Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

- Ich habe nicht gesagt, dass ich gegen die Zweckbindung bin. Vom Prinzip her sage ich: Die eigenen Steuern zu erhöhen und die Steuern der anderen zu senken, kann natürlich nicht funktionieren.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Erbschaftsteu- er!)

Es ist richtig, wir haben unsere Interessen und es gibt auch Interessensunterschiede zwischen denen, mit denen wir zusammenarbeiten. Als Beispiel nenne ich die Hafenlasten. Die Hafenlasten sind für Bremen und Hamburg existenziell. Nur ist überhaupt nicht einzusehen: Wenn bei ihnen die Hafenlasten anerkannt werden, warum sie bei uns nicht anerkannt werden sollen, wenn auch in einem geringeren Maße.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Es gibt auch zwischen uns Meinungsverschiedenheiten. Ich bin nicht ganz Ihrer Auffassung, dass wir von zwei oder drei Ländern erpressbar seien. Unsere Politik muss sein, dass wir nicht erpressbar werden, indem drei Länder das Problem aussitzen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: In Nordrhein- Westfalen sieht es genauso aus!)

- Ich spreche von drei Ländern. Sie haben auch drei Ländern genannt. Deshalb ist unsere Politik im Verbund mit den norddeutschen Ländern, einen breiten Konsens zu erzielen, der notfalls eine gesetzgeberische Mehrheit für ein Maßstäbegesetz und für die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes findet, sodass wir von drei Ländern, die sich überhaupt nicht bewegen wollen, nicht erpressbar werden. Wir setzen auf den Verbund mit allen ostdeutschen Ländern und hoffen auf eine Kooperation - das zeichnet sich ab - mit Nordrhein-Westfalen. Natürlich ist es wünschenswert, einen einstimmigen Bundesratsbeschluss zu erzielen. Es ist aber gefährlich, nur auf die Einstimmigkeit zu setzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss alles ausloten. Unsere Politik besteht darin auszuloten, wie wir unsere Interessen in welcher Konfiguration am besten durchsetzen können. Wir setzen nicht einseitig darauf. Wir müssen auf alle Fälle eine Lösung haben, die Baden-Württemberg gerecht wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, erstens den Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/231, sowie zweitens die Entschließung der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 23. Mai dieses Jahres zum Thema Weiterentwicklung und Stärkung des Föderalismus nebst Anlagen ebenfalls dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Finanzausschuss zu überweisen.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Maurus das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat die SPD-Fraktion beantragt, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzurichten.

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Maurus, wenn ich das richtig sehe, ist das eine Vereinbarung zwischen den Fraktionen, die nicht vom Landtag als solche zu beschließen ist. Sie bedarf keines Landtagsbeschlusses.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das brauchen wir als Parlament nicht zu beschließen! - Zu- ruf der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Das ist eine Bitte an den Präsidenten, der er sicherlich nachkommen wird. Darüber werden wir nicht zu beschließen brauchen. Tagesordnungspunkt 40 ist abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Verkürzung der Gymnasialschulzeit

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/217

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jost de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter www.bildung.saarland.de wird in zwölf Fragen und Antworten erläutert, warum das Saarland zum Schuljahr 2001/2002 den achtjährigen Bildungsgang bis zum Abitur einführen will, und zwar als eine generelle Regelung für alle Schülerinnen und Schüler des Landes. Besonders interessant ist die Frage 4, nämlich warum kein Modellversuch durchgeführt wird. Die Antwort lautet - ich zitiere -:

„Ein Schulversuch würde in diesem Fall mindestens acht Jahre dauern, ein Zeitraum, der für eine grundsätzliche Lösung verloren ginge.“

So ist es. Und genau dies wird in Schleswig-Holstein eintreten, wenn zum Schuljahr 2001/2002 nach dem Willen der Landesregierung keine generelle Schulzeitverkürzung bis zum Abitur, sondern lediglich ein Schulversuch eingeführt wird. Ich sage Ihnen aber: Es gibt keine Notwendigkeit mehr für einen Modellversuch zur Schulzeitverkürzung in Deutschland. Alle Modelle sind bekannt und sie sind auch alle erprobt und haben sich bewährt.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Man muss sich nur noch für eines der Modelle entscheiden. Wir wissen, dass die generelle Schulzeitverkürzung bis zum Abitur in Sachsen funktioniert, und wir wissen, dass sie in Baden-Württemberg funktioniert. Was jetzt gefordert ist, meine Damen und Herren, Frau Erdsiek-Rave, ist der politische Mut, die Schulzeitverkürzung ohne Wenn und Aber und ohne halbe Sachen auch in Schleswig-Holstein durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU - Präsident Heinz- Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Deshalb: Jetzt einen Modellversuch in SchleswigHolstein zu starten, ist das genaue Gegenteil dessen, was es suggerieren soll. Ein Schulversuch in Schleswig-Holstein führt das Abitur nach zwölf Jahren eben nicht bei uns ein, sondern im Gegenteil, es schiebt die Einführung der Schulzeitverkürzung auf die lange Bank.

Nach Ihren Vorstellungen, Frau Erdsiek-Rave, würde dieser Schulversuch zunächst einmal nur an 15 Gymnasien im Lande zum Tragen kommen. Mit anderen Worten: Lediglich an 15 Gymnasien in Schleswig-Holstein bietet sich für die Schülerinnen und Schüler des Landes die Möglichkeit, das Abitur bereits nach einem achtjährigen Bildungsgang abzulegen.

