Auch sollten die Länder künftig eine eigene Steuerautonomie erhalten. Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, wirtschaftliche Gegebenheiten mit eigenen Regelungen auf Landesebene gestalten zu können.
Gleiches gilt für die Steuereinnahmen der Kommunen. In dieser Steuerautonomie liegt nämlich die große Chance des föderativen Systems.
Der nunmehr vorliegende Entwurf einer Resolution zur Stärkung der Landesparlamente greift diese Themen auf. Ich habe allerdings den Eindruck, dass wir hier mit unserem Beschluss vom 26. September 2001 in Teilen schon weiter und auch konkreter waren. Wir, die Vertreter des Schleswig-Holsteinischen Landtages, die im ersten Föderalismuskonvent vertreten sein werden, sollten auch in diesem Sinne mit mutigen Schritten eine nachhaltige Form des Föderalismus in Deutschland einleiten, wie wir es beschlossen haben.
Ich wünsche mir, dass der Konvent von Lübeck als Ausgangspunkt einer Wiedergeburt des deutschen Wettbewerbsföderalismus in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingeht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ahnungslose Zeitgenossen könnten meinen, bei unserer heutigen Diskussion ginge es um ein abstraktes politisches Seminarthema. In Wirklichkeit geht es aber um nichts anderes als um die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Mit einer Reform des deutschen Föderalismus wollen wir die heute bestehenden Politikblockaden aufbrechen. Eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesebene ist ein politischer Befreiungsschlag. Er sprengt die Fesseln, die in unserem Staat eine der wichtigsten Ursachen mangelnder Reformfähigkeit sind.
Viele Köche verderben den Brei - so lautet ein altes deutsches Sprichwort. Im föderalen System der Bundesrepublik gibt es lauter Küchenchefs, die in denselben Töpfen ihre Zutaten zusammenrühren. Bund, Länder und Kommunen teilen sich in viel zu vielen Bereichen die Zuständigkeiten. Jeder redet und bestimmt mit und gegenseitig hindert man sich daran, das Vernünftige und Notwendige zu tun. Abgesehen davon kostet die ganze Veranstaltung sehr viel Verwaltungsaufwand durch den Abstimmungsbedarf, der in vielen Bereichen da ist. Die Bürger blicken nicht mehr durch, wer eigentlich die Verantwortung trägt. Die Verantwortlichen ihrerseits zeigen mit dem Finger jeweils auf den anderen, der Bund auf die Länder, die Länder auf den Bund, die Kommunen auf Bund und Länder.
Deshalb tut eine Reform des Föderalismus not. Sie ist ohnehin notwendig, um die Versteinerung der innerdeutschen Verhältnisse aufzulösen. Sie ist künftig noch wichtiger, weil das Fortschreiten der europäischen Integration Deutschland vollends in die politische Erstarrung zu versetzen droht. Je öfter in Europa nämlich noch ein vierter Mitspieler, die EUEbene, hinzukommt, desto mehr läuft am Ende gar nichts mehr.
Nur eine radikale Abschaffung der gemeinsamen Zuständigkeiten und damit auch der Gemeinschaftsaufgaben und der Mischfinanzierungen hilft heute noch weiter. Das ist natürlich eine politische Herkulesaufgabe, aber es ist auch eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass dieses Land wieder politisch gestaltet werden kann. Es gilt, den Mitwirkungsföde
ralismus, in dem vor allem die Bürokratie auf den unterschiedlichen Ebenen miteinander Sackhüpfen spielt, durch einen Wettbewerbsföderalismus zu ersetzen, in dem die Politik wieder echte Gestaltungsspielräume erhält.
