Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

- Frau Ministerin, wir beglückwünschen Sie dazu. Ich dachte, dass Sie uns wenigstens hier Ihre Aufmerksamkeit schenken würden.

(Ministerin Heide Moser: Das habe ich doch!)

Gleichzeitig werden wir prüfen, ob das tatsächlich auch so umgesetzt wird, wie es im Programm steht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist der Punkt!)

Die Aussagen in der Präambel zur Vorstellung des Regionalprogramms 2000 entsprechen ebenfalls weitgehend den Vorstellungen der F.D.P. Auch dort ist zu prüfen, ob denn tatsächlich entsprechend dieser Präambel gehandelt wird.

Auffällig ist - wie immer - die Bereitschaft des Landes, in die Beratung zu investieren, statt über eine Deregulierung und eine Verwaltung, die sich als Dienstleistungsunternehmen empfindet, den Beratungsbedarf zu minimieren.

Die im Regionalprogramm 2000 vorgesehene Eigenbeteiligung von 30 % ist vergleichsweise niedrig. Es ist zu befürchten, dass eine geringe Eigenbeteiligung mit einer geringen Übernahme von Verantwortung durch Projektträger korrespondiert. Sowohl das Prinzip des Qualitätswettbewerbs bei der Auswahl der Projekte als auch die Partizipation der regionalen Akteure sind im Prinzip richtig. Allerdings sind die Beiräte etwas üppig besetzt.

Die Durchsicht der Projektanträge für das Programmjahr 2000 ist allerdings ernüchternd. Es ist schwer vorstellbar, wie die Mehrzahl dieser Projekte einen wesentlichen Beitrag zum Strukturwandel in Schleswig-Holstein leisten soll. Maßnahmen wie der Neubau einer WC-Anlage oder die Einrichtung eines Wohnmobilstellplatzes mögen aus der Sicht der jeweiligen Gemeinde Sinn machen, aber sind sie denn wirklich geeignet, die Probleme dieses Landes zu lösen und unser Land voranzubringen?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Natürlich Toi- letten heute immer!)

Kollege Weber nickt. Ich sehe das nicht so.

(Jürgen Weber [SPD]: Ich nicke im Hinblick auf die Berechtigung Ihrer Frage, Frau Kolle- gin!)

- Danke schön, Herr Weber!

Es fehlt, auch wenn es einzelne Leuchttürme gibt, an wirklich zukunftweisenden Projekten.

Das Auswahlkriterium „Anzahl der Arbeitsplätze“ klingt auf den ersten Blick sehr bestechend. Es muss genauso Wert auf hoch qualifizierte Arbeitsplätze gelegt werden, denn diese werden erst weitere Arbeitsplätze nach sich ziehen. Die Menge der Arbeitsplätze an sich ist noch kein absolutes Kriterium.

(Zuruf von der Regierungsbank: Oh, oh! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sehr schön!)

Die Projekte der Kategorie III wie zum Beispiel das Berufsschulausstattungsprogramm hätten in diesem Programm gar nichts zu suchen, wenn nicht die Landesregierung einmal wieder in die Kasse des kommunalen Finanzausgleiches greifen würde. Dann müssten nämlich die Kreise in der Lage sein, das allein zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Das Projekt „ZAL - Zukunft auf dem Land“, ist programmatisch sehr breit angelegt; es ist sozusagen für jeden etwas dabei. Das ist gut so, weil der pluralistische Ansatz einen Ideenwettbewerb ermöglicht. Allerdings sind die Maßnahmen zur Förderung von landwirtschaftlichen Betrieben unterrepräsentiert. Auch wenn es richtig ist, dass die ländlichen Räume inzwischen nicht mehr ausschließlich oder auch nur überwiegend von der Landwirtschaft geprägt werden, ist die Landwirtschaft für die ländlichen Räume nach wie vor von großer Bedeutung. Die Ministerin dürfte das inzwischen gelernt haben.

Aus dem Programm „ZAL“ werden insbesondere Projekte aus den Ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen - LSE - gefördert. Diese Analysen haben sich bewährt; wir haben das in diesem hohen Hause diskutiert. Sie zeigen aber gleichzeitig ein Defizit des Landes auf, nämlich die mangelnde interkommunale Kommunikation. Es muss immer geprüft werden, ob die geförderten Maßnahmen eine dauerhafte Stärkung der Struktur bewirken oder Anstöße zur Selbsthilfe bieten. Bei allem Einsatz von Behörden und Verwaltungen: Der Erfolg des Programms hängt wesentlich davon ab, wie weit es gelingt, unter

(Dr. Christel Happach-Kasan)

nehmerisch tätige Menschen einzubinden und dafür zu gewinnen, in unseren ländlichen Räumen zu investieren.

Es ist kaum nachvollziehbar, warum es eine eigene Maßnahme A 5 gibt: „Förderung der Vermarktung ökologisch erzeugter landwirtschaftlicher Erzeugnisse“, obwohl doch unter der Maßnahme A 4 die „Verarbeitung und Vermarktung von ökologisch und regional erzeugten landwirtschaftlichen Produkten“ gefördert werden soll. A 5 als Spielwiese für grünes Klientel? Wozu braucht es eine eigene Maßnahme?

Ähnlich sind die Maßnahmen C 1und C 2 zu bewerten, die sich ebenfalls speziell mit dem ökologischen Landbau beschäftigen, obwohl der ökologische Landbau als eine Variante der landwirtschaftlichen Produktion kaum mehr zur Zukunft auf dem Lande beitragen kann als die anderen Varianten, die eine erheblich höhere Wertschöpfung aufweisen.

