Protokoll der Sitzung vom 21.02.2003

Der Antrag hätte auch etwas EU-freundlicher sein können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die EU ist eine ganz wichtige Entwicklung - gerade in Zeiten der Globalisierung und in Zeiten, wie wir sie gerade jetzt in Bezug auf die USA erleben. Es gibt nur einen Weg, der sinnvoll ist, die Probleme in der Welt von Europa aus zu lösen und die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten auszuweiten. Das ist Europa. Wenn wir einen solchen Prozess haben, können wir

nicht eine Resolution mit einer Tendenz verabschieden, die immer wieder anklingen lässt, dass Europa von unten möglichst viel gegängelt werden soll, weil wir Europa nichts zutrauen.

Ich halte es für wichtig, dass der bevorstehende Föderalismuskonvent ein deutliches Signal setzt - wobei ich nicht glaube, dass alle Forderungen des Konvents auf Bundes- oder europäischer Ebene direkt umgesetzt werden -, dass wir eine Stärkung der Landesparlamente wollen. Darüber sind wir uns einig. Insofern ist es eine gute Aktion. Ich beglückwünsche Präsident Arens für seine Initiative. Wir werden aber über die Frage, wie wir die Länder stärken werden, noch nachzudenken haben. Das werden wir auch deutlich machen.

Folgendes zu einem zentralen Aufgabenbereich der Länder, der mir besonders am Herzen liegt, nämlich der Bildungspolitik.

(Thorsten Geißler [CDU]: Ach, was?)

Wir haben in der Bildungspolitik in den letzten Jahrzehnten ebenfalls eine Blockade erlebt. Diese Blockade ging keineswegs vom Bund aus. Es war nicht der Bund, der die Länder in der Bildungspolitik blockiert hat. Es waren die Länder, die sich gegenseitig blockiert haben,

(Jürgen Weber [SPD]: So ist es!)

weil sie nämlich über die Kultusministerkonferenz ein 16:0-Prinzip eingeführt haben. Das bedeutet, dass - wegen der gegenseitigen Anerkennung der Bildungsabschlüsse - überhaupt kein Bundesland in der Lage ist, eine eigenständige Bildungspolitik zu machen, ohne alle anderen 15 Länder zu fragen. Das ist völliger Unsinn.

Ich bin der Überzeugung, dass wir in diesem Bereich das Gegenteil brauchen. Wir brauchen ein Bundesrahmengesetz, das die Anerkennung der Bildungsabschlüsse der Länder untereinander regelt. Dann könnte jedes Land völlig frei, nach eigenem Gusto, kreativ Bildungspolitik machen, die zum Besten des Landes und seiner Schüler ist. Dann wird sich im Wettbewerb zeigen, wer eine bessere Bildungspolitik macht.

Das ist ein Problem. Das ist eines der großen Probleme, bei dem sich die Länder zurzeit gegenseitig blockieren. Das ist ein Problem, das überhaupt nichts damit zu tun hat, dass wir gegenüber dem Bund etwas ändern müssten. Hier müssen wir in den Ländern untereinander etwas ändern.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Jürgen We- ber [SPD] und Martin Kayenburg [CDU])

(Karl-Martin Hentschel)

Ein weiterer Punkt betrifft die Kompetenzen der Landesparlamente. Wenn die Länder auf Bundesebene an Einfluss gewonnen haben, darf man bezüglich des Einflusses der Landesparlamente gegenüber ihren Regierungen nicht nur nach dem Bund rufen, sondern muss sich an die eigene Nase fassen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Warum ziehen wir wesentliche Entscheidungen, beispielsweise strukturpolitische Entscheidungen, Entscheidungen, von denen wir glauben, dass sie wichtig sind, nicht ins Parlament?

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind doch selber frei zu sagen: Wir wollen mehr Entscheidungen ins Parlament ziehen und bestimmte Dinge gesetzlich regeln. - Klaus schmunzelt. Natürlich, die Regierung sieht das anders. Das ist völlig logisch. Da haben wir einen Dissens.

