Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Immer wieder wird in der öffentlichen Debatte über die wirtschaftliche Situation des Standortes Deutschland festgestellt, dass vor allem die lahmende Binnenkonjunktur gravierende Auswirkungen auf die

Zukunft der Unternehmen und Arbeitsplätze hat. Das heißt, dass wir auf der einen Seite dafür sorgen müssen, dass die privaten Haushalte und hier vor allem die ärmeren Schichten, deren Konsumquote sehr hoch ist, über ein entsprechendes Einkommen verfügen und auf der anderen Seite Anregungen zum Konsum gegeben werden. Was diese Anregungen angeht, kann der Gesetzgeber eigentlich nicht viel machen. Schließlich kann man den Unternehmen nicht vorschreiben, was sie produzieren sollen und wie sie es anbieten. Was der Gesetzgeber aber kann, ist, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Konsum leichter möglich wird. Die Liberalisierung des Ladenschlusses ist genau eine solche Möglichkeit, die der Gesetzgeber nutzen kann und muss. Wenn die Läden länger offen sind, entstehen mehr Möglichkeiten zum Konsum. Durch dieses Mehr an Möglichkeiten schaffen wir die Basis, Arbeitsplätze zu erhalten oder gar auszubauen. Mit einer einfachen Deregulierung können wir es schaffen, neben den bestehenden Arbeitsplätzen weitere zu schaffen. Ich stelle ausdrücklich fest, dass auch neue Teilzeitarbeitsplätze möglich werden, die wir auch immer einfordern. Die Menschen verstehen es nicht, wenn man an den alten engen Ladenöffnungszeiten weiter festhält. Auch Argumente wie das der erweiterten Arbeitszeiten und möglicher Schichtdienst, die sich nicht mit dem Familienleben vereinbaren lassen, ziehen nicht. Millionen von Menschen haben andere Arbeitszeiten als zwischen 8 Uhr und 16 Uhr. Alle diese Menschen werden dadurch nicht rechtlos. Natürlich besteht weiterhin eine Rahmengesetzgebung und oft auch eine Tarifbindung, die unverhältnismäßige Arbeitszeiten ausschließen. Alle diese Menschen sind gut damit klargekommen.

Wir haben uns aber auch überlegt, ob eine Liberalisierung des Ladenschlusses nicht gerade die kleinen Unternehmen besonders hart trifft. Aber bisher haben wir nur positive Rückmeldungen gehabt, wenn es um die Freigabe der Ladenöffnungszeiten ging. Gerade die kleineren Geschäfte sehen auch Chancen in der Flexibilisierung ihrer Öffnungszeiten,

(Beifall bei der FDP)

kann man sich doch so eher den Bedürfnissen seiner speziellen Kundschaft anpassen. Unsere Nachfragen bei Wirtschaftsorganisationen haben ergeben, dass die Freigabe des Ladenschlusses durchaus mit breiter Mehrheit begrüßt wird.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht vom Bundesverband des Deutschen Einzelhandels!)

(Lars Harms)

Wenn es also um die Aufhebung der Ladenöffnungszeiten an Werktagen geht, dann geht es vor allem um die Ausnahmeregelungen.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wi- derspruch bei der FDP)

Herr Kollege Hentschel, das sind eben Einzelstimmen., die mögen ja auch die Grünen stützen, aber die breite Masse sieht es eben anders.

Wenn es also um die Aufhebung der Ladenöffnungszeiten an Werktagen geht, geht es vor allem um Ausnahmeregelungen. Unter Punkt drei wird die wichtigste Ausnahmeregelung genannt: Die Bäderregelung hat sich in den touristischen Hochburgen und manchmal auch darüber hinaus zu einem wichtigen Standbein der regionalen Wirtschaft entwickelt.