Das ist im Übrigen auch Ihr erklärter Wille. Ausdrücklich reden Sie in Ihren Pressemitteilungen davon, dass Sie die Schulzeitverkürzung bis zum Abitur punktuell, partiell und als Begabtenförderung anbieten wollen. Dazu sagen wir nein. Wir wollen das Abitur nach zwölf Jahren flächendeckend für alle und als einen Beitrag zur Schulpolitik und nicht zur Begabtenförderung.

(Caroline Schwarz [CDU]: Richtig! - Beifall bei der CDU)

Hier, meine Damen und Herren, verknüpft sich die Debatte heute mit der Debatte, die wir gestern zu den Begabtenklassen geführt haben. Denn in unserer Position liegt ein gravierender Unterschied. In einer Vorlage des Ministeriums für den Landesschulbeirat wird auf Folgendes hingewiesen - ich zitiere -:

„Das Angebot des achtjährigen Bildungsganges richtet sich an eine Schülergruppe, die rechtlich als ‘Springer’ zu betrachten ist.“

An diese Zielgruppe, Frau Erdsiek-Rave, richtet sich vielleicht Ihr Schulversuch, nicht aber unsere Forderung nach einer Schulzeitverkürzung. Unser Anliegen ist es nicht in erster Linie, den „Springern“ das Springen leichter zu machen, sondern alle Gymnasiasten im Lande innerhalb von zwölf Jahren zum Abitur zu führen. Aus diesem Grunde fordern wir Sie auf: Lassen Sie den Modellversuch sein und nehmen Sie sich zumindest ein einziges Mal schulpolitisch ein Herz und setzen Sie sich an die Spitze einer Bewegung, statt immer nur hinterherzutrotteln.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie uns genauso fortschrittlich sein wie die Kollegen im Saarland und lassen Sie uns das Abitur nach zwölf Jahren zum Schuljahr 2001/2002 auch in Schleswig-Holstein generell einführen.

Meine Damen und Herren, von den konzeptionellen Vorarbeiten her ist es egal, ob Sie mit einem Modellversuch beginnen oder die Schulzeitverkürzung gleich generell einführen. Denn egal, ob das von Ihnen gewählte Modell an allen Schulen umgesetzt wird oder nur an 15, seriös und fundiert muss es in jedem Fall sein, weil es jeweils um die Hochschulreife der Schülerinnen und Schüler geht. Und für uns ist bei diesem konzeptionellen Modell Folgendes wichtig: Die Schulzeitverkürzung - das haben wir immer wieder gesagt ist für uns kein Sparmodell. Es darf im Zusammenhang damit weder zu einer Kürzung an Unterrichtsstunden noch an Lehrerplanstellen, noch an finanziellen Mitteln kommen. Im Klartext bedeutet dies, dass es auch bei einem Jahr weniger Unterricht nicht zu einer Reduzierung der bisher zum

(Jost de Jager)

Abitur vorgesehenen 265 Wochenstunden kommen darf.

Und in diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf die „Springerklassen“ zurückkommen. Weil die Schülergruppe nämlich rechtlich als „Springer“ zu betrachten sind, heißt es in dem Schreiben an den Landesschulbeirat weiter:

„...ist eine volle Auffüllung der Stundentafel auf die in der Kultusministerkonferenz vereinbarten 265 Jahreswochenstunden nicht erforderlich.“

Mit anderen Worten, Sie wollen sich in Ihrem Modellversuch nicht an die unter den Kultusministern vereinbarte Mindestwochenstundenzahl bis zum Abitur halten. Das, Frau Erdsiek-Rave, machen wir nicht mit. Wir halten uns an die von uns gegebenen Aussagen, dass für uns eine Schulzeitverkürzung keinen Bildungsabbau bedeuten darf.

Auch die Durchlässigkeit zwischen den Schularten muss insgesamt aufrechterhalten werden. Das ist etwas, was sich in dem Modell auch bewähren und beweisen muss.

Meine Damen und Herren, bei einer Schulzeitverkürzung ist es nicht nur mit organisatorischen Maßnahmen getan. Ohne eine Änderung der Lehrpläne wird die Schulzeitverkürzung nicht umsetzbar sein. Es geht also auch um die Inhalte gymnasialer Bildung und Ausbildung. Und hier wollen wir, dass die Schulzeitverkürzung als eine Chance begriffen wird, auch zu einer wirklich inhaltlichen Weiterentwicklung des Gymnasiums zu kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir wollen mit der Schulzeitverkürzung für das Gymnasium nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Unser Motto ist deshalb: „Kürzer und besser“. Wir glauben, dass jetzt, wo wir ohnehin zu einer Neufassung der Lehrpläne kommen müssen, auch über die inhaltlichen Anforderungen des Abiturs nachzudenken ist. Denn es ist unsere bildungspolitische Überzeugung, dass wir das Abitur wieder auf eine auch inhaltliche breitere Grundlage stellen sollten. Deshalb fordern wir Sie auf, Frau Erdsiek-Rave, machen Sie keine halben Sachen, verzichten Sie auf Ihren Modellversuch und seien Sie einmal mutig. Führen Sie die generelle Schulzeitverkürzung bis zum Abitur in Schleswig-Holstein zum Schuljahr 2001/2002 ein.

(Beifall bei der CDU)

Tun Sie es ohne Modellversuche und ohne irgendwelche weiteren Fallstricke! Die Schülerinnen und Schüler - meine Damen und Herren, machen Sie sich da nichts vor - werden es Ihnen danken. Wir wollen es

zusammen mit den Schülerinnen und Schülern durchsetzen und Sie hoffentlich auch.