Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Caroline Schwarz das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist, die Kulturwirtschaft in SchleswigHolstein führt ein Schattendasein. Das ist nicht nur in Schleswig-Holstein der Fall, aber es ist der Fall. Die wirtschaftliche Dimension des Kulturschaffens ist in Schleswig-Holstein bisher weder von der Öffentlichkeit noch von der Politik kaum berücksichtigt worden, weil sie nicht bekannt ist. Das muss man selbstkritisch sagen.
Dabei ist die Kulturwirtschaft in unserem Land von großer Bedeutung, vielleicht sogar von größerer Bedeutung als in anderen Bundesländern. Dies gilt, weil sie erhebliche Umsätze und Beschäftigungswirkungen erzielt, weil sie arbeits- und personalintensiv ist und einen großen Bedarf an Kreativität, Wissen und Qualifikation aufweist. In manchen Teilmärkten erfordert sie vergleichsweise geringe Investitionskosten zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, was eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist. Sie unterstützt die Imagebildung einer ganzen Region, eines ganzen Landes - unseres Landes - positiv und trägt zum Kulturtourismus bei. Den
ken wir nur an das Schleswig-Holsteinische Musikfestival und all das, was damit verbunden ist, wie zum Beispiel Übernachtungen und Gastronomie. Denken Sie auch an den Museumstag im Mai oder auch an das geplante Haus der Geschichte, von dem ich mir - neben allen anderen Vorteilen - auch große wirtschaftliche Impulse verspreche.
Darüber hinaus bestimmt Kultur auch die wirtschaftliche Qualität eines Standortes zumindest mit. Sie ist wesentliche Grundlage unternehmerischer Entscheidungen über Verbleib, Erweiterung und Ansiedlung. Auch das gehört zur wirtschaftlichen Dimension von Kultur. Die Kulturwirtschaft zählt heute mit ihren unterschiedlichen Teilmärkten zu den zukunftsorientierten Wirtschaftszweigen in Deutschland. In unserem Land mit seinen vielfältigen kulturellen Ressourcen gilt dies ganz besonders. Kultur ist nicht nur Sahnehäubchen, Kultur ist auch Wirtschaftskraft. Das dürfen wir nicht vergessen.
Es lohnt sich also, sich für eine positive Entwicklung der Kulturwirtschaft zu engagieren, wie andere Bundesländer - wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen - es bereits beispielhaft und beispielgebend massiv tun. Schleswig-Holstein liegt diesbezüglich noch in einem tiefen Dornröschenschlaf. Das darf nicht so bleiben. Wir wollen Schleswig-Holstein mit unserem Antrag aus diesem Dornröschenschlaf wecken, und zwar mit einem Kuss in Form unseres Antrags.
- Nehmen Sie es an! Die Kulturwirtschaft, insbesondere die lokale und regionale, verdient als ein wesentlicher und wachsender Bereich der Wirtschaft unsere Aufmerksamkeit und Förderung. Viel öfter als wir es glauben oder als wir es wahrnehmen, haben wir es mit Teilbereichen der Kulturwirtschaft zu tun. Wenn Sie für Ihren Sohn oder Ihre Tochter oder sich selbst eine Gitarre kaufen oder eine CD mit Gitarrenmusik, dann bringen Sie diesen Kauf sicherlich nicht sofort mit der Kulturindustrie in Verbindung. Gleiches gilt, wenn Sie sich für Ihr Hobby im Schreibwarengeschäft Leinwand und Farben kaufen. Der Besuch eines Rockkonzerts oder eines Orgelkonzerts in der Lübecker Marienkirche hat für die meisten vermutlich auch keinen direkten Bezug zu kulturwirtschaftlichen Aktivitäten. Dass mehr Menschen pro Jahr in ein Museum gehen als zu einem Fußballspiel, ist vielleicht auch nicht jedem bekannt, es zeigt aber die wirtschaftliche Reichweite von Kultur.
