Der Ausschuss hat am 27. November 2002 eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Die Stellungnahmen der Teilnehmer zur ursprünglichen Formulierung des Gesetzentwurfs liegen Ihnen in einer Vielzahl von Umdrucken und in einem ausführlichen 45-seitigen Protokoll vor.
Eine Wertung dieser Aussagen obliegt dem Parlament. Deshalb möchte ich an dieser Stelle nur den Hinweis geben, dass mit Ausnahme der Gewerkschaften das Gesetzesvorhaben mit stark divergierenden Aussagen hinsichtlich rechtlicher Bedenken, der Praktikabilität sowie unter dem Gesichtspunkt des bürokratischen Aufwands beurteilt wurde.
Kritisch äußerten sich insbesondere die Bereiche des Handwerks, deren Fachverbänden die Tarifhoheit auf
Eine spezifische Stellungnahme der gesetzlichen Auftraggeber Kreise und kreisfreie Städte zum neu aufgenommenen Anwendungsbereich Abfallwirtschaft liegt dem Wirtschaftsausschuss nicht vor.
Zum Zeitpunkt der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs im Wirtschaftsausschuss am 12. Februar lag dem federführenden Ausschuss eine gutachterliche Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes vom 11. Februar 2003 vor. Sie konnte wegen der Kurzfristigkeit der Vorlage keiner umfassenden Bewertung unterzogen werden. Eine deshalb beantragte Vertagung der Schlussberatung wurde von der Ausschussmehrheit abgelehnt.
Parallel dazu ließ der zeitgleich tagende Innen- und Rechtsausschuss mitteilen, dass er die Beratungen des vorliegenden Gesetzentwurfs auf den 19. Februar vertagt habe, um vor Abgabe einer Beschlussempfehlung die Stellungnahme des Innenministers zu dem vom Wissenschaftlichen Dienst zu folgenden Fragen abgegebenen Votum einholen zu können: Greift das Tariftreuegesetz in verfassungswidriger Weise in die negative Koalitionsfreiheit gemäß Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes ein? Ist das Tariftreuegesetz mit dem europäischen Recht vereinbar? Welche Haftungsfolgen können für den Bund, das Land oder die Kommune, die aufgrund eines so genannten europarechtswidrigen Landestariftreuegesetzes Aufträge vergibt, entstehen?
Zum Ergebnis der Erörterungen im Innen- und Rechtsausschuss, das in meinem schriftlichen Bericht noch nicht enthalten ist, kann ich Ihnen an dieser Stelle Folgendes mitteilen:
Der Innen- und Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am 19. Februar die Mitteilung des Innenministers des Landes zur Kenntnis genommen, dass ein Termin für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Tariftreuegesetz noch nicht angesetzt worden sei und dass mithin noch nicht absehbar sei, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne.
Mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und der FDP schloss sich der Innen- und Rechtsausschuss daraufhin der Ihnen bereits schriftlich vorliegenden Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses an.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Hinweise zu den Verfahrensbeschlüssen im Ausschuss.
Die Ausschussminderheit beantragte eine Nachanhörung zu möglichen Auswirkungen des neu eingefügten Anwendungsbereichs der Abfallentsorgungswirtschaft auf die Abfallgebühren. Der Antrag wurde abgelehnt.
Ebenfalls abgelehnt wurde der Antrag der Vertreterin der FDP-Fraktion, die Schlussberatung im federführenden Wirtschaftsausschuss auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung über den Vorlagebeschluss zum Berliner Vergabegesetz getroffen hat. Das Abwarten einer Stellungnahme des Innenministeriums zu den europarechtlichen Bedenken, die in der gutachterlichen Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes zum Tariftreuegesetz des Landes aufgeworfen worden sind, wurde von der Ausschussmehrheit als nicht notwendig angesehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bitte damit im Namen beider Ausschüsse, den Entwurf eines Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen in der Fassung der rechten Spalte der Gegenüberstellung in der Drucksache 15/2384 anzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die Frau Berichterstatterin zugleich für die CDU-Fraktion geredet hat. Inhalt und Dauer ihres Beitrages ließen darauf schließen.
Wirtschaftsminister Professor Rohwer und die SPDFraktion, aber auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW halten Wort: Heute geht das Tariftreuegesetz in die abschließende Lesung.