Wenn wir aber feststellen, die Landesparlamente haben zu wenig zu entscheiden und die Bedeutung und der Einfluss der Landesregierungen nimmt zu - in einigen Fragen sind die Ministerpräsidenten bedeutender als manche Bundesminister -, wenn das also so ist - das ist so -,

(Minister Klaus Müller: Okay!)

dann müssen wir uns an die eigene Nase fassen und sagen: Die Landesparlamente müssen gegenüber ihren Landesregierungen ihre Rechte ausweiten.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Das ist aber unser Problem. Da können wir nicht nach dem Bund rufen. Das entscheiden wir hier ganz autonom im Rahmen der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein.

(Rolf Fischer [SPD]: Das wollen wir doch!)

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich stimme dem Haupttenor des Antrages zu. Ich stimme auch der Initiative von Herrn Arens zu und glaube, dass das eine gute Initiative ist. Bei einzelnen Instrumentarien, die in der Initiative angesprochen werden, besteht jedoch Dissens. Aber in der Frage der Trennung der Aufgaben und der Frage der Trennung der Finanzmittel, die auch in diesem Antrag angesprochen werden, stimme ich dem Antrag voll zu.

Wir wollen, dass das in Lübeck eine kraftvolle Veranstaltung wird. Deshalb ist es auch wichtig, ein einheitliches Signal zu setzen. In der Landtagspräsidentenkonferenz wurde vereinbart, dass die Fraktio

nen ihre abweichenden Positionen in Redebeiträgen, die protokolliert werden, darstellen können. Das werden die Grünen in Lübeck tun.

Insofern freue ich mich auf die Veranstaltung und die Debatten in Lübeck. Wir werden dafür eintreten, dass es eine Folgeveranstaltung unter Einbeziehung von Bundes- und Europaparlamentariern geben wird. Wir glauben, nur wenn man die Bundes- und die Europaebene mit in die Diskussion einbindet, werden unsere Forderungen auch die Kraft haben, erfolgreich zu sein.

Zum Schluss: Ich wünsche der Königin der Hanse, dass sie nun auch die Hauptstadt der Parlamente wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Sprecherin, Frau Abgeordneter Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede heute damit beginnen, Landtagspräsident Arens für seinen großen Einsatz beim Zustandekommen dieses ersten Föderalismuskonvents der deutschen Landesparlamente in der Hansestadt Lübeck zu danken.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Hätten wir nicht - wie der Kollege Klug sagt - den sturen Landtagspräsidenten, dann wäre es heute noch nicht so weit. Dank seiner und der vielfältigen Bemühungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird von Schleswig-Holstein Ende März hoffentlich ein wichtiges und gewichtiges Signal für den Erhalt und für die Stärkung des Föderalismus in Deutschland ausgehen.

Wir haben die Hintergründe zu diesem Föderalismuskonvent in Lübeck im Landtag schon mehrfach diskutiert. Aber im Grunde kann man sie auf eine ganz einfache Formel bringen: Der bundesstaatliche Föderalismus steckt in einer so starken Krise, dass ein Zusammenbruch droht, wenn nicht endlich gehandelt wird. Die Probleme, die eigentlich alle Bundesländer haben, reichen von der katastrophalen finanziellen Lage über das unübersichtliche Gesetzgebungs- und Finanzierungsgeflecht bis hin zu dem starken politischen Bedeutungsverlust, den die Landesparlamente in den letzten Jahrzehnten erlitten haben, weil sie

(Anke Spoorendonk)

viele Befugnisse an den Bund, an die Europäische Union, aber auch an die Landesregierungen abgeben mussten.

Diese Entwicklung, die ich hier nicht erneut im Detail darstellen möchte, hat dazu geführt, dass sich in allen Landesparlamenten das Bewusstsein entwickelt hat, dass wir jetzt gemeinsam handeln müssen, um den Föderalismus in Deutschland, der sich über Jahrzehnte durch seine regionale Identität und seine Bürgernähe bewährt hat, zu retten. Ich sage das bewusst so dramatisch, weil wir aus unserer Sicht Gefahr laufen, die einzelnen Länder und die Landesparlamente überflüssig zu machen, wenn wir unsere berechtigten Forderungen nicht schnellstmöglich in die Tat umsetzen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Der Föderalismuskonvent gibt dem wichtigsten Entscheidungsträgern der Landesparlamente ein Forum, sich mit einer gemeinsamen Position in die Debatte über die Zukunft des Föderalismus einzubringen, insbesondere vor dem Hintergrund der einschneidenden Veränderungen und Herausforderungen, die die aktuelle Krise der Bundesrepublik und auch die Reform der EU im Zeichen der Osterweiterung in naher Zukunft mit sich bringen werden. Dabei ist von großer Bedeutung, dass man in der Arbeitsgruppe, die den Konvent vorbereitet hat, fast einstimmig der Meinung war, der Konvent solle eine Entscheidung im Konsens aller Teilnehmer anstreben. Es ist wichtig, dass alle beteiligten Präsidentinnen und Präsidenten sowie Fraktionsvorsitzenden bei diesem ersten Konvent mit einer Stimme sprechen, um gegenüber der Öffentlichkeit und dem Bund sowie der EU ein starkes Signal der Landesparlamente zu senden.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordne- ten Martin Kayenburg [CDU])