Es gibt viel Unwissenheit über die Zusammenhänge zwischen Kultur und Wirtschaft. Kulturwirtschaft hat im Gegensatz zur noch relativ jungen Umweltwirtschaft, an die bis vor einigen Jahren auch noch nicht alle glaubten, wie wir zugeben, bisher noch kein eigenes Profil. Daher wird sie auch kaum als eigenständiges Wirtschaftssegment wahrgenommen. Die Wirtschaftspolitik des Landes wird der Bedeutung dieser Branche ebenfalls kaum gerecht. Bei der Wirtschaftförderung dieser Landesregierung steht die Kulturförderung außen vor. Dabei ist Kulturförderung Wirtschaftsförderung. Kulturförderung und Wirtschaftsförderung sind keine Gegensätze. Sie widersprechen sich nicht, sondern sie gehören zusammen.
Es gibt also eine Menge an Informations-, Wissens- und Kommunikationsdefiziten über die Bedeutung der Kulturwirtschaft. Die Wachstums- und Beschäftigungspotenziale der Kulturwirtschaft in SchleswigHolstein sind noch nicht hinreichend bekannt. Deshalb ist eine Bestandsaufnahme der Entwicklung aller Teilbereiche der Kulturwirtschaft dringend erforderlich. Wir stellen daher heute den Antrag, einen ersten Kulturwirtschaftsbericht für Schleswig- Holstein vorzulegen.
Ich gehe davon aus, dass dieser Bericht für uns alle sehr aufschlussreich sein wird. Er wird uns die Augen öffnen, wie wichtig Kultur für die wirtschaftliche Prosperität unseres Landes sein kann und hoffentlich auch sein wird. Zum Antrag selbst sage ich: Wir haben uns in eher inoffiziellen Gesprächen an unüblichem Ort und zu unüblicher Zeit dahingehend geeinigt, dass die Terminvorgabe in unserem Antrag möglicherweise ein wenig zu eng ist. Darüber sollten wir reden. Ich hoffe, dass wir die Tagesordnung des Bildungsausschusses noch kurzfristig erweitern können, um dieses Thema möglichst im Laufe der nächsten Sitzung behandeln zu können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, wenn die CDU in der Einleitung ihres Antrags ausführt, Kultur schaffe Arbeit und Umsatz. Es ist richtig, dass es eine Kulturwirtschaft gibt, Kultur also wirtschaftlich von durchaus großer Bedeutung ist. Es
ist richtig, dass Nordrhein-Westfalen die Kulturwirtschaf zahlenmäßig sehr intensiv erfasst und aufbereitet hat. Ein Blick auf die entsprechenden Internetseiten, die Sie sich bei der Abfassung Ihres Antrags sicherlich angesehen haben werden, zeigt dies. Es ist demzufolge auch richtig, dass es eine enge Verknüpfung zwischen Kultur und Tourismus gibt. Es ist aber auch richtig, dass all dies keine Neuentdeckung ist und wir nicht auf den CDU-Antrag haben warten müssen, um all dies festzustellen.
„Die wirtschaftliche Dimension des Kulturschaffens ist in Schleswig-Holstein bisher nicht hinreichend erkannt und berücksichtigt worden.“
Dieser Satz ist aber nicht richtig, jedenfalls soweit es Landtag und Landesregierung anbelangt. Immerhin haben wir im Plenum häufig die enge Verknüpfung zwischen Kultur und Tourismus herausgestellt. Es geht da um die größte kulturelle Einzelförderung. Sie haben das selber erwähnt. Außerhalb der landeseigenen Institutionen geht es beispielsweise um das Schloss Gottorf. Das Schleswig-Holsteinische Musikfestival findet ja gerade unter diesem Aspekt statt. Die Regierung wird nicht müde, immer wieder auf die Verknüpfung zwischen Zuschuss einerseits und Förderung des Wirtschaftsstandorts SchleswigHolstein andererseits hinzuweisen, was ja auch richtig ist.
Im Landtag haben wir immer wieder auch über dieses Thema ausführlich diskutiert, beispielsweise in der Debatte über die Stärkung des Tourismusstandorts Schleswig-Holstein unter Berücksichtigung kultureller Angebote. Ich weise ausdrücklich daraufhin, dass unzählige Maßnahmen, die durch INTERREG-Mittel, durch LSE-Projekte und im Rahmen des Regionalprogramms gefördert wurden, immer wieder auch kulturelle Maßnahmen waren, bei denen gerade diese Verknüpfung zwischen Wirtschaft und Kultur für die Förderung den Ausschlag gegeben hat.
