Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Resolution von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Hochwasser in Schleswig-Holstein, auf der auch der vorliegende Bericht der Landesregierung zum Hochwasserschutz im Lande fußt, ließ bereits nichts Gutes erwarten. Insofern ist es nur konsequent, was uns die rot-grüne Landesregierung heute auf fast 100 Seiten präsentiert.

Die Mühe, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ministerium und Verwaltung mit dem auftragsgemäßen Zusammentragen der vielen Informationen hat

ten, erkenne ich dabei durchaus an und danke ihnen dafür. Das meiste hat als Hintergrundinformation zum - ohne Frage - großen Thema Hochwasser und Hochwasserschutz sicherlich auch seine Berechtigung. Nur habe ich mich nach dem Durchlesen des Berichts ernsthaft gefragt, ob sich die Verantwortlichen in der rot-grünen Landesregierung auch trauen würden, diesen Bericht den durch das Hochwasser unmittelbar Betroffenen vorzulegen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Herlich Marie Todsen- Reese [CDU])

Ich behaupte, nein. Denn das, was hier auf knapp 100 Seiten zusammengetragen ist, gleicht eher einem Besinnungsaufsatz.

(Beifall bei der FDP)

Die konkrete Darstellung von Konsequenzen für den Hochwasserschutz ist weitgehend Fehlanzeige. Dabei las sich die Zusammenfassung des Berichts noch ganz viel versprechend. Leider hat der weitere Text diesen Eindruck nicht bestätigt.

Natürlich ist es auch auf dem Gebiet des Hochwasserschutzes wichtig, über die rechtlichen Grundlagen informiert zu sein. Sie sind für Schleswig-Holstein sehr kompliziert und meine Kollegin Frau Dr. Happach-Kasan hat deshalb auch bereits eindeutigere Regelungen, beispielsweise für die Finanzierung der Deichbaumaßnahmen, vorgeschlagen.

(Beifall bei der FDP)

Die Landesregierung äußert sich hierzu nicht.

Auch die in Kapitel 4 dargestellten Auswirkungen der laufenden Programme der Landesregierung auf den Gewässer-, Natur- und Klimaschutz habe ich mit Interesse gelesen, zum Beispiel auf welch vielfältige Weise die Schäden durch Stoffausträge bei Hochwasserereignissen reduziert werden können. Eine interessante Information, nur, die Qualität des Hochwassers im Juli und August 2002 war nicht das Problem, sondern die Quantität.

Bemerkenswert auch der Hinweis der Landesregierung, dass unter anderem durch Neuwaldbildung zugleich ein Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet wird. Ich frage, warum die Landesregierung dann die Gelder für die Neuwaldbildung so drastisch kürzt.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Im Übrigen stellt in diesem Hause niemand infrage, dass beispielsweise weniger Versiegelung der Flächen, weniger CO2-Ausstoß oder natürlichere Flussläufe geeignete Maßnahmen für den Natur- und

(Günther Hildebrand)

Umweltschutz im Allgemeinen und für den Hochwasserschutz im Besonderen darstellen. Nur, die Diskussion um den globalen Umweltschutz darf nicht den Blick auf die lokal erforderlichen Maßnahmen verstellen.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Leider versteckt sich Rot-Grün genau hinter dieser Diskussion. Dabei hatten die Regierungsfraktionen in der erwähnten Resolution ausdrücklich bekräftigt, dass der Schutz des Menschen mit seinem Hab und Gut auch zukünftig beim Hochwasserschutz absolute Priorität haben wird. Dem stimme ich ohne Wenn und Aber zu. Nur, was hat ein von der Hochwasserkatastrophe Betroffener von dieser Aussage zu halten, wenn die Landesregierung als kurzfristige Maßnahme für den Hochwasserschutz primär darauf verweist, dass sie die Absichtserklärungen des Bundes begrüßt, beispielsweise den Flüssen ihre natürlichen Überschwemmungsflächen zurückzugeben, zu renaturieren und die Entwicklungsbereiche für Siedlungszwecke und gewerbliche Nutzung auf ihre Hochwasserkompatibilität zu überprüfen? Sein Haus und sein Betrieb stehen beziehungsweise standen doch bereits in diesem Hochwassergebiet.

Wer die Menschen und ihr Hab und Gut in Hochwassergebieten heute schützen will, muss auch heute handeln, denn die nächste Hochwasserwelle kommt bestimmt. Der Bericht der Landesregierung weist nachdrücklich darauf hin. Bis dahin wird der Beschluss der Landesregierung zur Verstärkung des Elbdeiches bei Lauenburg, für den die FDP immerhin seit 1997 beharrlich gestritten hat, hoffentlich umgesetzt sein.

Vorbeugender Hochwasserschutz, wie es die Landesregierung in ihrem Bericht so gern betont, heißt nämlich, vorausschauend und rechtzeitig zu handeln und den Ereignissen nicht immer nur hinterherzulaufen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon erstaunt, wie viel parteipolitischen Hickhack Sie in der Lage sind an dieser Frage zu entfalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] - Zurufe von der CDU)

Für die bedauerlichen Schäden des Hochwassers hat mal wieder Rot-Grün in Reinkultur die alleinige Schuld zu übernehmen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das hat doch niemand gesagt! - Zuruf der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP])

- Herr Hildebrand, gerade in Ihrem Beitrag! Ich frage mich manchmal, was ist Ihr Standpunkt in der Debatte, wenn es darum geht, ob wir die Strategie der weiteren Deicherhöhung mit Eindeichung fahren sollen oder ob wir Retentions- und Wasserplatzflächen, also Überflutungsräume, schaffen sollen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Wer hat denn das Gewerbegebiet in Lauenburg geneh- migt?)