(Beifall bei der FDP)

Diese Regelung würde bei einer völligen Aufhebung des Ladenschlussgesetzes gleich mit aufgehoben werden, es könnte also nicht mehr am Sonntag verkauft werden. Daher muss auf jeden Fall sichergestellt sein, egal wie die Regelung aussieht, dass die Bäderregelung als gesetzliche Regelung weiter bestehen bleibt.

In diesem Zusammenhang bitte ich auch daran zu denken – das ist die gleiche rechtliche Grundlage -, dass in Grenznähe zu Dänemark der Grenzhandel ebenfalls geöffnet ist, dessen Bestand nicht unmaßgeblich von der Sonntagsöffnung abhängig ist. Für diese Betriebe muss ebenfalls die Sonderregelung beibehalten werden.

Bei Punkt 2 des Antrages bin ich unsicher, was hiermit gemeint ist. Wenn gemeint ist, dass beide Länder, Hamburg und Schleswig-Holstein, einheitlich die völlige Freigabe des Ladenschlusses - wie in Punkt 1 gefordert - umsetzen sollen, glaube ich nicht, dass das ein großes Problem sein wird. Die schwarz-gelbe Regierung in Hamburg wird sicher ebenfalls für die völlige Liberalisierung sein. Wenn gemeint sein sollte, dass die konkreten Öffnungszeiten in der Metropolregion Hamburg gleich sein sollten und die Landesregierung hier regelnd eingreifen sollte, so meine ich, dass dies der Markt - sprich die Unternehmen - selber entscheiden können und müssen.

Als vierter Punkt wird gefordert, die bisherigen Regelungen für Sonn- und Feiertage beizubehalten. Dieser Forderung können wir uns anschließen. Trotzdem möchte ich nochmals darauf hinweisen, das möglicherweise dann nicht die Aufhebung des Ladenschlussgesetzes, sondern eine Novellierung ein besserer Weg wäre, die bisherigen Ausnahmeregelungen

abzusichern. In jedem Fall werden die Regelungen zum Ladenschluss modifiziert werden. Daher muss die Landesregierung - wie im Antrag gefordert - die notwendigen Vorbereitungen schnellstmöglich treffen.

Wir hätten auch heute schon gern über den Antrag abgestimmt und ihm dann auch zugestimmt, zumal wir - wie vorhin schon zitiert - 1998 schon einmal darüber abgestimmt haben und zu einem Beschluss gekommen sind. Wenn wir heute beschlossen hätten, hätten wir uns zu einem laufenden Verfahren auf Bundesebene geäußert. So hätten wir uns zumindest mittelbar mit unserem Einfluss bemerkbar gemacht. Wir hätten eine politische Aussage getroffen. Ich finde, das ist eigentlich die vornehmste Aufgabe eines Parlamentes.

(Beifall bei SSW, FDP und der Abgeordne- ten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Schon allein für unsere eigene parlamentarische Reputation - darauf stehen wir ja unheimlich - finde ich, hätten wir heute einen Beschluss herbeiführen sollen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Sozialministerin Moser.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine völlige Freigabe der Ladenschlusszeiten an Werktagen, ein prinzipieller Sonn- und Feiertagsschutz mit klar geregelten Ausnahmen - in welchem Gesetz auch immer - und den entsprechenden Anknüpfungspunkten für eine großzügige Bäderregelung, das entspricht der wiederholt und schon seit Jahren - wirklich seit Jahren! - erklärten Linie der Landesregierung.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß nicht, ob das jemand toppen kann, aber ich vertrete diese Forderung - dezidiert in der Zeitung „Die Zeit“ nachzulesen - seit 1995,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das stimmt!)

und zwar aus ordnungspolitischen und verbraucherpolitischen Gründen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Da waren Sie aber noch ganz allein!)

(Ministerin Heide Moser)

- Das stimmt. Aber es bewegt sich ja doch etwas!

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, das Thema hat im Rahmen der Deregulierungs- und Reformdebatte ideologisch einen etwas überhöhten Stellenwert.

