Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Uns hat die Nachricht erreicht, dass heute Vormittag in Ungarn ein Bus mit 38 Urlaubern verunglückt ist, davon 25 aus Schleswig-Holstein. Es hat zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Diese Nachricht macht uns traurig, sie bestürzt uns und sie macht uns betroffen. Wir trauern um die Opfer und empfinden Anteilnahme mit den Angehörigen. Wir hoffen, dass es den Verletzten bald besser gehen wird und gedenken der Opfer.

Sie haben sich von den Plätzen erhoben, ich danke Ihnen.

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung für diesen sehr umfassenden und ausführlichen Umweltzustandsbericht danken.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Lars Harms)

Auch wenn wir bereits in dieser Legislaturperiode eine Vielzahl der im Bericht behandelten Themen hier im Landtag diskutiert haben, möchte ich festhalten, dass es wohl seit dem Bericht zur Lage von Natur und Umwelt in Schleswig-Holstein von 1995 der erste umfangreiche Umweltzustandsbericht für Schleswig-Holstein ist. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich der Auffassung bin, dass dieser Bericht durchaus Sinn machen kann, um Einblicke in die verschiedensten Umweltbereiche und - strategien des Landes zu bekommen. Doch ich habe mich auch gefragt, welche politischen Ziele die CDU mit diesem umfangreichen Berichtsantrag verfolgt. Wollte sie die Landesregierung nur vorführen, oder haben der CDUFraktion die bisherigen Berichte, die Großen Anfragen, Broschüren und anderen Informationsquellen der Landesregierung zu den verschiedensten Umweltthemen nicht gereicht? Ich verweise zum Beispiel auf all das, was im „InfoNet-Umwelt“ im Internet abrufbar ist. Aus einer Darstellung des Umweltzustandes kann man eigentlich nur zwei Schlüsse ziehen: Erstens, die Bilanz ist negativ, dann muss man mehr für den Umweltschutz tun und Nutzungseinschränkungen fordern. Das ist aber in der Vergangenheit nicht unbedingt das Ziel der CDU gewesen, wie wir auch gestern wieder bei der Debatte zum Landesartikelgesetz hören konnten. Der zweite Schluss wäre, dass es um den Umweltschutz gut steht, dann ist die Landesregierung zu loben. Aber auch das ist nicht im Interesse der CDU. Ich möchte das hiermit aber gleichzeitig tun, denn das ist der Fall.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politisch gesehen muss es eigentlich unser Ziel sein, bestimmte Fehlentwicklungen aufzuzeigen und diese dann zu korrigieren. Das hätte man auch an Hand der einzelnen vorliegenden Berichte, Anfragen und anderen Informationen tun können und das wird zum Teil auch getan. Ich sage das, weil ich weiß, welche enorme Arbeit hinter einem solch umfangreichen Bericht steht. Und einen solchen sollte man dann auch nur veranlassen, wenn es unbedingt nötig ist.

Nichtsdestotrotz bin ich der Auffassung, dass der jetzt vorliegende Umweltzustandsbericht ein Instrument sein kann, um Einblick in den Stand der Umwelt zu bekommen und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten wir haben, um unsere Umwelt zu erhalten und sie wenn nötig wieder herzustellen. Hier kommt insbesondere der Fülle der gesammelten Umweltdaten eine besondere Rolle zu, denn gerade so sind die kompletten Umweltzusammenhänge zu erkennen, aus denen sich Rückschlüsse ziehen lassen, um daraus

dann auch politische Konsequenzen ziehen zu können.

Umweltprobleme lassen sich nur dann wirklich lösen, wenn wir eine integrierte und übergeordnete Herangehensweise haben. Das macht gerade auch der Bericht deutlich.

(Beifall bei SSW und SPD)

Auch wen wir als Land in vielen rechtlichen Bereichen nur im Rahmen von bestehenden Bundes- und EU-Regelungen handeln können, haben bestehende Umweltgesetze und Verordnungen bereits in vielerlei Hinsicht zur Verbesserung von Natur und Umwelt geführt.

Das ist unbestritten. Aber gerade auch die rechtlichen Folgeregelungen, die auf Landesebene beschlossen wurden, haben zu diesen Verbesserungen beigetragen. Das Land Schleswig-Holstein hat in der rechtlichen Umsetzung von Naturschutzvorschriften eine Vorreiterrolle gespielt und spielt sie noch, wie wir ebenfalls gestern bei der Debatte zum LandesArtikelgesetz gesehen haben.

