Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall)

In der Loge begrüße ich sehr herzlich unseren ehemaligen Kollegen, Herrn Johna. - Ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Ergebnis der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst:

- Auswirkungen auf den Landeshaushalt, Deckungsvorschläge der Landesregierung

- Auswirkungen auf die Personalplanung der Landesregierung

- Auswirkungen auf die Haushalte der Kreise, kreisfreien Städte und Gemeinden

- Auswirkungen auf den kommunalen Finanzausgleich und

- Anpassung der Bezüge und der Dienstzeiten von Beamtinnen und Beamten unter Berücksichtigung des Verhandlungsergebnisses

Antrag der Fraktion der FDP

Man hat sich verständigt, zu diesem Tagesordnungspunkt die Regierung berichten zu lassen. Danach wird mit dem Beitrag des Antragstellers die Fraktionsrunde eröffnet. Ich erteile dem Minister für Finanzen, Herrn Möller, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes haben sich in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar in Potsdam auf einen Abschluss der diesjährigen Einkommensrunde für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geeinigt. Ich will ganz kurz die Eckwerte nennen. Die Löhne und Ausbildungsvergütungen werden rückwirkend zum 1. Januar linear um 2,4 % beziehungsweise etwas versetzt ab 1. April angehoben. Ab 1. Januar und ab 1. Mai 2004 steigen sie jeweils um ein weiteres Prozent. Im Jahre 2003 gibt es im März eine Einmalzahlung von maximal 185 €. Eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 50 € gibt es im November 2004. Die Tarifverträge haben eine Mindestlaufzeit bis zum 31. Januar 2005.

Meine Damen und Herren, ich habe im Sinne einer ersten Reaktion gesagt: Dieser Abschluss ist für die Haushalte der Länder und Kommunen aus unserer Sicht zu hoch und in den Verhandlungen letztlich auch nur deshalb mehrheitlich akzeptiert worden, weil die Arbeitgeber für zwei Jahre Planungssicherheit haben, ein Streik abgewendet werden konnte - ich denke, der materielle und immaterielle Schaden eines Streiks in dieser Konjunkturlage wäre sehr schädlich gewesen - und es - das ist ein altes Thema und ein wichtiger Punkt - verlässliche Planungsdaten über die Angleichung der Ostgehälter an das Westniveau gibt.

Die Kosten des Tarifabschlusses für SchleswigHolstein sind hoch. Im Jahre 2003 wird unser Haushalt zusätzlich mit 13,5 Millionen € belastet. 2004 sind es 21,5 Millionen €. Zur Frage der Übertragbarkeit auf den Besoldungssektor ist zu sagen, dass eine Worst-Case-Berechnung ergibt, dass eine Übernahme des Abschlusses im Verhältnis von 1:1 eine Belastung von 50 Millionen € bedeuten würde. Eine Übertragung im Verhältnis von 1:1 wird es aber mit Sicherheit nicht geben, zumal die Laufzeiten ganz anders sind. Ich gehe davon aus, dass die Einmalzahlung wegen der auslaufenden Tarifverträge im November letzten Jahres gezahlt wird. Das gilt für den Besoldungssektor nicht. Daraus ergibt sich schon ein Volumen von 7 Millionen €.

Nach allen Gesprächen, die derzeit im Kreise der Ministerpräsidenten und der Finanzminister geführt worden sind, gehe ich davon aus, dass es wie im Jahre 2002 eine Phasenverschiebung geben wird. Darüber hinaus wird auch über den Vorschlag Berlins betreffend eine Öffnungsklausel bezüglich Modifizierung von Sonderzuwendungen diskutiert. Eine solide Berechnung der Kosten ist allerdings erst möglich, wenn der Bundesinnenminister seinen Entwurf zum Besoldungsanpassungsgesetz vorgelegt hat, der dann durch das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag und Bundesrat läuft. Ich gehe davon aus, dass ein solcher Entwurf nach dem 2. Februar sehr zügig in die konkrete Beratung geht.

