Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Ich frage mich wirklich, wo eigentlich Ihre Schamgrenze liegt. In dem Bericht führen Sie den Entwurf zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes an und sagen, dass in den Regionalplänen zwar die Vorranggebiete und die Vorbehaltsgebiete für Überschwemmungsgebiete festgelegt werden sollen. Dann sagen Sie: „Im Rahmen der künftigen Fortschreibung der Raumordnungspläne werden deshalb hierzu Gebietsausweisungen und textliche Festlegungen aufgenommen werden.“

Da frage ich mich: Wann soll das geschehen? Die meisten Raumordnungspläne sind relativ jung. Ich wäre Ihnen dankbar - das würde wohl viele Menschen beruhigen -, wenn Sie noch einmal nach vorn gingen und sagten, dass dies wirklich zeitnah gemacht wird.

Das Gleiche gilt für Ihre Aussagen zur kommunalen Bauleitplanung. Die Kommunen brauchen ganz klare, verlässliche Rahmenvorgaben der Landesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nachhaltiger Hochwasserschutz kann nur mit den Eigentümern der Flächen, mit der kommunalen Familie, insbesondere mit den Kreisen als untere Wasserbehörden und mit den Wasser- und Bodenverbänden gestaltet werden. Unsere Nachfragen haben ergeben, dass nach den Ereignissen des letzten Jahres hierzu leider keine speziellen Gespräche stattgefunden haben, weder mit den kommunalen Landesverbänden noch mit dem Landesverband der Wasser- und Bodenverbände Gespräche geführt worden sind.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Das kann ich nicht verstehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Stattdessen streiten Sie sich weiter mit den Kreisen über die Beteiligung bei der Umsetzung der EUWasserrahmenrichtlinie und das Umweltranking. Diese Kapitel gehören zu den Defiziten der Gegenwart.

Neben diesen Punkten gibt es eine Fülle von weiteren Fragen und Bewertungen. Angesichts der Ereignisse des letzten Sommers erscheint es mir geradezu paradox, wenn bei der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses Hochwasserabflüsse nicht mehr berücksichtigt werden. So ist es auf den Seiten 9

und 10 nachzulesen. Darüber sollten wir im Ausschuss reden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Unerhört!)

Für mich gehört auch die zentrale Frage dazu, wie wir zu einem sachgerechten, ausgewogenen Verhältnis von Wasserrückhaltung und ordnungsgemäßem Wasserabfluss kommen, sodass die Erfordernisse des Hochwasserschutzes und der notwendigen Binnenentwässerung wie auch die Ansprüche und Forderungen aus ökologischer Sicht erfüllt werden können.

Absolut unzureichend und unstrukturiert sind für mich die Angaben zu den Hilfen für Privatpersonen, Unternehmen, Verbände und betroffene Kommunen. Hier gibt es noch erheblichen Informationsbedarf.

Ich habe ganz konkret eine Frage zu den Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere der EU. Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Niedersachsen Hochwasserschutzmaßnahmen an der Elbe aus dem EU-Fonds „Aufbauhilfe Flut“ und damit zu 100 % mit EUMitteln finanzieren. Ich würde gern wissen, ob das stimmt und ob Sie selber sich um dieses Thema gekümmert haben.

(Zuruf von der CDU: Noch nicht!)

Angesichts der gestiegenen Kosten insbesondere bei uns unten in Lauenburg ist das eine ganz wichtige Frage.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Auch dieser Bericht macht die Stärke und die Schwäche dieser rot-grünen Landesregierung deutlich. Ihre Stärke: Sie können mit vielen Worten den Eindruck erwecken, dass Rot-Grün die Probleme des Landes tatkräftig und erfolgreich angeht.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Ihre Schwäche: Sie versagen immer dann, wenn es an die konkrete Umsetzung sogar Ihrer eigenen Gesetze, Konzepte und Programme geht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie beherrschen vielleicht das Wort und die PR-Gags, aber Sie versagen bei der konkreten Umsetzung. Darum bleibt es bei der Aussage: Zur Lösung der Probleme dieses Landes brauchen wir Taten, keine Sprüche und schon gar keine rot-grüne Ideologie. Ich be

(Herlich Marie Todsen-Reese)

antrage die Überweisung in den Umweltausschuss und in den Agrarausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Malerius das Wort.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verzweifelte Menschen, fortgespülte Deiche, zerstörte historische Innenstädte, Siedlungs- und landwirtschaftlich genutzte Flächen, die überflutet sind - die katastrophalen Ausmaße der Jahrhundertflut der Elbe im Sommer vergangenen Jahres haben uns schockartig erneut bewusst gemacht, wie wichtig der Hochwasserschutz ist.

