Zu den finanziellen Konsequenzen verschiedener Reformansätze liegen Modellrechnungen einiger Länder und wissenschaftlicher Institutionen vor. Da sich alle Länder verständlicherweise schnell darauf konzentrieren, ob sie bei den entsprechenden Berechnungen zu den Gewinnern oder zu den Verlieren gehören, ist die Diskussion, die sich allein auf eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne fokussiert, schwierig und unbefriedigend. Selbstverständlich achten auch wir bei jeder Modellrechnung darauf, wie Schleswig-Holstein abschneidet.
Es ist daher angebracht und wünschenswert, dass man sich über eine Reform des Länderfinanzausgleichs hinaus über eine allgemeine Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung verständigt.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD sowie Bei- fall der Abgeordnete Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Martin Kayenburg [CDU] und Heinz Maurus [CDU])
Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil die europäische Integration den deutschen Föderalismus vor neue Herausforderungen stellt. Die Balance zwischen Zentralität und Subsidiarität sowohl zwischen der EU und den Mitgliedstaaten als auch zwischen dem Bund und den Bundesländern ist neu zu bestimmen.
Für den deutschen Föderalismus stellt sich die Frage, inwieweit die Kompetenzen der Länder gestärkt werden können, ohne die vom Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu gefährden.
Die verschiedenen Aspekte, die in Überlegungen einzubeziehen sind, sind insbesondere eine mögliche Neuordnung der Steuergesetzgebungskompetenz, eine Neuordnung der Gemeinschaftsaufgaben, der Finanzhilfen des Bundes sowie Fragen der ausschließlichen Gesetzgebung, der konkurrierenden Gesetzgebung oder der Rahmengesetzgebung.
Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, die realen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Länder zu stärken. Wir brauchen wieder mehr Bürgernähe, wir wollen die Befugnisse der Landesparlamente wieder stärken und wir wollen sicherstellen, dass regionale Besonderheiten durch eigene Gestaltungsmöglichkeiten der Länder berücksichtigt werden.
Wir stehen einer Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern aufgeschlossen gegenüber. Der Mut zu mehr Wettbewerb der Ideen muss darauf abzielen, die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit öffentlichen Gütern zu optimieren, das Wirtschaftswachstum zu stärken und die Beschäftigung zu erhöhen.
Gleichzeitig muss der Abbau bestehender struktureller Ungleichgewichte zwischen den Ländern angestrebt werden, so dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gesichert bleibt. Das ist ein Gebot des Grundgesetzes. Dafür werden wir im Auge behalten, dass sich ein politischer Wettbewerb der Ideen an der Grundstruktur des kooperativen Bundesstaates orientieren und die strukturell unterschiedlichen Ausgangsbedingungen berücksichtigen muss. Die Reform des Föderalismus darf und wird kein Selbstzweck sein.
Der weitere Fahrplan sieht wie folgt aus: Die Länder haben sich mit der Bundesregierung unter Hintenanstellung von Bedenken des Bundestages darauf verständigt, dass das Maßstäbegesetz - vom Verfassungsgericht vorgegeben -, das neue Finanzausgleichsgesetz und die Anschlussregelung für den Solidarpakt noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollen.
Denn natürlich hängen die Finanzströme des Solidarpaktes auch mit dem Länderfinanzausgleich zusammen.
- Ja. Für den Bereich des Föderalismus haben die Regierungschefs die Finanzminister, die Chefs der Staatskanzleien, beauftragt, zunächst Reformansätze
für die unmittelbar finanzausgleichswirksamen Themen zu erarbeiten. Hierzu zählen die schon angesprochenen Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts und die potentielle Entflechtung zahlreicher Mischfinanzierungen.
Herr Oppositionsführer, wenn das Gesamtpaket also noch in dieser Legislaturperiode geschnürt werden soll, bleiben bei realistischer Betrachtung dazu gerade einmal eineinhalb Jahre. Denn spätestens im Frühjahr 2002 wird der nächste Bundestagswahlkampf alles überlagern und Sachentscheidungen erheblich erschweren.