Was unter dem Titel „Modellvorhaben“ insbesondere mit dem „Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen“ zu verstehen ist, bleibt dunkel. Sollen Friseurläden gefördert werden? Dort sind traditionell Frauen beschäftigt. Oder denken Sie an die Gründung von Meinungsforschungsinstituten? Für diese gilt dasselbe. Hören Sie doch auf mit Ihrer spezifischen Frauenpolitik, die dem Ansehen der gut ausgebildeten Frauen in diesem Lande schadet.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenig Beifall!)

Der „Schwerpunkt C-, Agrar-, Umwelt- und Ausgleichsmaßnahmen sowie Forstwirtschaft“ enthält sinnvolle, aber auch kritisch zu bewertende Maßnahmen. Unter der Zielvorstellung, insbesondere Maßnahmen fördern zu wollen, die eine Strukturverbesserung bedeuten, sind all diejenigen kritisch zu bewerten, die nur einen Erhalt bestehender Strukturen bewirken, auch wenn dies im Einzelfall durchaus als sinnvoll anerkannt wird. Nach unserer Vorstellung sind zu viele solcher Maßnahmen zum Erhalt bestehender Strukturen im Teil C enthalten. Sowohl die Subventionierung des Verzichts auf Biozide wie auch des Nutzungsverzichts von Wald ist strukturell ohne Bedeutung. Die Förderung solcher Maßnahmen bedeutet gleichzeitig, dass Mittel für strukturell wirkende Maßnahmen fehlen.

Genau dadurch wird der Erfolg des Programms gefährdet.

Insgesamt zeigt der Bericht, dass die an die Strukturprogramme der EU gestellten Erwartungen, die auch von der Landesregierung geweckt wurden, bei dem jetzigen Stand der Bearbeitung noch nicht erfüllt wer

den. Dies muss sich ändern, wenn nicht die Chancen verspielt werden sollen, die in dem Programm liegen. Die Ansätze sind zurzeit noch weitgehend konventionell, wenig kreativ, also hausbacken. Eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaftskraft ist nicht zu erwarten. Wir müssen daran arbeiten, dass sich dies ändert.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Steenblock.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Programm „ziel: Zukunft im eigenen Land“ bietet für Schleswig-Holstein große, sehr große Chancen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ganze Le- ben bietet Chancen!)

Allein das Volumen dieses Programms stellt alles das, was bisher an gemeinsamen Strukturierungsprozessen geleistet worden ist, in den Schatten. Deshalb hat die Ministerpräsidentin natürlich Recht mit ihrer historischen Einordnung dieses Programms und der Chancen, die damit für unser Land vermacht sind.

Aber ebenso muss man sehr deutlich sagen, dass der programmatische Anspruch in dieser Dimension darin gebe ich sowohl Frau Schmitz-Hübsch als auch Frau Happach-Kasan Recht - so, wie sich das Programm zurzeit darstellt, noch nicht erfüllt worden ist. Wir müssen vielmehr weiter daran arbeiten.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Die Chancen, die sich in diesem Programm durch die Vernetzung von ASH, Regionalprogramm und durch den Neuzuschnitt der landwirtschaftlichen Förderprogramme im Bereich von „ZAL“ - diese drei sehr starken Säulen - bieten, brauchen ein stärkeres gemeinsames programmatisches Dach, um die Zukunftsperspektiven dieses Landes zu entwickeln.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was uns dabei ebenfalls Probleme macht - deshalb ist das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, hier vorgetragen haben, leider etwas zu kurz gedacht -, ist die Frage, wie man solche Programme im Bereich von Subsidiarität aufbauen kann, die Frage also, welche Struktur letztlich eigentlich bestimmt, was mit solchen Programmen

(Rainder Steenblock)

gewollt wird. Da ist es einfach zu kurz gedacht, nur eine Addition der regionalen und lokalen Wünsche als gemeinsames Programm zu verkaufen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Der Ansatz, die unteren, die regionalen und die lokalen Ebenen zu beteiligen, ist völlig richtig. Aber hier ist nach meiner Meinung auch Mut zur politischen Führung gefragt; in dieser Hinsicht würde ich der Landesregierung mehr Mut wünschen, programmatisch eindeutige, auch einengende Aussagen zu machen, die verdeutlichen, wohin die Reise gehen soll.

Es sind schon eine Reihe von Beispielen genannt worden. Herr Kollege Poppendiecker sagte es bereits: So wichtig im Einzelfall Toilettenanlagen für den Einzelnen sein können - unter dem programmatischen Anspruch, unter dem wir hier diskutieren, ist dies natürlich in so einem Programm der falsche Ort, um das auszufüllen.

(Heiterkeit bei CDU, F.D.P. und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb plädiere ich dafür und möchte der Landesregierung auch den Rat geben, die Diskussion über die einzelnen Programmteile nicht nur im interministeriellen Arbeitskreis zu führen, sondern auch innerhalb der Landesregierung und auch hier im Landesparlament sehr viel stärker über die Kriterien zu debattieren und festzulegen, nach denen dieses gewaltige Zukunftsprogramm in Schleswig-Holstein realisiert werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wir haben ja an vielen Stellen gesagt: Arbeit, Bildung, Innovation - das sind die Stichworte, verbunden mit Kriterien der Nachhaltigkeit, die in diesem Lande in Zukunft eine große Rolle spielen sollen. Deshalb können wir nicht einfach so weitermachen und wie bisher in den Koalitionen von Bürgermeistern ein Gewerbegebiet nach dem anderen fördern

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

oder auch in der Form weitermachen, dass wir sagen: Die traditionellen Dorferneuerungsprogramme werden hier nur in neuem Gewand dargestellt. Das kann es nicht gewesen sein.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Ist es auch nicht!)