Ein schlauer Mensch hat einmal gesagt, Deutschland habe ein auf Konsens ausgerichtetes politisches System wie die Schweiz, aber eine auf Konflikt ausgerichtete politische Kultur wie England. Die heute in Deutschland existierende Form des Föderalismus - man nennt sie Mitwirkungs- oder Exekutivföderalismus - ist deshalb so stark auf Konsens ausgerichtet, weil seit der Gründung der Bundesrepublik durch diverse Verfassungsänderungen und durch die politische Praxis immer mehr gemischte Zuständigkeiten geschaffen worden sind. Zu Beginn der 50er-Jahre war nur etwa jedes zehnte Bundesgesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig; heute sind es etwa 60 % aller Bundesgesetze. Die Folgen kennen wir. Mal gibt es ein Geschacher und einen Kuhhandel zwischen den Regierungen von Bund und Ländern, mal wird gegenseitig abgeblockt, was das Zeug hält.
Dem Angewiesensein auf Kompromisse und politische Tauschgeschäfte steht nämlich eine politische Kultur gegenüber, in der hierzulande immer derjenige Punkte macht, der dem anderen zeigt, was eine Harke ist. An diesen Widersprüchen krankt die deutsche Politik und diese Krankheit gilt es zu überwinden.
Anfang Februar sind durch die Wahlen in Hessen und Niedersachsen die Verhältnisse im Bundesrat weiter zementiert worden. Im Vermittlungsausschuss gibt es nun ein Patt. Dies macht die Reform des deutschen Föderalismus eigentlich dringlicher denn je.
Ich sehe deshalb auch heute größere Chancen für eine Föderalismusreform, als es sie vorher jemals gegeben hat. Angesichts des Problemstaus und Handlungsdrucks in Deutschland ist nämlich das Interesse der Beteiligten, die Fesseln der überkommenen Ordnung abzustreifen, größer geworden, als es je zuvor der Fall gewesen ist.
In der Trennung der Aufgaben und damit in der eindeutigen Zuordnung von politischer Verantwortung liegt mehr als je zuvor eine große Chance, die deutsche Politik aus dem Jammertal zu befreien. Nur sehr naive politische Gemüter - Kollege Hentschel - können demgegenüber glauben, es sei ein sinnvollerer oder besserer Weg, erst einmal neue Landesgrenzen zu ziehen. Was würde uns ein Nordstaat, eine Art Meckvorschlespomburg denn in Wirklichkeit bringen? Eine solche Aktion wäre zuallererst ein gewaltiges Beschäftigungsprogramm für die Bürokratie.
Zuallererst würden sich nämlich die Ministerien und anderen Verwaltungen neu arrangieren, einrichten und übers Land verteilen.
„Gute Nacht Norddeutschland!“ kann man dazu nur sagen. Eine Reform des Föderalismus geht genau den entgegengesetzten Weg: Statt das Spielfeld für die Bürokratie neu zu sortieren, bringt sie eine Rückkehr zum Primat der Politik.
Die Politiker aller Ebenen haben dann nämlich keine Ausreden mehr. Sie können dann nicht mehr mit dem Finger auf die Kollegen der anderen Etage zeigen und diesen den schwarzen Peter zuschieben. Wenn klar ist, welche Ebene, Bund, Land, Kommune, die alleinige Zuständigkeit und damit auch die Handlungsmöglichkeit besitzt, wird die Zeit für Ausreden vorbei sein.
Zwischen den einzelnen Ländern bedeutet dies Wettbewerbsföderalismus. Im Verhältnis zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen bedeutet diese Reform das Ende von Verkrustungen und Blockaden. Das führt uns zurück zu handlungsfähigen Parlamenten nicht nur in den Ländern, sondern auch im Bund. Das muss man den Kollegen im Bundestag, die bei solchen Vorschlägen vielleicht ein bisschen skeptisch sind, ganz deutlich sagen.
Es ist das Verdienst der Landesparlamente und insbesondere unseres hartnäckigen Dithmarscher Landtagspräsidenten, dass die Diskussion über eine Reform der föderalen Ordnung in Deutschland jetzt neu in Schwung kommt. Mit dem Konvent der Präsidenten und der Fraktionsvorsitzenden der Landesparlamente, der Ende März in Lübeck zusammenkommen wird, sind wir in den Reihen der deutschen Verfassungsorgane die Ersten, die ein öffentliches Signal zu einem notwendigen Reformprozess setzen.
