Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Ich bin auf der einen Seite froh darüber, dass es auch aus psychologischen Gründen nicht zu dem Streik gekommen ist, weil ich glaube, er hätte in die derzeitige Wirtschaftslage nicht hineingepasst. Ich hätte mir vorstellen können, dass bei dem Tarifabschluss endlich einmal Ernst gemacht worden wäre, die unteren Gehaltsgruppen stärker anzuheben im Verhältnis zu den oberen Gehaltsgruppen und damit auch einen stärkeren Konsumanreiz zu geben. Ich weiß aber, dass dies in den Gewerkschaften schwer zu diskutieren ist. Auf der anderen Seite - das muss ich in aller Offenheit bekennen - meine ich, dass der Tarifabschluss mit 4,4 %, auch wenn das auf die Dauer der Laufzeit weniger ist, zu hoch gewesen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Konsequenzen, die Sie angedeutet haben, sehe ich ebenso. In erster Linie gibt es Schwierigkeiten auf der kommunalen Ebene. Der Bürgermeister von Lübeck hat darauf hingewiesen, sie hatten die Möglichkeit, 430 freie Stellen zu besetzen. Aufgrund des Tarifabschlusses müssen sie diese Stellen streichen. Der Oberbürgermeister der Stadt Kiel hat darauf hingewiesen, dass die Tarifsteigerung für die Stadt Kiel den rechnerischen Gegenwert der Schaffung eines Kindergartens hat. Was das Land Schleswig-Holstein betrifft - der Finanzminister hat darauf hingewiesen -, so bedeutet das im Tarifbereich Mehrkosten von 13,5 Millionen €. Würden wir das im Beamtenbereich 1:1 umsetzen, kämen weitere 15 Millionen hinzu.

(Lothar Hay)

Nun will ich mich nicht an Spekulationen beteiligen, wann eine Umsetzung erfolgt. Das ist Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens. Das ist in den dafür vorgesehenen Gremien auch noch zu diskutieren.

Nun haben wir unabhängig von dem zu erwartenden Personalabbau in den Haushaltsberatungen darauf hingewiesen, dass wir unabhängig von den Tarifverhandlungen aufgrund des zu hohen Anteils an Personalkosten - im Landeshaushalt 40 % - die Verpflichtung haben, über eine Reduzierung nachzudenken. Das muss in erster Linie damit anfangen, dass wir hier im hohen Hause diskutieren, wo Aufgaben ersatzlos gestrichen werden, die das Land bisher wahrgenommen hat. Denn nur eine Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene bedeutet gerade nach dem Konnexitätsprinzip keine Entlastung für den Landeshaushalt.

(Holger Astrup [SPD]: Sehr richtig! - Klaus Schlie [CDU]: Sehr richtig!)

Wir müssen einen anderen Weg gehen und ich glaube, diesen Weg müssen wir gemeinsam gehen.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes haben einen Anspruch auf eine angemessene Entlohnung, auch den Anspruch darauf, dass eine angemessene Tarifsteigerung stattfindet - nicht nur, um Preissteigerungen auszugleichen, sondern auch, um angemessen an der Tarifentwicklung teilzunehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich habe darauf hingewiesen, welche Konsequenzen das für uns hat.

Lassen Sie mich zum Schluss eine Bemerkung machen, die wir in allen Debatten immer wieder gemacht haben, auch wenn wir im Landtag nicht die alleinige Zuständigkeit haben. Wir müssen dringend über eine Reform des öffentlichen Dienstrechtes nicht nur diskutieren, sondern endlich auch zu Entscheidungen kommen und uns nicht wechselseitig die Schuld dafür in die Schuhe schieben, wer für das Scheitern die Schuld trägt.

(Holger Astrup [SPD]: Wohl wahr! - Verein- zelter Beifall bei der SPD)

Die letzte Bemerkung zur Frage des Nachtragshaushalts. Der Finanzminister hat auf den aus unserer Sicht sehr erfreulichen Haushaltsabschluss für 2002 hingewiesen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Was?)

Man sollte, auch wenn die Sonne heute scheint, den kleinen Silberstreifen am Horizont nicht für einen

Anstieg der Konjunktur halten. Aber ich glaube aufgrund der Fakten, die Claus Möller vorgetragen hat, dass wir davon ausgehen können, dass es keines Nachtragshaushalts zur Finanzierung der Tarifsteigerungen bedarf.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der SPD und der Regierung machen die ganze Ausweglosigkeit deutlich, in der wir stecken.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja ein toller Satz!)

Planungssicherheit ist das Argument, mit dem man diesen Abschluss schließlich akzeptiert. Wenn Planungssicherheit auf dem Weg in den Abgrund ein Entscheidungsargument für Sie ist, Herr Möller, dann allerdings haben Sie richtig entschieden.