Es tut mir Leid, ich muss sagen: Weder die Regierung noch die Fraktion, noch ich persönlich brauchen hierzu einen Nachhilfeunterricht.
Trotzdem - ich will es nicht bestreiten - mag es richtig sein - es ist sicher auch so -, dass außerhalb dieses Hauses, also in Schleswig-Holstein, die hohe Bedeutung der Kulturwirtschaft möglicherweise nicht überall so bekannt ist, wie wir es alle wünschen. Sie sagen das auch in Ihrem Antrag, und insofern akzeptiere ist das. Das Zahlenmaterial, das wir aufgrund Ihres Antrags, dem wir zustimmen werden, haben,
wird uns allen, die wir Kulturpolitik betreiben, gute Argumente liefern. Damit können auch diejenigen Kritiker, die die Bedeutung der Kulturwirtschaft bisher verkannt haben, überzeugt werden, und zwar überall dort, wo wir unsere Argumente im Lande zu vertreten haben.
Dies legitimiert den CDU-Antrag. Er ist mit einer Menge an Arbeit für die Regierung, aber auch für Dritte - das dürfen wir nicht vergessen - verbunden. Es muss deswegen schon gute Gründe geben, ihnen diese Arbeit aufzubürden.
Wenn wir alle mit dem zu erarbeitenden Zahlenmaterial verantwortungsvoll umgehen und immer wieder für die Kultur auch als Wirtschaftsfaktor werben - bei Kongressen, Diskussionsveranstaltungen, Marktplatzgesprächen, bei Unternehmern und Gewerkschaften, in der Zeitung und auch in der eigenen Parteibasis -, dann mag der Auftrag gerechtfertigt sein, und wir hätten damit etwas für die Kultur getan. Für mich als Ausschussvorsitzenden wäre das eine Idee. Vielleicht könnten wir auch im Bildungsausschuss dieses Thema ähnlich wie bei dem Thema „Haus der Geschichte“ in einer eigenen Veranstaltung einmal aufgreifen. Denn mit einem solchen Antrag machen wir nicht nur anderen Arbeit, sondern wir müssen uns auch selbst verpflichten, dass diese Arbeit der anderen für die Politik in unserem Lande eine Auswirkung hat. Das sollten wir bei all den Anträgen, die wir häufig stellen und die mit Arbeit für andere verbunden ist, immer wieder bedenken.
Ich mache den Vorschlag, dass wir, wenn diese Daten und Fakten vorliegen, die Dinge im Ausschuss aufgreifen, und zwar vielleicht mit einer eigenen Veranstaltung.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag lenkt den Blick auf einen oft vernachlässigten Aspekt der Kultur-, aber auch der Wirtschaftspolitik, nämlich auf die Tatsache, dass Kultur auch ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges ist.
Diese Aussage lässt sich auf drei unterschiedlichen Ebenen untermauern: zum einen auf der Ebene der Standortqualität, zum zweiten auf der Ebene der Kulturwirtschaft im engeren Sinne, also in dem Bereich, mit dem sich der Antrag der Unionsfraktion vor allem befasst, drittens durch den Hinweis darauf, dass Kunst und Kultur Kreativität und Inspiration freisetzen, wodurch auch die Wirtschaft viele Anregungen erhält.
Bevor ich auf das eigentliche Thema, die Kulturwirtschaft, eingehe, möchte ich kurz zitieren, was Arend Oetker, der Vorsitzende des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im BDI, vor einiger Zeit in dem übergreifenden Sinne der Bedeutung der Kultur auch für die Wirtschaft gesagt hat. Ich zitiere:
„Sie ist Nährboden und Ausdrucksform zugleich für Verständigung untereinander, für Weltdeutungen und Zukunftsvisionen, eben auch in der Welt der Wirtschaft. Sie birgt das Potenzial, um überhaupt Vergleichsmaßstäbe herzustellen, um Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kunst zu gestalten und schließlich um Werte zu setzen, die Maßstäbe und Orientierung unserer individuellen und gesellschaftlichen Lebensplanung sind.“
Meine Damen und Herren, welches Potenzial die Kulturwirtschaft im engeren Sinne hat, wird aus folgenden Zahlen deutlich. Der Beitrag des Kultursektors zur Bruttowertschöpfung betrug in Deutschland 1999 mehr als 32 Milliarden €; das entspricht nahezu dem Beitrag der Energieversorgung und übersteigt jenen der Land- und Forstwirtschaft um gut 8 Milliarden €.