Durch den Tarifabschluss steigt der Druck auf die Personalkosten in den Haushalten von Ländern und Gemeinden leider weiter an. Das bedeutet, dass wir in Schleswig-Holstein - ausgenommen sind Kernbereiche wie Lehrer und so weiter - weniger Personal einstellen. Wir werden bei der Bewirtschaftung der Personalkosten bei dem restriktiven Verfahren im Hinblick auf Beförderungen und Wiederbesetzungen von Stellen bleiben müssen. Auch der Druck in Richtung weiterer Strukturveränderungen wird größer, zumal wir vor dem Hintergrund der Brüsseler Vorgaben zur

(Minister Claus Möller)

Sanierung der öffentlichen Haushalte bereits einen harten Konsolidierungskurs gefahren haben. Was die Strukturveränderungen angeht, so sind die Entscheidungen der Ministerpräsidentin von gestern, wie ich denke, eine gute Grundlage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis auf den Bereich Lehrer und Pensionen - dort haben wir für Tariferhöhungen beziehungsweise Besoldungsanpassungen Vorsorge getroffen - müssen die Mehrkosten - das war Geschäftsgrundlage der Haushaltsberatungen - von den Ressorts erwirtschaftet werden. Das ist eine schwierige Aufgabe, die aber, wie ich meine, dank des relativ erfreulichen Ergebnisses des vorläufigen Haushaltsabschlusses etwas gemildert wird.

Wir hatten den Ressorts bei den Haushaltsberatungen gesagt, dass sie mit Vorgriff auf Nullansätze für die Tariferhöhung versuchen sollten, Rücklagen zu bilden. Das haben sie getan. Erfreulich ist, dass die Rücklagenbildung in den Ressorts -

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss.

- 10 Millionen € höher ausgefallen ist, als wir eingeplant hatten. Das erleichtert die Finanzierung der Tarifrunde.

Dem Finanzausschuss werde ich in der nächsten Woche darüber berichten, dass der Haushaltsabschluss - der vorläufige liegt vor - nach wie vor davon ausgeht, dass der Haushalt ausgeglichen ist, und dass wir eine Rücklage bilden können, die gegebenenfalls zur Finanzierung eingesetzt wird. Aber auch wenn wir diese Rücklage im Haushalt - circa 50 Millionen - gegebenenfalls benötigen, um in der Mai-Steuerschätzung noch gegenzusteuern, sehe ich aufgrund des Haushaltsabschlusses und der ausgezeichneten disziplinierten Bewirtschaftung des Haushaltes 2002 durch die Ressorts keine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben gesagt:

Der Tarifabschluss wird sehr teuer, insbesondere für die Länder und vor allem für die Kommunen. Sie haben gesagt, sehr teuer. Ich will einmal das ein bisschen mit Leben erfüllen, was Sie durch Zahlen zum Ausdruck gebracht haben. Das heißt ganz konkret, zahlen werden diesen Tarifabschluss neben dem Land vor allem die Kommunen, zahlen müssen diesen Tarifabschluss aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, und zahlen müssen diesen Tarifabschluss selbstverständlich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Die Folge dieses Tarifabschlusses wird nämlich sein: Stellenkürzungen, Gebührenerhöhungen und das Schließen etwa von Freizeiteinrichtungen. Das ist, um das ganz klar zu sagen, die einzige Möglichkeit der Kämmerer, sich das wieder hereinzuholen, was den Kommunen unter massiven Streikandrohungen abgepresst wurde. Das heißt ganz konkret, ob Löcher im Asphalt, marode Kanalisation oder sanierungsbedürftige Schwimmbäder und Sportplätze, auf all diese notwendigen Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten werden unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort in Zukunft noch länger warten müssen.

Ich will Ihnen ein Beispiel geben, welche Blüten das mittlerweile treibt. Es ist ein Beispiel aus dem Kreis Stormarn. Das offensichtlich wenige Geld, das man dort noch verfügbar hat, möchte der Kreis Stormarn jetzt ausgeben, um sich eine Radaranlage anzuschaffen, um auf der A1 Temposünder zu blitzen, um ein bisschen mehr Geld hereinzuholen, anstatt dass man das Geld dort in Kindergärten steckt oder den Sanierungsstau bei den Schulen auflöst, den es sicherlich auch im Kreis Stormarn gibt.

(Zuruf von der SPD)

- Gar nichts ist in Ordnung, das ist ja genau das Problem.

