Angesichts der schon fortgeschrittenen Zeit rufe ich jetzt nicht - wie geplant - den Punkt 34 auf. Er wird um 16 Uhr im Anschluss an die Debatte zur Atomenergie aufgerufen werden.
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht; dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile Frau Abgeordneter Schmitz-Hübsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die neue Beschaffungsordnung der Landesregierung gibt Anlass zu großer Sorge. Erstmalig finden andere Kriterien als Qualität und Preis eines Anbieters Eingang in die Vergabekriterien öffentlicher Aufträge in Schleswig-Holstein. Die mittelständischen Betriebe in Schleswig-Holstein müssen, wenn sie mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen und einen Umsatz von mehr als 20.000 DM mit der neuen zentralen Beschaffungsstelle der GMSH tätigen wollen, für die Dauer von vier Jahren einen gültigen Frauenförderplan vorweisen können. Das gilt auch für ihre Subunternehmer. Fehlt ein solcher betrieblicher Frauenförderplan, gelten die Unternehmen als „nicht zuverlässig“ und werden beim Bieten gar nicht erst berücksichtigt.
Frau Frauenministerin, an dieser Stelle irrten Sie übrigens. Leider haben Ihnen die Verfasser Ihrer Pressemitteilung vom 23. Juni 2000 etwas Falsches erzählt: Von Anfang an - nicht erst später - werden alle Bewerber von der Angebotsabgabe ausgeschlossen, die nicht das Vorhandensein oder die Planung eines Frauenförderplanes nachweisen können. Es erfolgt also von vornherein eine sehr strenge Auslese nach diesem Kriterium.
Zum Nachweis der Frauenförderung im Betrieb hat die Landesregierung einen dreiseitigen - dreiseitig! Fragebogen ersonnen, der auszufüllen und eventuell zu belegen ist. Falls es noch keinen Frauenförderplan gibt, muss der zukünftige Bewerber sagen, welche
Maßnahmen er ergreifen wird, um dieser schweren Verfehlung abzuhelfen. Mindestens vier Punkte sind zu erfüllen, damit der Anforderung Genüge getan wird. Der Betriebsinhaber kann dabei aus mehreren Vorschlägen auswählen. Hier ein paar Beispiele: Er kann „ein Bekenntnis zur Chancengleichheit als Grundlage der gesamten Personalpolitik des Unternehmens, vor allem durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit“ ablegen. Oder er kann sich zur „Übernahme von weiblichen Auszubildenden nach Beendigung der Ausbildung, mindestens entsprechend ihrem Anteil an allen Auszubildenden im jeweiligen Ausbildungsberuf“ verpflichten.
Frage: Was macht der Unternehmer bloß, wenn er keine weiblichen Auszubildenden hat oder wenn der Zufall es will, dass in diesem Jahr nun mal die weiblichen Lehrlinge schlechter sind als die männlichen? Sie sind zwar meistens besser, aber wenn das nun einmal anders läuft, was macht man da?
(Martin Kayenburg [CDU]: Und was macht er, wenn er keinen Arbeitsplatz hat? - Einem Mann kündigen, oder was?)
Übrigens muss der Nachweis wiederholt werden, wenn zwischen dem ersten und dem nächsten Auftrag mehr als sechs Monate vergangen sind. Es wird also ein großer Schub an zusätzlicher Bürokratie in den Betrieben ausgelöst - aber nicht nur da, sondern auch bei der Landesregierung. Wie will denn die Landesregierung die Durchführung der Frauenförderpläne kontrollieren?
Frau Ministerin, können wir uns schon auf zusätzliche Planstellen freuen, die Sie beantragen werden?
Auch Umweltkriterien sollen in Zukunft bei der Vergabe eine Rolle spielen. Unternehmen, die sich freiwillig einer Umweltzertifizierung unterziehen, sollen bevorzugt werden.
Mit beiden Maßnahmen diskriminiert die Landesregierung die kleinen und mittleren Betriebe. Viele von ihnen haben gar nicht die finanziellen Mittel, um die vergabefremden Kriterien zu erfüllen. Ihre Geschäftspolitik soll demnächst nicht mehr an der Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sein, sondern an der Frauenförderung. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen.