Minderheitenvoten würden unserer gemeinsamen Sache bei diesem ersten Konvent nur schaden.

Eine Stärkung des Föderalismus oder eine Weiterentwicklung des Föderalismus heißt auch, dass die Landesparlamente ihre berechtigten Forderungen der Landesregierung gegenüber klar machen müssen - Forderungen der Mitbestimmung und der Mitberatung, etwa bei Bundesratsentscheidungen. Aber eines muss klar sein, die Landesregierungen und die Landesparlamente müssen an einem Strang ziehen, um gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union etwas erreichen zu können.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordne- ten Martin Kayenburg [CDU])

Unserem gemeinsamen Antrag ist der Entwurf der Resolution der deutschen Landesparlamente beigefügt. Dieser Entwurf ist ausführlich in der Arbeitsgruppe, die den Konvent vorbereitet, zwischen den Entscheidungsträgern diskutiert worden. Natürlich wurden es von den verschiedenen politischen Gruppierungen in Detailfragen durchaus unterschiedliche Akzente gesetzt. Der Kollege Hentschel hat schon ein Problemfeld angesprochen. So sprach sich zum Beispiel die FDP für einen verstärkten Wettbewerbsföderalismus aus. Letztlich war aber die überwiegende Mehrheit dafür, dass das Prinzip des solidarischen Wettbewerbsföderalismus mit entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen beizubehalten und auch durch den Auftrag des Grundgesetzes für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu sorgen, begründet ist.

Dennoch ist der vorliegende Entwurf meiner Meinung nach nicht der kleinstmögliche gemeinsame Nenner, sondern er macht deutlich, worum es den Landesparlamenten geht. Zum einen wird eine bessere Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union gefordert. Gerade in diesem Bereich haben die Länder durch den Übergang von Hoheitsrechten auf die Europäische Union einen großen Kompetenzverlust erlitten. Wer es ernst meint mit dem Subsidiaritätsprinzip, muss dieser Entwicklung Einhalt gebieten.

In diesem Zusammenhang begrüßt der SSW die Forderung, dass sich eine erweiterte Union auf die europäischen Kernaufgaben begrenzen muss. Dazu müssen endlich die Kompetenzen der EU erstarken und die der regionalen Gebietskörperschaften - einschließlich der Bundesländer - klar definiert und zugeordnet werden.

Zu einiger Diskussion hat jetzt die mit dem Entwurf in die Diskussion gebrachte Forderung geführt, dass man zur Kontrolle der künftigen Kompetenzordnung der EU eine so genannte Kompetenzkammer aus Mitgliedern der europäischen Parlamente sowie der nationalen und regionalen Parlamente einrichten will. Der SSW ist immer noch nicht ganz davon überzeugt, dass eine weitere institutionalisierte Einrichtung der richtige Weg ist. Man darf das - so könnte man es nennen - „bürokratische Monstrum“ EU nicht noch weiter mit neuen Institutionen füttern. Ich bin davon überzeugt, dass man dieses Frühwarnsystem auch anders etablieren könnte. Vielleicht kann dieser Teil des Entwurfs noch einmal im Laufe des Prozesses überdacht werden.

(Anke Spoorendonk)

Wichtig ist allerdings, dass die Landesparlamente zum frühestmöglichen Zeitpunkt über neue Entwicklungen in der EU informiert werden. Das gilt natürlich insbesondere dann, wenn Vorhaben im Rahmen der EU die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder wesentlich berühren. Auch eine Zustimmung der Landesparlamente bei der Abgabe von Hoheitsrechten des Bundes an die EU ist ein sinnvoller Schritt zur Stärkung des Föderalismus.