Ich möchte gern wissen, wie sich die FDP hierzu positioniert.

Meine Damen und Herren, das Wichtigste und Aktuellste vorweg: Minister Trittin hat dem Bundestag gestern einen Gesetzentwurf für ein Artikelgesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vorgestellt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darin sind Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz, im Baugesetzbuch, im Raumordnungsgesetz, im Bundeswasserstraßengesetz und im Gesetz über den Deutschen Wetterdienst vorgesehen. Damit werden die Grundsätze, die schon im gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen im Landtag Schleswig-Holstein zum Ausdruck gebracht wurden, und der Politik der Landesregierung entschlossen in die Tat umgesetzt: Bund und Land Hand in Hand zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. In dem zukünftigen Bundesgesetz wird das Bemessungshochwasser von HQ 100 zugrunde gelegt, also das angeblich so seltene Jahrhundertereignis wird in der Zukunft Grundlage der Dimensionierung wasserbaulicher Maßnahmen. Das ist ehrgeizig, aber wie wir gelernt haben, angemessen und notwendig.

Wir müssen damit rechnen, dass Hochwasserereignisse und extreme Wetterlagen in Zukunft zunehmen. Das ist eine Folge der anthropogenen Klimabeeinflussung durch die so genannten Treibhausgase, allen voran CO2, das 82 % der deutschen Treibhausgase darstellt. Klimaschutz ist also die kausalste Strategie, um der Hochwassergefahr vorzubeugen. Daher gibt

(Detlef Matthiessen)

es auf allen Ebenen Bemühungen, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu reduzieren. Dazu gehören die Kyoto-Folgekonferenzen

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

und dazu gehören die Vorgaben der EU, mit der eine acht-prozentige CO2-Reduktion bis zum Jahr 2012 angestrebt wird. Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2005 25 % einzusparen.

Dazu gehört aber auch die Klimaschutzpolitik hier in Schleswig-Holstein. Dabei spielt der Umbau der Energiewirtschaft eine wesentliche Rolle. So fordert die EU-Direktive 9/2001 beispielsweise 12 % erneuerbaren Anteil der Energieträger bis 2010. Deutschland hat sich auf 12,5 % festgelegt, was eine Verdoppelung bedeutet. Schleswig-Holstein leistet dazu wesentliche und weit überproportionale Beiträge.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Die Nachhaltigkeitsszenarien gehen von 20prozentiger CO2-Minderung bis zum Jahr 2020 und von einer 50-prozentigen bis 2050 aus. Die Enquetekommission Klimaschutz des Deutschen Bundestages hat im vergangenen Jahr ihr Ergebnis vorgelegt, mit dem sie sich auf die Notwendigkeit und Durchführbarkeit eines 80-prozentigen Reduktionszieles bis 2050 festgelegt hat - das übrigens mit allen Parteien. Das ist ein sehr bedeutsamer Beschluss, auch wenn der Kollege Grill von der CDU ein anderes Szenario zur Erreichung dieses Ziels festgelegt hat. Aber alle haben parteiübergreifend in Wissenschaft und Politik erkannt, dass wir unsere CO2-Reduktion um 80 % bis 2050 erreichen müssen. Ich finde, das ist ein sehr bedeutsamer und parteiübergreifender Fortschritt.

Meine Damen und Herren, das letzte Hochwasser hat 21 Tote gefordert und Kosten im zweistelligen Milliardenbereich verursacht. Das können wir durch eine konsequent geänderte Politik in der Zukunft mildern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viel zu wenig beachtet worden ist aber, dass die Wetterextreme des vergangenen Jahres zu Ernteschäden von 10 beziehungsweise 20 % geführt haben, und das bei unserer hoch entwickelten Landbautechnik hier in Schleswig-Holstein. Das ist eine Folge der Klimaveränderung und kaum in den Griff zu bekommen. Mir jedenfalls fällt nichts ein, was man in der Politik machen könnte.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

- Okay, die Sortenentwicklung. Vielleicht kann man da etwas machen, aber im Grunde ist es über uns gekommen und man war da völlig wehrlos. Das Konzept, das wir hier diskutieren, beschäftigt sich in erster Linie mit Maßnahmen gegen die Wassermassen, hier können wir sicherlich etwas abmildern und verbessern. Aber die landwirtschaftlichen Schäden, mit denen wir selbst bei uns, in unserer entwickelten Landwirtschaft, zu rechnen haben - ich will gar nicht von den weniger entwickelten Landwirtschaften reden, die sehr viel stärker unter den Klimafolgen leiden -, ist eine Sache, die mich wirklich sehr berührt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja. Klimaschutz ist eine langfristige Aufgabe. Dazu gehören mittel- und kurzfristige Maßnahmen. Der Bericht legt mit Akribie dar, welche Möglichkeiten sich ergeben.

Ich bedanke mich noch einmal für diesen ausführlichen Bericht beim Ministerium und bei der Verwaltung. Ich fand ihn sehr informativ. Obwohl wir die gesetzgebende Körperschaft sind, finde ich es immer wieder gut, wenn man durch Berichte noch einmal in die gesetzlichen Grundlagen eingeführt wird.

Ich bin sicher, dass wir mit dem Bund zusammen hier große Fortschritte erzielen können. Ich sage aber auch, der Klimaschutz ist ein Thema, das uns noch sehr, sehr lange beschäftigen wird. Wir können das nur mildern, die Folgen für die Landwirtschaft werden gravierend bleiben. Dazu fällt mir tatsächlich wenig ein.