Bündnis für Aus
bildung zusätzliche Maßnahmen besprochen, dass wir in den Schulen schon frühzeitig darüber informieren, wie die Entwicklung ist, welche neuen Möglichkeiten es gibt. Wir haben übrigens auch - an dieser Stelle sei das erwähnt - in der Kieler Runde vereinbart, dass wir jetzt wieder eine aktuelle Rundfrage in der Wirtschaft Schleswig-Holsteins machen, wo der Qualifizierungsbedarf 2003/2004 liegt. Sie wissen, wir haben das einmal für 2001 gemacht. Das gibt ebenfalls viele Ansatzpunkte für eine erste Information über Berufsbildungsmöglichkeiten in den Schulen.
Ich muss jetzt auf die Zeit schauen. Ich kann nicht alles vortragen. Ich wollte Ihnen vor allem diese Zahlen und diese Einschätzungen genannt haben. Ich möchte im Übrigen ganz kurz darauf verweisen, dass wir im neuen Bündnis für Ausbildung viele zusätzliche Maßnahmen vereinbart haben, die gerade diese strukturellen Probleme beseitigen sollen. Wir haben auch noch einmal einen Vorstoß auf Bundesebene gemacht, um endlich beim Thema Abschlüsse für lernschwächere Jugendliche weiterzukommen. Es gibt hier Bewegung, selbst bei den Gewerkschaften, sodass ich jetzt etwas optimistischer geworden bin, dass wir unterhalb der normalen Abschlüsse für weniger begabte Jugendliche auch Modulausbildungszertifikate bekommen können. Nach ersten Gesprächen auf Bundesebene habe ich den Eindruck, dass dort etwas passieren wird.
Last not least, ich sagte es schon, die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen muss unser Kernthema sein. Wir müssen dafür sorgen, dass in den Schulen, angefangen bei der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Schulen, was dabei ein ganz wichtiges Thema ist, zielgerichteter auf die Ausbildungsqualitäten hingearbeitet wird, die in den Betrieben gebraucht werden.
Das sind die Basisqualifikationen. Ich bin auch hier eher optimistisch. Wir haben einen Wettbewerb „Schule und Wirtschaft“ gestartet. Wir haben 50 Bewerbungen bekommen von Schulen mit hervorragenden Angeboten. Ich habe mich selbst gewundert, was in dieser Hinsicht in einigen Schulen schon passiert. Wir haben gute Preisträger gefunden. Ich glaube, diese ausgezeichneten Schulen, an die wir jetzt die Preise vergeben, sollten auch Vorbild für andere Schulen sein. Das wäre eigentlich das Wichtigste, dass heute von dieser Landtagssitzung das Signal ausgeht, dass wir nicht nur über Zahlen miteinander reden, sondern dass wir sagen, alle müssen ihren Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungssituation leisten. Das fängt in den Elternhäusern an, das setzt sich in den Schulen fort, setzt sich in der Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft fort und es setzt sich
natürlich dann auch in den Arbeitsämtern, in unseren Referaten, die das Bündnis gestalten, in den Industrie- und Handelkammern und bei allen Partnern fort. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam appellieren, dass diese Probleme, die sich für 2003 andeuten, nicht zu echten Problemen werden, sondern dass wir versuchen, auch 2003 wieder eine insgesamt zumindest zufrieden stellende Bilanz des Bündnisses zu ziehen.
Lassen Sie mich, bevor ich jetzt die Aussprache eröffne, einen Geschäftsordnungshinweis geben. Nach § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung heißt es: „Überschreitet die Landesregierung die von ihr angemeldete Redezeit, so verlängert sich die Redezeit jeder Fraktion um die Dauer der Überschreitung.“ Wir haben jetzt eine Überschreitung von viereinhalb Minuten gehabt. Das kann ich nur als Hinweis geben. Das ist nicht als Aufforderung zu verstehen.
Für die antragstellende Fraktion spricht jetzt zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg. Die FDP hat, wie im Ältestenrat vereinbart, zehn Minuten angemeldet.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir, nachdem die Mittagspause doch recht kurz war, eine persönliche Bemerkung, auch eine persönliche Bemerkung in Richtung des Kollegen Schlie. Sie haben in der vorangegangenen Debatte, in der Diätendebatte, gesagt, das wichtigste Problem für die Bevölkerung sei, wie es dieser Landtag schafft, nachhaltig kleiner zu werden.
- Herr Kollege Schlie, hören Sie einfach zu. Ich bin der Auffassung, dass das Land und die Bevölkerung draußen noch wichtigere Probleme haben, und eines davon wollen wir heute Mittag hier diskutieren, nämlich die Lage am Ausbildungsmarkt.
Lassen Sie mich einen zweiten Satz, der dann die Überleitung zur Frage der Höhe der Diäten sein soll, sagen, Herr Schlie.
Ich denke, ordentlich arbeitende Abgeordnete haben die Diät verdient, wo immer sie denn landen soll, und ordentlich arbeitende Abgeordnete sind vor allem dazu da, Entscheidungen zu treffen und zu diesen Entscheidungen zu stehen. Deswegen wollen wir heute den Versuch unternehmen, auch mal wieder eine gemeinsame Klammer zu finden, denn in diesem Punkt, hoffe ich jedenfalls, dass die Gemeinsamkeiten größer sind als die Differenzen.