(Beifall)

Schleswig-Holstein ist im Sommer letzten Jahres mit einem blauen Auge davon gekommen und trotzdem müssen wir neu nachdenken und alle Handlungsmöglichkeiten prüfen, denn eines scheint sicher: Das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Die Abstände zwischen extremen Hochwasserereignissen sind deutlich kürzer geworden. Klimaforscher haben ermittelt, dass dies mit der globalen Erwärmung durch den Ausstoß von Klimagasen zusammenhängt. Weitblickender Hochwasserschutz - und nicht nur kurzblickend, wie Sie es gemacht haben, Frau TodsenReese - heißt also auch Klimaschutz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Deshalb müssen schädliche Emissionen weiter reduziert, Energieeinsparungen, effizienter Energieeinsatz und erneuerbare Energien weiter gefördert werden.

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW])

Um wirksam zu sein, brauchen wir die Verantwortungspartnerschaft aller Akteure. Die Aufgabe der verschiedenen Akteure ist es, durch eine Steuerung der Flächennutzungen, der Infrastruktur und der Siedlungsentwicklung die Rückhalteräume für das Wasser zu vergrößern und vor allem die Schadenspotenziale zu vermindern. Wir können Hochwasser mindern helfen, wenn wir die natürlichen Funktionen des Wasserrückhaltes fördern. Wir brauchen Feuchtflächen in der Landschaft und müssen nicht jede Pfütze wegdrainieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nicht jeder Tropfen Wasser von Hof- und Dachflächen muss über Kanäle in das nächste Gewässer geleitet werden. Jeder Kubikmeter Wasser, der nicht sofort zum Abfluss kommt, ist ein Gewinn für den Wasserhaushalt, der uns auch beim Hochwasser entlastet. Die Unterstützung des natürlichen Wasserrückhaltes ist nicht als isoliertes Ziel des Hochwasserschutzes zu sehen, sondern als Teil eines flächenübergreifenden Flächen- und Gewässermanagements zur Bewahrung und Verbesserung der Umwelt insgesamt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine Damen und Herren, bei natürlichen Fließgewässern und ihren Auen ist die Speicherfähigkeit des Gewässernetzes gegenüber ausgebauten Gewässern wesentlich ausgeprägter. Die Fließgeschwindigkeit wird verlangsamt und damit der Hochwasserscheitel bei den Unterliegern gedämpft. Neben der Reduzierung der Hochwasserspitzen bewirkt der Hochwasserrückhalt in Gewässern und Auen eine Verbesserung des Wasserhaushaltes und die in vielen Fällen dringend notwendige Verbesserung der Lebensräume in Bächen und Flüssen.

Wir haben Milliardeninvestitionen für die Reinhaltung der Bäche und Flüsse ausgegeben. Es macht aber keinen Sinn, das mit großem Aufwand gereinigte Wasser in sterilen Abflussrinnen abzuleiten. Deshalb ist die Renaturierung der Fließgewässer ohnehin sinnvoll und nötig. Jede Maßnahme der Rückverlegung von Deichen, der Entsiegelung, der Versickerung, der standortgerechten Land- und Forstbewirtschaftung und der Gewässerrenaturierung ist zur Erhaltung der natürlichen Umweltressourcen notwendig und ist darüber hinaus ein Beitrag, negative Einflüsse des Menschen auf das Hochwasser wieder zurückzunehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schon immer hat der Mensch versucht, Hochwasser abzuwehren. In den großen Flussgebieten sind seit vielen Jahrhunderten Deiche und Dämme gebaut worden. Alle Deiche müssen als technische Bauwerke unterhalten werden. Gerade wegen der vergleichsweise seltenen Inanspruchnahme kommt dieser Unterhaltung eine besondere Bedeutung zu. Sie ist

(Wilhelm-Karl Malerius)

eine permanente Aufgabe und darf im Interesse der Sicherheit nicht vernachlässigt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schleswig-Holstein verfügt bereits über ein umfangreiches Regelwerk zur Hochwasservorsorge. Dazu gehören etwa das Wasserhaushaltsgesetz, das Raumordnungsgesetz und das Landeswassergesetz. Hinter den Deichen ist die Raumordnung von entscheidender Bedeutung. In deichgeschützten Gebieten muss die Siedlungstätigkeit durch die landes- und regionalplanerische Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten zum Hochwasserschutz gesteuert werden. Damit kommt den Kommunen eine große Verantwortung beim Hochwasserschutz zu.

Der vorliegende ausführliche und gute Bericht, für den ich mich im Namen der SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich bedanken möchte, zeigt große Chancen, aber auch Defizite auf und es liegt noch viel Arbeit vor allen Beteiligten, um den Gesamtplan Binnenhochwasserschutz und Hochwasserrückhalt zu erstellen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der Schlüssel zur Begrenzung von Hochwasserschäden liegt im Zusammenwirken von staatlicher Vorsorge und eigenverantwortlichem Handeln des Einzelnen. Wer den Einzelnen gänzlich aus seinem Teil der Verantwortung entlässt und allein den Staat für die Hochwasserproblematik verantwortlich erklärt, legt nur den Grundstein für noch größere Hochwasserschäden in der Zukunft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Claus Hopp [CDU])

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hildebrand.