Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

Das eigentümliche Zwitterwesen, das im September letzten Jahres im Hause der Bildungsministerin zusammengestrickt worden ist, nämlich die Übertragung einer Landeseinrichtung an einen Verband, ist aus unserer Sicht ordnungspolitisch unter gar keinen Umständen akzeptabel. Deshalb wollen wir mit einer entsprechenden Klarstellung, die der heute vorgelegte kurze Antrag beinhaltet, erreichen, dass die Landeszentrale nicht der Kontrolle durch Dritte ausgeliefert wird, die Zukunft dieser Institution in unserem Land als eigenständige Einrichtung weiterhin sichern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Birk.

Meine Damen und Herren! Wir müssen sehr aufmerksam beobachten, was mit der Landeszentrale für politische Bildung geschieht. In dem Punkt kann ich

mit der Opposition noch einig sein. Mit allen weiteren Punkten habe ich meine Schwierigkeiten.

Die Situation ist so, dass immer und immer wieder gesagt wurde: Wir müssen auch im Bereich der Exekutive sparen. Es wurden verschiedene Modelle durchgespielt, wie politische Bildung im Land erhalten bleiben kann, und zwar in einer größeren Vielfalt, in einer größeren Modernität und trotzdem mit einer schlankeren Leitung als bisher. Wie wollen Sie diese Aufgabe jemandem übertragen, wenn dies keine Vollzeitaufgabe sein soll? Gleichzeitig muss es eine Persönlichkeit sein, die sich auf das Geschäft der politischen Bildung versteht.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Es gibt vier De- zernenten! Einer von denen kann es ma- chen!)

Wenn dies keine Person sein soll, die gleichzeitig noch eine andere Aufgabe wahrnimmt, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann jemanden aus der Behörde bestimmen. Man kann jemanden aus dem Parlament wählen. Man kann auch jemanden aus einer Institution ernennen, die eine vergleichbare Dachverbandsorganisation ist.

Sie haben bisher keine Alternativvorschläge gemacht, weder die CDU noch die FDP.

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Wie bitte?)

Sie haben zu der konkreten Frage der Leitung keinen Vorschlag gemacht. Darum spitzt Herr Dr. Klug das Thema im Augenblick zu, aus welcher Institution diese Person kommen und wer ausgeschlossen werden soll.

Ich bin bei Strukturveränderungen sehr vorsichtig. Insofern kann ich gewisse Bedenken verstehen. Aber ich halte unter den gegebenen Umständen eine Lösung, die einem anderen Dachverband - das sage ich ganz bewusst - eine solche Leitungsposition nicht verwehrt, für nicht so abwegig wie der Kollege Dr. Klug.

Zum anderen - das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen - hat es eine konkrete Namensnennung und eine konkrete Besetzung bisher noch gar nicht gegeben. Es ist jetzt die Rolle der Ministerin, zu diesem grundsätzlichen Thema Ausführungen zu machen und das weitere Besetzungsverfahren, wie sie es sich vorstellt, vorzustellen, wenn es da über das, was wir von ihr wissen, hinaus Konkretisierungen oder Einschränkungen gibt. Mir sind diese nicht bekannt.

Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich machen, dass die Zusammenfassung des Volkshochschulverbandes mit der Landeszentrale für politische Bil

(Angelika Birk)

dung auf der Grundlage der Geschichte SchleswigHolsteins und der Rolle des Volkshochschulverbandes eine pragmatische, gute Lösung ist. Das ist etwas anderes, als wenn Sie einem einzelnen Verband etwas geben, der nicht selber eine Dachrolle einnimmt. Es ist klar, dass die Funktionen beider Institutionen getrennt bleiben sollen, so jedenfalls wurde es uns im Bildungsausschuss und auch im Kuratorium bisher vorgestellt.

Ich darf vielleicht um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten. Es geht jetzt um eine kontroverse Abstimmung und da muss jeder wissen, um welches Thema es sich handelt. Es ist schon mehr als eine Formalie. Es ist auch eine Frage, wie wir in Zukunft politische Bildung im Land gestalten wollen. Ich darf mir an dieser Stelle erlauben zu sagen: Das, was wir bisher an Veränderungen bei der Landeszentrale für politische Bildung gesehen haben, reicht unserer Fraktion noch nicht aus. Wir begreifen sie als einen ersten Schritt, aber inhaltlich muss da noch mehr passieren. Ich stelle mir vor, dass sehr viel mehr Träger der politischen Bildung, die im Lande tätig sind, einbezogen werden. Es gibt viele Organisationen, die noch nie Mittel von der Landeszentrale erhalten haben und die noch nie zu Foren eingeladen worden sind. Ich nenne zum Beispiel die Türkische Gemeinde zu Kiel, die vorbildliche Leistungen erbringt. Sie führt die Menschen über die politische Bildung an diesen Staat heran und ermöglicht ihnen, hier mitzuwirken, und bereitet sie auf das Wahlrecht vor.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das sind Prozesse, die die offizielle staatliche Bildung oft überhaupt nicht mitbekommt. Hier müssen wir zu neuen Formen des Miteinanders kommen. Die Migrantenorganisationen sind sicher nicht alle, aber in einer großen Zahl dazu bereit.