Nachdem die neuen Bundesländer ein Bundestariftreuegesetz im Bundesrat scheitern ließen, setzt Schleswig-Holstein heute Zeichen, um insbesondere kleinere Betriebe vor ruinösem Wettbewerb mit Dumpingangeboten zu schützen. Über eine Milliarde Euro Landesaufträge pro Jahr werden damit fortan nur an Unternehmen vergeben werden können, die sich verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Ausführung der Leistung mindestens nach einem der am Ort der Leistungserbringung geltenden Tarifverträge zu entlohnen, und dies auch von ihren Subunternehmern verlangen. Damit sind wir nach Bayern, dem Saarland und dem Land Berlin ein weiteres Bundesland, das Tariftreue für die Vergabe der Aufträge des Landes vorsieht. Bayern war Vorreiter. Das Gesetz gilt dort bereits seit 1996.
Wie wichtig es ist, der Wirtschaft in Schleswig-Holstein, insbesondere unserer Bauwirtschaft zu helfen, zeigen die Zahlen eindringlich. Die Auftragseingänge in der Bauwirtschaft gingen von Januar 2000 bis heute um satte 19,2 % zurück. Schleswig-Holstein liegt bei der Auftragslage in der Bauwirtschaft deutlich hinter dem Durchschnittswert der neuen Bundesländer und hinter Sachsen, Brandenburg und SachsenAnhalt.
- Herr Kubicki, es ist Ihnen nicht alles zugänglich. Das ist uns ja bekannt. Aber hören Sie erst einmal zu.
- Herr Oppositionsführer, CDU und FDP lehnen dieses Mittelstandsförderungsgesetz ab, ein Gesetz für den Mittelstand, das auch Wirkung zeigen wird.
Die CDU widerspricht damit nicht nur ihren Parteifreunden in Bayern, im Saarland und in Berlin; denn das dortige Gesetz wurde noch unter Diepgen beschlossen. Ihr Nein ist vielmehr umso erstaunlicher, als Sie sich doch allzu gern zu Anwälten der mittelständischen Wirtschaft aufschwingen.
Der Baugewerbeverband nennt Ihre Ablehnungen auch vornehm inkonsequent, und dies zu Recht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: An den Ergebnissen werden Sie gemessen!)
Gestern erst haben Sie, Herr Oppositionsführer, hier in diesem Hause nach staatlicher Regulierung gerufen. Heute wollen Sie die Kräfte des Marktes zum Nachteil unserer Beschäftigten und unserer Unternehmen ungehindert wirken lassen.
Nein, meine Damen und Herren. Ein fairer Wettbewerb darf nicht über die Lohnkosten und über soziale Standards ausgetragen werden.
Wer den Mittelstand nicht nur als Floskel im Munde führen will, sondern es ernst meint mit fairen Bedingungen für kleine und mittlere Betriebe, der muss heute Farbe bekennen.
Auch das in der Diskussion immer wieder genannte Argument zu erwartender Preissteigerungen ist viel zu kurz gegriffen. Die Fortsetzung der Pleitewelle vernichtet Arbeitsplätze, verhindert Steuereinnahmen und Sozialabgaben. Jede ernsthafte Bilanz der Wirkung eines Tariftreuegesetzes ist positiv. Der volkswirtschaftliche Schaden wäre sehr viel größer als der vermeintlich betriebswirtschaftliche Nutzen, der nur weiter dazu führen würde, dass Tarifsysteme ausgehöhlt werden.
Die FDP hat am Vortag der entscheidenden Sitzung des Wirtschaftsausschusses ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vorgelegt. Honi soit qui mal y pense - wegen der Zeit. Sie hatten monatelang Zeit! Dieses Gesetz wird seit über einem Jahr diskutiert.
Dieses Gutachten ist natürlich ernst zu nehmen, aber es enthält keine neuen Erkenntnisse. Wenn sich die FDP-Kollegen in der monatelangen Diskussion um unseren Gesetzentwurf einmal mit der BGHEntscheidung zu diesem Thema beschäftigt hätten, wüssten Sie das. Diese Entscheidung hat Bundestag und Bundesrat beschäftigt, aber offenbar nicht die FDP. Herr Kubicki wird sich ja in wenigen Minuten selbst zu Wort melden. Es steht zu erwarten, dass er sich uns wieder einmal als selbstbewusster Hüter des Rechtsstaates präsentieren wird.