Die neuen Vorschriften schränken die Verdingungsordnung für Leistungen und für freiberufliche Leistungen ein. Betroffen sind zurzeit vor allem der Handel und die freien Berufe. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen wird vorläufig nicht angetastet. Im Handwerk und Baubereich steht man aber Gewehr bei Fuß nach dem Motto „Wehret den Anfängen“.
- Ja, man hat das vorsichtshalber erst einmal rausgenommen. Die neue Landesbeschaffungsordnung ist also mittelstandsfeindlich.
Hier wird versucht, allgemeine politische Ziele willkürlich durch die Koppelung an die Vergabe öffentlicher Aufträge durchzusetzen.
Nach den Erschwernissen durch das 630-DM-Gesetz und das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit ist diese weitere Belastung der gewerblichen Wirtschaft ein wahrer Skandal.
Leider ist der Wirtschaftsminister nicht anwesend, aber so ganz nebenbei wundern wir uns auch über die Behandlung dieser Verordnung durch die Landesregierung. Sie widerspricht dem Mittelstandsförderungsgesetz, das in § 16 Abs. 2 ausdrücklich die Einhaltung von VOB und VOL vorschreibt. Hierfür ist der Wirtschaftsminister zuständig. - Ach, Herr Staatssekretär, Sie sind da, dann können Sie das ja dem Minister erzählen. Für die Einhaltung der Verdingungsordnungen bei öffentlichen Bauten war bislang der Innenminister zuständig. Und jetzt hat der Finanzminister diese einschränkende Verordnung erlassen. Nach unseren Informationen hat er vorsichtshalber die zuständigen Verbände nicht angehört.
- Ja! Das ganze Verfahren ist also sehr merkwürdig. Die Frage, die den Wirtschaftsminister interessieren sollte, ist doch: Ist der Wirtschaftsminister in wirtschaftspolitischen Grundsatzfragen - die sollte er neben der Technologiepolitik ab und an auch noch beakkern; es ist ein schwieriges Feld, aber er ist eigentlich zuständig, es ist sein ureigenstes Wirkungsgebiet zum zahnlosen Tiger geworden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, dass Herr Kubicki nicht da ist; wir haben das Thema Frauenförderung eigentlich immer in seiner Anwesenheit diskutiert.
Sehr geehrte Frau Schmitz-Hübsch, es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass die SPDLandtagsfraktion den CDU-Antrag ablehnen wird.
Denn für uns stellt sich nicht die Frage, ob frauenfördernde Maßnahmen wirtschaftsfeindlich sind, sondern für uns stellt sich die Frage, ob die Wirtschaftspolitik der CDU nicht frauenfeindlich ist.
Im Gegensatz zur CDU sind wir nach wie vor der Auffassung, dass bestimmte Kriterien bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden sollten.
Das ist im Übrigen nicht neu; denn bereits im Bericht der Landesregierung vom 11. September 1997 zur Modernisierung der Verwaltung in Schleswig-Holstein sind entsprechende Vorgaben für die Neuordnung des Beschaffungswesens aufgeführt. Dazu gehören selbstverständlich die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften, die Bekämpfung der Korruption im Beschaffungswesen, die Einhaltung von Umweltschutzzielen und die Berücksichtigung weiterer Vorgaben wie die Anwendung des Gleichstellungsgesetzes und Maßnahmen zur Frauenförderung in der Privatwirtschaft.
Das alles ist nicht neu; das können Sie nachlesen. Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich, dass
die von der Landesregierung erlassene Beschaffungsordnung unter anderem sowohl ökologische als auch frauenfördernde Kriterien für die Auftragsvergabe enthält.
Damit wird dem im Landtag beschlossenen Gesetz zur GMSH entsprochen; darin ist das bereits geregelt.
Im Übrigen hat sich auch die Europäische Union mit dem öffentlichen Auftragswesen beschäftigt. Sie hat ausdrücklich festgestellt, dass eine weitere Möglichkeit darin besteht, die Einhaltung von Pflichten sozialen Inhalts zur Vorbedingung für die Ausführung der vergebenen öffentlichen Aufträge zu machen, um beispielsweise die Beschäftigung von Frauen oder den Schutz bestimmter benachteiligter Personengruppen zu fördern.