In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre lag das Wachstum des Kultursektors - auch das ist ein sehr wichtiger Punkt - mit 19 % mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahrfünft.
Noch deutlicher wird diese Entwicklung, wenn man die Zahl der Beschäftigten mit in den Blick nimmt. Diese Zahl stieg im Kultursektor einschließlich des Verlagsgewerbes von 1995 bis 2000 um 21 %, nämlich von 531.000 auf 642.000 Beschäftigte, während in der Gesamtwirtschaft die Beschäftigung in diesen fünf Jahren nur um 1,5 % gestiegen ist. Es handelt sich hier also wirklich um einen Wachstumsbereich.
Ich denke, diese Zahlen unterstreichen eindrucksvoll, dass es hier nicht um die vielzitierten Peanuts geht, sondern um einen sehr großen wirtschaftlichen Beitrag zum Wohlstand unseres Landes, um einen Beitrag, dessen Bedeutung stetig wächst. Das gilt natür
lich auch im internationalen Bereich. Man denke nur an den Beitrag der amerikanischen Unterhaltungsindustrie - Stichwort „Hollywood“ - zum Bruttoinlandsprodukt der USA.
Meine Damen und Herren, es ist ein verdienstvoller Ansatz, die Bedeutung, die der Kulturwirtschaft auch in unserem Land zukommt, stärker in das Blickfeld der Landespolitik zu rücken. In der Vergangenheit haben wir dieses Thema - da hat der Kollege Hielmcrone sicherlich Recht - vielfach gestreift, aber es ist nie systematisch aufgearbeitet worden. Wir haben zum Beispiel in der Debatte über die Entwicklung der Museen in Schleswig-Holstein - die Debatte haben wir im September 2001 geführt - darauf hingewiesen, dass mit mehr als 3 Millionen Besuchern in den vielen Museen, die wir in Schleswig-Holstein haben, ein erheblicher wirtschaftlicher Beitrag verbunden ist, und zwar neben dem Aspekt der kulturellen Bereicherung.
Die Abgabe eines Kulturwirtschaftsberichts, wie von der Union gefordert, erscheint uns Liberalen vor diesem Hintergrund zweckmäßig und hilfreich. Gewisse Bedenken könnte allerdings der schier unersättliche Statistikhunger hervorrufen, der die CDU, insbesondere unsere geschätzte Schleswiger Kollegin Caroline Schwarz, zu plagen scheint. Ich weiß nicht, ob die abgefragten Daten überhaupt alle verfügbar sind.
Angesichts verbreiteter Klagen gerade auch aus den Reihen der Wirtschaft über kostspielige Anforderungen an die Statistik möchte ich deshalb einen Vorschlag zur Güte unterbreiten, dem vielleicht auch die Union als Antragsteller folgen könnte. Könnte man nicht einvernehmlich auf der ersten Seite des Antrags in der letzten Zeile wenigstens die beiden Worte „nach Möglichkeit“ einfügen? Demnach würde die Landesregierung auf Seite 1 unten aufgefordert, einen Kulturwirtschaftsbericht abzugeben, „in dem nach Möglichkeit folgende Fragen beantwortet werden“. Danach folgt dann der Fragenkatalog. Diese Änderung würde mir die Zustimmung erleichtern.
Ich finde den Antrag im Prinzip gut. Aber man sollte diese kleine Sicherungsmaßnahme, was die Statistikanforderungen angeht, einbauen. Ich danke Ihnen schon jetzt, wenn Sie diesen konstruktiven Vorschlag aufnehmen. Dann können wir einvernehmlich vorgehen.