Genauso haben wir eine große Bildungsaktivität im Umweltbereich, im Bereich des Verständnisses für eine Welt. Wir haben aus Anlass der Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht eine hervorragende Aktion gehabt. Da haben sich Akteure der politischen Bildung zu Wort gemeldet, hier natürlich die Kirchen, die Volkshochschulen und die traditionellen Organisationen der politischen Bildung, aber auch weit darüber hinaus. Dieser Lichtblick der staatsbürgerlichen Auseinandersetzung ist für uns ein Leitmotiv, häufiger zu solchen Ereignissen zu kommen. Ich denke auch an unsere Schülerschaft, die sich zum Beispiel bei „Schüler Helfen Leben“ hervorragend engagiert. Da ist die Landeszentrale ein wichtiger Organisator. Sie soll nicht selber - das ist meine Kritik am bisheri

gen System - die Hauptveranstaltung anbieten, sondern soll dafür sorgen, dass andere dies tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns da verstehen und da an einem Strang ziehen, dann bin ich auch nicht bange um die Unabhängigkeit der Landeszentrale.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen mitteilen, dass der SSW der Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses zustimmen wird.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ich erteile das Wort der Ministerin, Frau ErdsiekRave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich bin der Meinung, dass ein weiteres Zerreden dieses Themas, das hier so lange und ausführlich und auch im Ausschuss eine Rolle gespielt hat und wirklich in allen Aspekten beleuchtet worden ist, dem Anliegen in keiner Weise hilft. Das Gegenteil ist der Fall.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es schadet eher dem Ansehen und schadet auch der politischen Bildung insgesamt, wenn hier immer wieder versucht wird, mit Unterstellungen und falschen Behauptungen zu arbeiten. Dies gilt auch für solche Formulierungen, die Sie, Herr Dr. Klug, in Ihrem Antrag zu wählen pflegen: „der Kontrolle durch Dritte ausgeliefert wird“. Was ist das überhaupt für eine Diktion? Es wird immer wieder versucht, Szenarien zu beschwören, die mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es gab von Ihnen auch noch schärfere Formulierungen wie „Propagandaabteilung der Landesregierung“.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Bei näherem Hinsehen haben Sie feststellen müssen, dass sich bei der neuen Konstruktion am Verhältnis zwischen Regierung und Landeszentrale gar nichts verändert. Sie bringen es auch nicht einmal fertig, so etwas hier dann zurückzunehmen. Ich bin es wirklich leid, hier in dieser Weise zu diskutieren.

Ich finde, die im breiten Einvernehmen entwickelten grundsätzlichen Vorschläge zur Reform sind gut und richtig. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben - auch ich wiederhole mich jetzt -, alle Kritikpunkte, alle neuen Vorschläge, die im Laufe der Debatte gekommen sind, immer wieder zu prüfen, zum Teil auch einzuarbeiten, neue Modelle zu entwickeln. Wir haben dies nicht getan, weil uns nichts Besseres eingefallen wäre, sondern weil es Aufgabe der Landeszentrale und damit auch meine Aufgabe ist, dies alles in möglichst breitem Konsens zu erreichen und nicht im Streit zwischen den Parteien. Es ist eine überparteiliche Einrichtung, die politisch unabhängig bleiben soll.

Dies gilt auch für die neue Konstruktion als Landesbetrieb in Kooperation mit dem Landesverband der Volkshochschulen, dessen politische und parteipolitische Unabhängigkeit wir an anderer Stelle genauso hochhalten. Das heißt, da finden sich zwei unabhängige Partner im Sinne eines Mehrwerts, im Sinne von Synergie zusammen, die in diesen Zeiten knapper Kassen absolut notwendig ist. Hier wird pragmatisch agiert werden und eine gute neue Konstruktion gefunden werden. Hören Sie auf, das ständig ideologisch infrage zu stellen! Geben Sie der neuen Einrichtung eine Chance! Die politische Bildung ist auch in dieser neuen Konstruktion in unserem Lande nach wie vor in guten Händen. Lassen Sie uns unsere gemeinsame Verantwortung, diese überparteilich zu beaufsichtigen und deren Arbeit zu befördern, auch gemeinsam wahrnehmen!

Ich bitte Sie deswegen: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und stimmen Sie dem Antrag der Koalition, der aus dem Bildungsausschuss zurückkommt, nun endlich einmal zu!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/2405, in der Form des Änderungsantrags der CDU abstimmen. Damit Sie wissen, worüber wir abstimmen, werde ich ihn noch einmal verlesen. Er heißt dann:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag erwartet, dass die Landeszentrale für politische Bildung auch in ihrer neuen Organisationsform als Landesbetrieb ihre Eigenständigkeit bewahrt, auf ihre Kernaufgaben zurückgeführt wird und ihr Veranstaltungsangebot auf die Bildungsstätten und Initiativen politischer Bildung überträgt.“

Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Ursprungsantrag der Fraktion der FDP in der Fassung der Drucksache 15/2405 abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei einigen Ent- haltungen aus der CDU!)

- Bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion der CDU.

(Heinz Maurus [CDU]: Eine!)

Ich lasse über die Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 a) auf:

Zweiter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2404