Insgesamt bedeutet dieser Tarifabschluss weniger Service für den Bürger bei gleichzeitig steigenden kommunalen Gebühren und Abgaben. Das ist der Preis, den unsere Bürgerinnen und Bürger für diesen Tarifabschluss zahlen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Hierzu kommen die Konsequenzen für die im öffentlichen Dienst beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Herr Minister Möller, Sie werden mir wahrscheinlich nicht widersprechen, wenn ich sage, es wird jetzt noch schwieriger, den Beförderungsstau aufzulösen, den wir bei der Polizei, bei der Steuerverwaltung und in der Justiz haben. Das ist die erste negative Folge für die jetzt Beschäftigten.

(Dr. Heiner Garg)

Die zweite Folge: Ob Busfahrer, Krankenschwester, Gärtner oder Erzieherin, alle diese Menschen, die heute bei ohnehin vergleichsweise niedrigen Gehältern ihre Arbeit erledigen, arbeiten heute schon länger als vor zehn Jahren, weil nämlich der kontinuierliche Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst in vielen Bereichen nur durch Mehrarbeit kompensiert werden konnte. Auch das ist ein Preis, den die jetzt beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu zahlen haben. Sie müssen noch mehr arbeiten als vor diesem Tarifabschluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist auch klar: Dieser Tarifabschluss war ein Tarifabschluss gegen Arbeitslose, weil selbstverständlich kaum jemand mehr neu eingestellt werden kann. Im Gegenteil: Es werden Stellen abgebaut werden müssen und

(Beifall bei der FDP)

es werden weniger Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst geschaffen werden können. Das ist der Preis, den diese Menschen für diesen Tarifabschluss zu zahlen haben.

Ich will abschließend noch an einem ganz drastischen Beispiel zeigen, was das wiederum für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort für Konsequenzen haben kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass die administrativ verordnete Nullrunde bei Krankenhäusern ohnehin jedes 150-Betten-Krankenhaus mit rund 150.000 € pro Jahr mehr belastet. Das heißt, das müssen die erst einmal aus dem laufenden Etat irgendwie erwirtschaften, weil es nicht mehr gibt.

Dazu kommt die erhebliche Mehrarbeit durch die Einführung eines neuen Vergütungssystems. Auch die muss irgendwie aus dem laufenden Etat erwirtschaftet werden. Es sind erhebliche Mehrarbeiten bei den Dokumentationspflichten zu leisten.

Jetzt kommt noch die Mehrbelastung durch die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst hinzu. Ich sage Ihnen, das wird bei den kleineren Krankenhäusern der Allgemeinversorgung vor Ort zu erheblichen Mehrbelastungen führen, die sich unmittelbar auf die Patientenversorgung auswirken. Auch das ist der Preis für diesen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst.

Herr Minister Möller, ich frage Sie ganz konkret. Die Frage hatten wir gestellt und ich erwarte heute dazu auch eine konkrete Antwort von der Landesregierung. Ich weiß, dass Sie die konkreten Zahlen heute möglicherweise nicht auf Euro und Cent hier vortragen können. Ich möchte aber wissen - Sie haben von „Lehrern und so“ gesprochen -: Werden für das dringend benötigte Personal in den Kernbereichen, bei

den Schulen, also Lehrer, bei der Polizei und in der Justiz trotz dieses Tarifabschlusses Stellen geschaffen werden bis 2005 oder wird das nicht mehr möglich sein? Diese Antwort erwarte ich in der Tat heute von Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Garg, das Szenario, das Sie als Konsequenz der Tarifverhandlungen beschrieben haben, kann ich für meine Person weitestgehend nachvollziehen. Nur habe ich in Ihrem Beitrag darauf gewartet, welche Konsequenz Sie für sich und für die FDP ziehen, um dieses Szenario abzuwenden. Diese Aussage sind Sie schuldig geblieben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD)

Ich bin auf der einen Seite froh darüber, dass es auch aus psychologischen Gründen nicht zu dem Streik gekommen ist, weil ich glaube, er hätte in die derzeitige Wirtschaftslage nicht hineingepasst. Ich hätte mir vorstellen können, dass bei dem Tarifabschluss endlich einmal Ernst gemacht worden wäre, die unteren Gehaltsgruppen stärker anzuheben im Verhältnis zu den oberen Gehaltsgruppen und damit auch einen stärkeren Konsumanreiz zu geben. Ich weiß aber, dass dies in den Gewerkschaften schwer zu diskutieren ist. Auf der anderen Seite - das muss ich in aller Offenheit bekennen - meine ich, dass der Tarifabschluss mit 4,4 %, auch wenn das auf die Dauer der Laufzeit weniger ist, zu hoch gewesen ist.