Nun aber zu einigen konkreten Themen. Auch wenn aus dem Bericht hervorgeht, dass Schadstoffeinträge mittlerweile geringer geworden sind und die Belastung von Wasser, Luft und Boden zurückgegangen ist, heißt das für uns noch nicht, dass wir jetzt nachlassen dürfen, nur weil wir erkennen, dass wir mit unserer Umweltpolitik Erfolge erzielt haben. Denn ebenso macht der Bericht deutlich, dass Umweltprobleme in anderen Bereichen zugenommen haben oder sogar neue entstanden sind.

Ich möchte hier kurz auf einige Beispiele eingehen, die belegen, dass wir mit unserer bisherigen Umweltpolitik durchaus auf dem richtigen Weg sind.

Betrachten wir die Situation unserer Gewässer, so wird deutlich, dass sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren die Nährstoffeinträge an zahlreichen Gewässern aufgrund verbesserter Klärtechnik verringert haben. Doch immer noch stellt die durch den Menschen bedingte Überversorgung mit Nährstoffen ein Problem dar. Aber um jetzt eine einheitliche Grundlage für eine zukunftsfähige und nachhaltige Wasserwirtschaft zu schaffen, hat die EU die Wasserrahmenrichtlinie erlassen. Diese Richtlinie zielt darauf ab, bis 2015 die europäischen Gewässer – vom Grundwasser bis hin zu Küstengewässern – in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Dafür sind sie naturnah zu gestalten und gefährliche Stoffe sind fernzuhalten. Schleswig-Holstein hat mit seinem bestehenden Fließgewässerprogramm, dem Seenschutzprogramm und den wasserrechtlichen Vorschriften

(Lars Harms)

bereits gute Instrumente, um diese europäische Herausforderung anzunehmen. Wir werden im Juni entsprechende gesetzliche Regelungen beschließen, die das verstärken werden. Auch da sind wir in Schleswig-Holstein ein Vorreiter und anderen Ländern weit voraus.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Sauerstoffmangel in der Ostsee im letzten Jahr hat aber deutlich gemacht, dass die bestehenden Maßnahmen noch nicht ausreichen. So trägt immer noch neben einer Reihe natürlicher Faktoren der Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft maßgeblich zur Verschlechterung in der Ostsee bei. Hier unterstützt der SSW die Landesregierung, die eine Weiterentwicklung der ordnungsgemäßen Landwirtschaft – im Sinne der guten fachlichen Praxis – fordert. Gleichzeitig muss man auch weiterhin über Extensivierungsmaßnahmen gemeinsam mit allen Beteiligten nachdenken. Die Bildung von Biotopverbundsystemen und die entsprechende naturschutzfachliche Planung auf Landes-, Regional- und Kommunalebene sind hier genau der richtige Weg.

Der Bericht bietet eine Gesamtdarstellung des Umweltzustandes und seiner Entwicklung in SchleswigHolstein. Er vermittelt auf der Grundlage der seit Jahren erhobenen Daten zur Umwelt ein umfassendes Bild der Umweltsituation in Schleswig-Holstein, der Erfolge der Umweltpolitik sowie des weiteren Handlungsbedarfs. Allerdings – das muss ich sagen – sind die einzelnen Informationen nicht neu. Wir hatten sie schon vorher. Bitte verstehen Sie das nicht als Kritik. Denn politisch bietet der Bericht deshalb nichts Neues, was aber eindeutig an der zugrunde liegenden Fragestellung durch die CDU liegt. Das Einzige, was bleibt, ist der Dank an die Landesregierung für die fortschrittliche und vorausschauende Umweltpolitik in Schleswig-Holstein. Denn diese wird durch den Bericht besonders deutlich.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Harms, ich freue mich, dass zumindest der Minister den Wert unseres Antrags erkannt und sich ausdrücklich dafür bedankt hat. Sie haben es

offensichtlich nicht begriffen. Das tut mir Leid. Wir können damit aber leben.