Die Ministerpräsidentin und ich sind uns unserer Verantwortung bewusst. Bereits in der parlamentarischen Sommerpause beginnen die Finanzminister in einer Reihe von Klausurtagungen ihre Beratungen. Am 14. September und 5. Oktober werden diese Themenbereiche offiziell - intern laufen die Vorbereitungen in der Sommerpause - so beraten, dass die Ministerpräsidenten auf ihrer Sitzung im Oktober erste entsprechende Entscheidungsvorschläge vorgelegt bekommen können. Sie können sicher sein, dass SchleswigHolstein das Gesamte, aber auch seine Interessen im Auge hat. Es ist sehr erfreulich, dass die Kooperation der gemeinsamen Interessenwahrnehmung - was Föderalismus und den Länderfinanzausgleich angeht - zwischen den norddeutschen Ländern ausgezeichnet funktioniert.
Ja. - Ich bin zuversichtlich, dass wir dann Ende des Jahres einen großen Schritt weiter sind. Wir sehen die Konturen dessen, wie sie der Bund im Maßstäbegesetz gesetzt hat und wie sich die Länder möglicherweise verständigen - bei allen großen Interessenunterschieden, die es noch gibt -, und ich bin sicher und freue mich, dass wir dann nach der Beratung des eigentlichen Berichtes, die wir sofort danach führen können, am Ende des Jahres konkret über das, was sich abzeichnet, in den Gremien, im Ausschuss und hier im Parlament intensiv - ich hoffe nicht nur kon
Ich erteile jetzt dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, dem Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Herrn Martin Kayenburg, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Möller, Sie haben sicherlich Recht und aus der Sicht der Regierung ist es verständlich, wenn Sie die Finanzen in den Vordergrund stellen. Aber uns reicht es eben nicht, nur einen Bericht über den Fortgang der Verhandlungen auf Bundesebene zu bekommen, wir wollen nicht alles der Regierung überlassen, sondern wollen als Parlament eingebunden sein.
(Beifall bei CDU und F.D.P. sowie der Ab- geordneten Ursula Kähler [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In der Juni-Tagung des Landtages haben wir in unserer Antragsbegründung nachgewiesen, dass die Reform des Föderalismus auch die Arbeit des schleswigholsteinischen Parlamentes unmittelbar betrifft. Wir haben deshalb als Parlamentarier gefordert, auch frühzeitig in den Entscheidungsprozess, nicht nur in die Diskussion, einbezogen zu werden, um den Sachverstand des ganzen Parlamentes einbringen zu können. Wir wollen - und das ist unser Ziel als Parlamentarier - den künftigen Föderalismus mitgestalten und unsere eigenständige Meinungs- und Willensbildung hier auch kundtun.
Die Konferenz der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten hat am 23. Mai 2000 in Heringsdorf bereits ein eigenes Entschließungspapier zur „Weiterentwicklung und Stärkung des Föderalismus“ vorgelegt. Diese Gedankenanstöße sind nach meiner Auffassung eine gute Grundlage für unsere eigenen Überlegungen als schleswig-holsteinisches Parlament. Vor allem ist die Entschließung der Präsidentinnen und Präsidenten wesentlich mehr als nur eine Verengung auf Finanzausgleichsregelungen. Sie wird damit der komplexen Föderalismusproblematik eher gerecht als alle bisherigen finanzpolitischen Diskussionen.
