Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

(Klaus Schlie [CDU]: Wir sind für Ihre Ratschläge immer dankbar!)

CDU und SPD räumen selbst ein, dass nach ihrem Entwurf heute 77 Abgeordnete in diesem Haus sitzen würden, wenn man das Wahlergebnis von 2000 unterstellt. Das sind zwei Abgeordnete mehr, als es aktuell von der Verfassung vorgesehen ist. Es sind acht Abgeordnete über Ihrem eigenen Soll.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Kollege Astrup, das heißt, wir werden auch künftig das Strukturproblem nicht lösen, dass wir die Sollstärken nur in Ausnahmefällen erreichen, weil wir nicht davon ausgehen, dass sich auf absehbare Zeit die Anzahl der Fraktionen in diesem Haus ändern wird. Wir werden die Sollzahl der Verfassung bei künftigen Wahlen immer wieder überschreiten und dadurch in der Öffentlichkeit immer wieder das gleiche Argumentationsproblem bekommen, das momentan dazu führt, dass wir uns überhaupt mit der Frage beschäftigen müssen, warum wir die Wahlkreise verändern müssen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es wäre ehrlich gewesen, Sie hätten in den Antrag „hoffentlich 69 Abgeordnete“ geschrieben. Das hätte auch in der Verfassung einen wesentlich besseren Ausdruck gefunden. Das wird nach außen hin auch so verstanden werden. Von den weiteren handwerkli

(Wolfgang Kubicki)

chen Mängeln bezüglich der Änderung des Wahlgesetzes ist ganz zu schweigen. Sie fordern die Änderung von § 1 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass nur noch 40 Abgeordnete in den Wahlkreisen durch Mehrheitswahl gewählt werden sollen. In Absatz 1 ist auch die Anzahl von 75 zu wählenden Abgeordneten festgeschrieben. Sie müssten reinschreiben, dass es 69 sein sollen. Wenn Sie außerdem schon die zu ändernde Norm nennen, hätten Sie auch § 16 nennen müssen. Dort steht, dass das Land weiterhin 45 Wahlkreise hat, was ja auch nicht so sein soll. So viel zur Qualität des Antrags.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist kein Gesetz- entwurf!)

Sie sagen uns, dass Sie die Verfassung ändern wollen. Sie sind aber nicht in der Lage gewesen, die konkreten Änderungsvorschläge bis heute vorzulegen, damit wir über einen konkreten Vorschlag hätten abstimmen können.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Zuruf des Abgeordneten Heinz Mau- rus [CDU])

- Herr Kollege Maurus, nennen Sie mir doch eine Ihrer Schwesterfraktionen in anderen Ländern oder im Bund, die jemals auf die Idee gekommen wäre, per Entschließungsantrag zu einer Verfassungsänderung aufzufordern. Denen war die Verfassung immer so viel wert, dass sie mit konkreten Vorschlägen an den Markt der Meinung herangetreten sind und nicht mit Entschließungsanträgen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich erkenne zumindest an, dass Sie lernfähig sind. Die Regelung soll ja zur Landtagswahl 2005 nicht erst in Kraft treten, wie ursprünglich geschrieben, sondern angewandt werden. Das ist immerhin etwas. Trotzdem möchte ich der SPD meine Anerkennung aussprechen, denn sie hat die CDU in dieser Frage klassisch über den Tisch gezogen und vorgeführt. Wie mir durch einige Abgeordnete der SPD bestätigt wurde, hat sie selbst nicht damit gerechnet, dass sich die CDU - wohl von der Panik vor neuen Mehrheiten getrieben - in die Arme der SPD flüchten würde.

(Heinz Maurus [CDU]: Einen Versuch war es wert!)

Bis Mittwoch letzter Woche gab es zum Wahlgesetz eine klare Position der Christdemokraten, die nicht der Position der SPD entsprach. Insbesondere der Kollege Kayenburg kündigte noch in den „Lübecker

Nachrichten“ vom 8. Oktober 2002 eine eigene Initiative für die heutige Sitzung an. Ich zitiere:

„Deshalb müsse das Parlament schon 2005 verkleinert werden. 75 Sitze und 38 Wahlkreise, das sei praktikabel. Die CDU werde spätestens im Dezember hierzu im Landtag einen Antrag vorlegen.“

Weiter heißt es:

„Wir sind bereit, diesen Weg mitzugehen, auch wenn es Opfer kostet. Wir können nicht Verantwortung dafür übernehmen, dass weiter verschleppt wird.“

Herr Kayenburg, liebe CDU, es liegt heute ein Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der genau diesen - von Ihnen geäußerten - Vorstellungen entspricht.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])

Wenn Sie nicht zustimmen, werden Sie genau die Verantwortung zu übernehmen haben, die Sie angeblich nicht übernehmen können. Sie verschleppen dann nämlich das weitere Verfahren. Entscheiden Sie sich!