(Beifall bei der CDU)

Der Tarifabschluss - das wissen wir alle - hat nur Verlierer gebracht: für die öffentlichen Haushalte, für die Tarifgemeinschaft der öffentlichen Arbeitgeber, letztlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier wird so schön von 4,4 % Erhöhung geredet. Sie haben nicht richtig gerechnet, meine Damen und Herren. Herr Möller hat darauf hingewiesen, dass es Einmalzahlungen gibt. Wenn ich die richtig umrechne, kommen noch einmal 0,625 % drauf. Das heißt, wir liegen bei über 5 %, einer Größenordnung, die insbesondere die Kommunen nicht mehr tragen können.

Das sei Ihnen auch gesagt: Verlierer ist nicht der Bund und solange Sie den Abschluss im Beamtenbereich nicht umsetzen, sind auch die Länder nicht die Verlierer. Verlierer sind einzig und allein die Kommunen. Das ergibt sich schon allein daraus, dass der Anteil an der Einkommensteuer für die Kommunen relativ niedriger ist als für die Länder. Für die Kommunen ist es schlichtweg eine Katastrophe, bei der hohen Verschuldung allzumal.

Ein zweiter Verlierer ist die Wirtschaft. Denn die Kommunen werden nicht mehr in der Lage sein, Aufträge zu erteilen. Sie werden nicht mehr in der Lage sein, Investitionen in Auftrag zu geben. Damit wird

(Martin Kayenburg)

die Wirtschaft dieses Landes ebenfalls unter diesem Tarifabschluss leiden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Sie bei den Investitionen und Personalausgaben nicht sparen, Herr Minister, werden Sie keinen verfassungskonformen Haushalt zustande bekommen. Sie haben im Entwurf 2003 an keiner Stelle Vorsorge getroffen. Im Gegenteil, Sie haben in der Nachschiebeliste 35 Millionen € globale Minderausgaben drin. Das heißt doch im Klartext: Sie haben schon jetzt 35 Millionen € zu wenig im Haushalt. Wenn die 50 Millionen €, die Sie selber genannt haben, auch nur annähernd zum Tragen kommen, haben Sie eine Haushaltslücke von 85 Millionen €. Da frage ich Sie: Wie wollen Sie da um einen Nachtragshaushalt herumkommen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Makulatur ist dieser Haushalt schon jetzt.

Verlierer sind auch - Herr Dr. Garg hat darauf hingewiesen - die Bürger dieses Landes. Was werden denn die Kommunen tun? Die Straßen werden nicht mehr repariert. Löcher klaffen in den Straßen. Die Kindergärten werden darunter leiden. Die Schulen - dort funktionieren die Heizungen teilweise nicht - werden darunter leiden. Ausgaben werden unterbleiben. Es gibt schon heute Städte im Land, in denen nachts die Lichter ausgemacht werden. Das ist das Ergebnis dieses Tarifabschlusses, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU)

Hier leidet in der Tat auch die Standortqualität unseres Landes.

Schließlich leidet die Tarifgemeinschaft der öffentlichen Arbeitgeber darunter. Nicht umsonst ist Berlin inzwischen aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen. Ich frage Sie, Herr Minister: Wie können Sie diesen Abschluss verantworten, der von Schröder und Schily doch nur gemacht worden, um einen Streik - der Gott sei dank vermieden worden ist - nicht in den Kommunalwahlkampf zu bekommen. Das ist der falsche Ansatz.

Letztlich leiden auch die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst darunter. Ich habe volles Verständnis, dass solche Forderungen kommen, insbesondere wenn im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Abschlüsse von 3,1 %, bei der Post und der Telekom von 3,2 % oder in der Entsorgungswirtschaft von 2,9 % gemacht werden. Aber ich frage Sie, Herr Minister: Wo ist die Produktivitätssteigerung, die erforderlich wäre, um diese Tariferhöhungen zu finanzieren?

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die können Sie wirklich nur über Personalabbau und nicht auf andere Weise erreichen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Jetzt kommt Ih- re Alternative!)

Insofern werden auch hier die Mitarbeiter darunter leiden.

Eines lassen Sie sich gesagt sein. Das sage ich für den Fall, dass das angeklungen sein sollte. Eines werden wir nicht mitmachen: Eine Sondernullrunde für Versorgungsempfänger wäre zutiefst ungerecht.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind der Auffassung, dass das Tarifergebnis auch auf die Beamten angemessen und innerhalb kurzer Frist übertragen werden muss.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich!)

Wir sind der Auffassung, dass Sie nunmehr, die Sie doch angetreten waren, den Schlüssel zur Sanierung dieses Landes in der Hand zu haben, endlich zur Sanierung der Landesfinanzen beitragen müssen. Dies haben Sie bis heute nicht geschafft. Der Tarifabschluss ist zu teuer. Sie, Herr Minister, haben keine Vorsorge getroffen. Dieses Land steht finanzpolitisch am Abgrund.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Die Lage des schleswig-holsteinischen Landeshaushalts dürfte einigen hier bekannt sein. Ein Haushalt, dessen Einnahmen in den vergangenen fünf Jahren um real fast 10 % rückläufig waren, kann Einnahmezuwächse bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht verkraften. Das wissen wir.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sehr richtig!)

Das ist nichts Neues, auch nicht in dieser Debatte. So betrachtet ist die Tariferhöhung sicherlich zu hoch.