Der Bericht der Landesregierung hingegen legt vorrangiges Gewicht auf die durch das Bundesverfassungsgericht angemahnte Neuordnung der Finanz
ausgleichsbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Herr Minister, die wenigen Hinweise - etwa in dem Kapitel „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ - auf das komplexe System des kooperativen Föderalismus münden dann doch immer wieder in finanzpolitischen Überlegungen. Sie gehen dabei auf die Aufgaben- und Abgabenlast ein, sie berühren das Thema der Gesetzeskonnexität - allerdings aus finanzieller Sicht -, Sie sprechen die Problematik der Umleitung von Finanzströmen auf den Bund an, die zu einer weiteren Dominanz des Bundes führen würden und damit natürlich auch zu einer Schwächung der föderativen Struktur, um allenfalls dann ganz kurz noch in Ihrem Ausblick auf die übergreifenden Fragestellungen einzugehen.
Dieses Vorgehen liegt zwar für die Regierung nahe, weil das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes den auch von Ihnen erwähnten Zwang beinhaltet, das System bis Ende 2002 zu reformieren, und zwar durch ein Maßstäbegesetz, aber diese Verkürzung wird nach meiner Auffassung dem Reformbedürfnis insgesamt nicht gerecht. Wir müssen das gesamte föderale System reformieren, das heißt beide Komplexe und sie inhaltlich miteinander verknüpfen.
Die Landesregierung erliegt aber wieder einmal mehr der Versuchung, lediglich die finanziellen Aspekte zu vertiefen, weil es für die Föderalismusreform als solche - und da gebe ich Ihnen Recht - bisher keinen Zeitdruck gegeben hat. Aber umso wichtiger ist es, dass wir uns wegen dieser Verknüpfung dann auch mit einbringen.
Wenn aber die Landesregierung die Diskussion bewusst auf der Grundlage des vorhandenen Rechts führt, bleiben viele möglichen Variablen dabei unberücksichtigt. Wenn wir aber tatsächlich eine Stärkung des Föderalismus wollen, dann müssen wir mutiger reformieren. Wir beobachten doch alle gemeinsam mit Sorge, dass der Kompetenzzuwachs des Bundes in fast allen Politikbereichen für die Länder lediglich in Ausnahmefällen noch geringe politische Gestaltungsspielräume offen lässt. Bundesrechtliche Regelungen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung wurden immer zahlreicher und im Bereich der Rahmengesetzgebung immer detaillierter.
Ich glaube aber, dass ein funktionierender Föderalismus für die Länder wieder Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen muss, damit es auch unter den Ländern einen gesamtstaatlichen, nicht nur einen ideellen Wettbewerb geben kann. Nicht die Maximierung von Vorteilen, vielmehr die Vielfalt von Initiativen, die zur schöpferischen Umsetzung unterschiedlicher Vor
Herr Minister, ich bin mir durchaus bewusst, dass dies eine Gleichung mit mehreren Unbekannten ist, aber ich glaube, wer ein Risiko nicht eingeht, der verpasst auch eine Chance. Deshalb will ich gern zugestehen, dass der vorgelegte Bericht der Landesregierung bezüglich des Finanzausgleiches viele interessante Ansätze zeigt.
(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD], Heinz-Werner Arens [SPD] und Mo- nika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])
Mir fehlt aber das offensive Herangehen an die Reform des Föderalismus insgesamt. Ich meine, dass wir deswegen als Parlament umso mehr gefordert sind. Ich bitte um Überweisung des Berichts der Landesregierung und der Entschließung der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten an den Innen- und Rechtsausschuss zur weiteren Beratung
- mitberatend an den Finanzausschuss -, und zwar unter Hinzuziehung der im Bericht der Landesregierung erwähnten diversen Gutachten und Stellungnahmen, die in den Ausschussberatungen dann sorgfältig aufgearbeitet werden müssen.
Ich habe einen Appell zum Schluss - Herr Präsident, ich komme zum Schluss -: Lassen Sie uns diese Beratungen zwar mit der nötigen Sorgfalt, aber auch mit der nötigen Geschwindigkeit führen. Es geht um Subsidiarität, es geht um Gestaltungsspielräume zum Wohle unseres Landes.
(Beifall bei CDU und F.D.P. sowie der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])