Alle anderen diskutieren über dieses Thema bislang nur hinter verschlossen Türen, wie es alter Brauch und alte Übung im deutschen Föderalismus ist.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die Einberufung des Föderalismuskonvents in Lübeck. Meine Fraktion unterstützt auch das Anliegen des Antrags, den Föderalismus zu stärken. Einig sind wir uns mit Ihnen, dass durch die Ausweitung der Bundesgesetzgebung der Spielraum der Landesparlamente eingeengt wurde und durch die Ausweitung der Kompetenzen der EU das Gleiche noch einmal geschieht.
Wer handlungsfähige Länder will, muss sich dagegen wehren. Deswegen hat sich meine Fraktion nach sehr kontroverser Debatte dazu entschlossen, den vorliegenden Antrag zu unterstützen.
Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich machen, dass wir an dem vorliegenden Antrag immer noch erhebliche Kritik haben
Der Antrag geht davon aus, dass die Länder immer schwächer werden. Das ist in der Tat nicht der Fall. Wer sich die bundesrepublikanische Szenerie in den letzten Jahrzehnten ansieht, stellt fest, dass die Bedeutung der Länder und insbesondere der Landesregierungen, über den Bundesrat Politik zu machen, eher ständig zugenommen hat. Es gibt eine Ausweitung der Politik der Länder über den Bundesrat. Sie mischen sich in fast alle Themen zunehmend über den Bundesrat in die Bundespolitik ein.
Wir haben gleichzeitig die Situation, dass die Landesparlamente an Gesetzgebungskompetenz verloren haben. Das heißt nicht, dass die Landesparlamente an Bedeutung verloren haben. Es gibt interessante Analysen darüber - ich habe das gerade gelesen -, dass die Landesparlamente neue politische Themen in der Regel mehrere Jahre vor dem Bund thematisieren, dass die Landesparlamente bei der Kontrolle der Regierungen eine sehr wichtige Bedeutung haben. Die Funktion der Landesparlamente steht nicht im Zweifel, wohl aber ihre Gesetzgebungskompetenz. Dort sind die Aufgaben der Landesparlamente zurückgegangen, und zwar insbesondere in einem Kernbereich, der Haushaltsgesetzgebung, dem Königsrecht der Parlamente. Dieses Recht ist eingeschränkt worden.
Damit komme ich zu den Konsequenzen. Geht es um die Forderung, dass die Landesparlamente mehr Rechte zur Einmischung auf Bundesebene und EUEbene haben sollen, wie es in diesem Antrag formuliert wird? - Ich denke, es geht nicht darum.
Wenn wir das nämlich fortsetzen, bedeutet das nur, dass wir die Blockadeinstrumente zwischen Bund und Ländern, die wir schon jetzt in der Politik haben, die wir tagtäglich im Bundesrat erleben, weiter ausgebaut werden und dass wir solche Blockadeinstrumente auch noch auf EU-Ebene einbauen. Das kann doch nicht unser Wille sein.
Es muss einen anderen Weg geben, um die Länder zu stärken. Dieser Weg muss sein: Wir müssen die Ebenen deutlicher trennen. Wir müssen mit der Mischfinanzierung aufhören,
damit, dass ein großer Teil des Landeshaushaltes durch Bundesmittel vorgegeben wird und wir nur noch kofinanzieren dürfen. Aufhören muss, dass für alles Mögliche gesetzgeberisch sowohl der Bund als auch die Länder zuständig sind, die sich gegenseitig kontrollieren und gegenseitig über den Bundesrat blockieren. Wir müssen einen eindeutigen Aufgabenkatalog für die EU haben. Wir müssen einen eindeutigen Aufgabenkatalog für den Bund und einen für die Länder haben, damit jede Ebene eigenverantwortlich und dem Bürger gegenüber verantwortlich eigenständig entscheiden kann.