(Beifall der Abgeordneten Bernd Schröder [SPD], Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wird fälschlicherweise an Arbeitnehmerschutzrechten festgemacht, die anderweitig geregelt sind und auch geregelt sein müssen. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Ich glaube, diese ideologische Überhöhung erklärt die Widerstände und die doch sehr kleinschrittige politische Willensbildung in diesem Feld.

Es ist momentan zu erwarten, dass der auf der Grundlage des Entwurfs der Bundesregierung erfolgte Gesetzesbeschluss des Bundestages ohne Änderung bestätigt wird. Das muss man realistischerweise hier auch einmal sagen. Denn im Einspruchverfahren wird die Kanzlermehrheit reichen, den Einspruch zurückzuweisen. Wir haben mit der Ausweitung der Sonnabendöffnung sicherlich nicht den großen Wurf, aber wir haben einen Schritt, und zwar in die richtige Richtung, getan. Das soll man dann auch nicht verkennen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sollte sich im anstehenden Vermittlungsverfahren doch noch eine realistische Chance für eine wirkliche bundesrechtliche Liberalisierung ergeben, dann werden wir uns selbstverständlich für sie einsetzen. Wir wissen uns da auf derselben Linie wie Hamburg. Sie wissen es, wir haben den hamburgischen Gesetzentwurf im Verfahren mitgetragen. Leider - ich bitte Sie, das auch einmal zu bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU - haben sich die CDUgeführten Länder eben nicht auf diesen hamburgischen Entwurf verständigen können. Wie man weiß, gibt es in Ihren Reihen auch Menschen, die sich scheuen, das Ladenschlussgesetz abzuschaffen beziehungsweise es wirklich zu liberalisieren. Deshalb hat man zur Krücke der Regionalisierung gegriffen, nach dem Motto: Dann darf es jeder so machen, wie er möchte, auch Bayern, das nicht für eine vollständige Liberalisierung ist, und andere CDU-Länder mehr. Sie werden dann Landesladenschlussgesetze mit dem

Effekt schaffen, dass wir einen bundesweiten Flickenteppich haben und in Grenzbereichen eine noch unklarere Rechtssituation als heute mit den vielen Ausnahmen. Davon halten wir wenig. Wir möchten eine bundesrechtliche Regelung. Sollte sich aber wider Erwarten dieser halbherzige Bundesratsbeschluss halten, sollte er wider Erwarten nicht vom Bundestag zurückgewiesen werden, dann werden wir natürlich hier in Schleswig-Holstein - und zwar in Abstimmung mit Hamburg - eine landesrechtliche Liberalisierung durchführen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Angeli- ka Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber ich bleibe dabei: Wir brauchen eine bundesrechtliche Deregulierung. Dazu sollten eigentlich auch alle CDU-regierten Länder den Mut haben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Roswitha Strauß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Moser! Ich teile auf der einen Seite Ihre Auffassung, auch uns wäre eine Bundesregelung selbstverständlich lieber.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auf der anderen Seite denke ich, wenn es eine Option gibt - das ist die Intention unseres Antrages -, zu einer Länderregelung zu kommen, müssen wir diese Chance auch nutzen. Sie haben das angekündigt, darüber habe ich mich gefreut.

Herr Eichstädt hat gesagt, dass die SPD das nicht will. Sie haben das nicht begründet, ich verstehe das nicht ganz. Denn eines müssen wir doch sehen: In diesem Zusammenhang wird immer angeführt, dass man überall einheitliche Öffnungszeiten haben müsse. Meine Damen und Herren, das haben wir schon heute nicht.

Es geht auch nicht darum, generell längere Öffnungszeiten zu schaffen. Es geht darum, den Unternehmern, den Marktteilnehmern, die Möglichkeit zu geben, das für sie optimale Zeitfenster ihrer Öffnungszeiten wählen zu können.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

(Roswitha Strauß)