Noch 1994 haben wir mit der CDU gemeinsam einen Antrag zur Änderung des Wahlgesetzes eingebracht, der bei 75 Abgeordneten nur 37 Wahlkreise vorsah. Der Antrag fand damals keine Mehrheit. Im Mai 2000 haben wir dann einen erneuten Vorstoß mit 37 Wahlkreisen gemacht. Als die CDU dann 38 Wahlkreise wollte, sind wir auf sie zugegangen und haben unseren Gesetzentwurf entsprechend geändert. Die Grünen haben ebenfalls - trotz der Forderung aus ihrem Landtagswahlprogramm nach 35 Wahlkreisen - frühzeitig Zustimmung zu diesem Modell geäußert. Der CDU war durch die Stellungnahmen und Ausarbeitungen des Landeswahlleiters lange bekannt, dass die Lösung des strukturellen Problems von Überhang- und Ausgleichsmandaten nur durch eine Angleichung der Anzahl der Wahlkreise an die Listenabgeordneten zu erreichen ist. Auf der Basis von 38 Wahlkreisen wären bei den vergangenen Wahlen nie Überhang- und Ausgleichsmandate entstanden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist definitiv falsch!)

- Bei 38 Wahlkreisen wären bei den vergangenen Wahlen nie Überhang- und Ausgleichsmandate entstanden.

(Holger Astrup [SPD]: Nein!)

Das Einzige, was sich seit Dienstag, spät abends, geändert hat, war die Tatsache, dass die Grünen die

(Wolfgang Kubicki)

Freigabe der Abstimmung in der Koalition erreicht haben. Statt nun aber die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen, versagt die CDU und verzichtet trotz parlamentarischer Mehrheit auf die Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen. Dieses Verhalten ist beispiellos und ich hoffe, es bleibt in der Zukunft auch ohne Nachahmer. Herr Kollege Kayenburg, in den „Lübecker Nachrichten“ von heute steht: „Sauter teilt aus.“ Das ist immerhin der Kreisvorsitzende eines nicht unbedeutenden Kreisverbandes, dem der Kollege Geißler auch angehört. Mit den jüngsten Plänen zur Verkleinerung des Kieler Landtags ging Sauter ebenfalls scharf ins Gericht, so heißt es dort. Die Verabredung von SPD und CDU, die Mandate in künftigen Landtagen nicht mehr zu gleichen Teilen direkt und über Listen zu besetzen, widerspreche gültigen Parteibeschlüssen. Das werden Sie Ihrer Basis erklären müssen!

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Sie haben mit Ihrer Basis mehr Probleme! Sie leiden unter Wahrneh- mungsstörungen! Das ist Möllemanie! - Un- ruhe)

- Herr Kollege Schlie, die Qualität Ihrer Zwischenrufe war auch schon einmal besser.

(Klaus Schlie [CDU]: Nein!)

- Gut, wenn Sie darauf bestehen, dass sie nie besser war, dann ist das in Ordnung.

(Klaus Schlie [CDU]: Qualitätsverlust und Selbstüberschätzung: Das ist Möllemanie! - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um ein wenig Ruhe bitten.

An der Sachlage hat sich nichts geändert. Die CDU hat nie erklärt - das hören wir ja vielleicht heute -, was sich außer der Tatsache, dass sie für die Vorstellungen, die sie jetzt nicht umsetzen will, eine parlamentarische Mehrheit gehabt hätte, für sie geändert hat.

Herr Schlie, am Mittwoch haben Sie im Innen- und Rechtsausschuss auf meine Frage, was sich geändert habe, erklärt, dass 69 Abgeordnete weniger als 75 sind; das ist zutreffend. Das galt aber auch schon am vorletzten Mittwoch. Insofern war es keine neue Erkenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Welch ein Maß an Beliebigkeit Ihrer Politik! Das gilt im Übrigen auch für die Frage der Diätenstrukturreform. Es liegt bereits ein Gesetzentwurf vor. Diesen haben SPD, CDU und FDP unterschrieben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben ihn damals aus grundsätzlichen Erwägungen nicht unterschrieben. Erklären Sie uns doch einmal, was Sie - außer dem Punkt, dass Sie die sofort umsetzbaren Teile bereits ab dem 1. Juni 2003 in Kraft setzen wollen - an diesem Gesetzentwurf verändern wollen. Haben Sie weitreichende neue Erkenntnisse? Herr Kollege Schlie, das führt - das steht nicht in dem Gesetzentwurf - dazu, dass einige der Diäten prozentual um 40 % angehoben werden.

(Klaus Schlie [CDU]: Warten Sie einmal ab!)

Was ist an Neuem hinzugetreten? Wir hatten uns bereits auf eine Gesetzesvorlage verständigt, die Sie nun in Kraft setzen wollen. Daran hätte Sie auch sonst niemand gehindert.

Meine Zeit geht zu Ende.

(Lachen und Beifall bei SPD, CDU und SSW)

- Ich wusste, welche Freude ich in der Vorweihnachtszeit mit einer solchen Bemerkung bei Ihnen auslösen kann. - Ich bleibe dabei: Sie haben die Möglichkeit der Veränderung des Wahlrechts für das Linsengericht einer vorgezogenen Diätenerhöhung verkauft. Das werden Sie vor sich und den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes verantworten müssen.

(Klaus Schlie [CDU]: Keine Sorge!)

Im Übrigen: Für 3,50 € gibt es heute bei Herrn Zipner ein Linsengericht.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich erteile jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay für die Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Wolfgang Kubicki, wir haben beim FC Landtag mal gemeinsam Fußball gespielt. Dort haben wir gelernt, dass man auch verlieren können muss. Im Augenblick habe ich nicht den Eindruck, dass Sie auch im politischen Bereich verlieren können.