Der Hauptgrund, warum ich mich nochmals zu Wort gemeldet habe, sind ein paar Äußerungen, die nach wie vor einfach nicht korrekt sind. Herr Nabel, Sie haben gesagt, um ein Haar wären Sie nach vorne gegangen, um mich gegen die Angriffe des Kollegen Matthiessen zu verteidigen. Es ist schade, dass Sie das nicht getan haben, aber ich kann das auch gut selber.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Herr Matthiessen, ich will Ihnen aus der Seite 130 des Berichts zitieren:

„Ein wesentlicher Beitrag zur Zunahme der Luftschadstoffe in Innenräumen kam dadurch zustande, dass etwa ab Mitte der 70er Jahre im Zuge von Energiesparmaßnahmen eine große Zahl synthetischer Baumaterialien zu Isolierungszwecken zur Anwendung kamen …“

Dann kommen noch die Thermopenfenster. Ich würde Ihnen empfehlen: Lesen Sie alles und nicht selektiv, bevor Sie so etwas sagen. Wir werden im Protokoll nachlesen können, dass ich in diesem Zusammenhang nichts von Schimmelpilzen gesagt habe. Die spielen bei Umwelterkrankungen ausweislich dieses Berichtes natürlich auch eine große Rolle. Aber ich finde es einfach nicht in Ordnung, dass Sie nur halb hinhören. Ich weiß nicht, was für ein Chaos in Ihrem Kopf herrscht, dass Sie hinterher zu solchen Angriffen kommen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schimmelpilze!)

Das finde ich bedauerlich. Das brauchen wir in Zukunft nicht. Ich möchte mich gern mit Ihnen in einem sachlichen Ton auseinander setzen. Vielleicht kommen wir noch dazu.

Ich möchte noch das Thema Vertragsnaturschutz ansprechen, weil Sie das vorhin so lobend erwähnt haben. Lieber Herr Matthiessen, da haben Sie sich aus der Liste, die komplett und ordnungsgemäß im Bericht abgedruckt ist, nur einen Punkt herausgenommen. Aber entscheidend ist der Vergleich, ist die Relation. 1988 hatten wir 3.747 Verträge für 25.000 Hektar und 5,5 Millionen €. Im Jahre 2001 hatten wir den Absturz: nur noch 895 Verträge auf 7.216 Hektar für 1,8 Millionen €. Das ist die ganze Wahrheit. Der Vertragsnaturschutz hat bei Rot-Grün keine Konjunktur. Er ist drastisch zurückgefahren worden. Dann macht man die Vorwürfe immer nur und sehr einseitig an die Landwirtschaft, lieber Herr Kollege Nabel, ohne wirkliche Lösungsansätze auf

(Herlich Marie Todsen-Reese)

den Tisch zu legen. Das Instrument, das sich wirklich dazu eignet, um mit der Landwirtschaft in vernünftige Gespräche zu kommen, haben Sie in Ihrer Zeit systematisch zurückgefahren. Das ist ausweislich dieses Berichtes ganz eindeutig der Fall.

Lieber Herr Matthiessen, wenn Sie sagen, dass der Vertragsnaturschutz gegenüber dem Flächenankauf ökonomisch nachteilig ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Da hat vorhin der Volkswirt Minister Müller den Kopf geschüttelt. So habe ich es wahrgenommen. Ich denke, es lohnt sich, dazu in Zukunft Berechnungen anzustellen.

Ein letztes Wort zum Thema Abfallwirtschaft, lieber Herr Kollege Nabel. Wir sind als Opposition nicht dazu da, Kuschelrunden zu fahren. Bei der Abfallwirtschaft haben Sie gesagt, es gebe keinen Entsorgungsengpass. Aber es gibt die große Sorge bei den Kommunen, wie sie bis 2005 ihre Deponien, die ihr überwiegend von der Landesregierung aufs Auge gedrückt worden sind, finanziell anständig und wirtschaftlich fahren sollen.

(Konrad Nabel [SPD]: Die haben gepennt! Das ist alles!)

Sie haben nämlich keine Kapazitäten für den Abfall ab 2005. Dass Sie jetzt dazwischenschreien, zeigt, wie deutlich ich an die Wahrheit herankomme. Hier liegen die Probleme, zu denen Sie noch Antworten auf den Tisch legen müssen.

Ich will gerne noch das Thema Wald aufnehmen, lieber Herr Kollege Hildebrand. Da hatten Sie natürlich völlig Recht. Es zeigt an dieser Stelle, wie doppelzüngig die Umweltpolitik der Landesregierung ist. Auf der einen Seite wird der Wald hochgehalten und auf der anderen Seite werden die Finanzmittel für die Neuwaldbildung gekürzt oder gestrichen. Das ist die ganze Wahrheit.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Darum ist Rot-Grün eben nicht die richtige Alternative für dieses Land.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wundert uns jetzt!)

Bitte beachten Sie die Redezeit. Sie liegen schon darüber.

Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. - Schleswig-Holstein ist bei Rot-Grün eben nicht in guten, sondern in schlechten Händen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Müller. Ich weise darauf hin, dass Ihre Restredezeit zwei Minuten beträgt.

Die werde ich nicht ausschöpfen müssen, Herr Präsident.