Erneut versuchen Sie nämlich, die Öffentlichkeit über die tatsächliche wirtschaftliche Lage zu täuschen. Selbst für Ihre Förderpolitik skizzieren Sie das Bild von der heilen Welt des Hightechlandes SchleswigHolstein. Dabei gibt es allerdings ein Problem: Nach meiner Kenntnis hat die Wirtschaft selbst offenbar noch gar nicht erkannt, wie gut es ihr geht; denn laut Frühjahrsumfrage der Vereinigung der schleswigholsteinischen Industrie- und Handelskammern schätzen über 43 % der Unternehmen ihre Lage als schlecht ein. Fast alle Wirtschaftsbereiche sind von dieser trüben Stimmung erfasst. Sogar 49 % der Unternehmen gehen davon aus, dass die Situation im Laufe des Jahres noch schlechter wird, dass sie für die Unternehmen schlimmer wird, und Mutlosigkeit und Stillstand sind kennzeichnend für die Situation. Das ist das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik hier im Land, Frau Simonis.
Was ist eigentlich aus der viel beschworenen Deregulierung für unsere Wirtschaft geworden? Was hat die rot-grüne Bundesregierung an zusätzlichen Gesetzen - man mag es gar nicht sagen - geschafft und was hat Hessen immerhin in vier Jahren abgeschafft? - 39 % aller Verwaltungsvorschriften, 15 % aller Rechtsverordnungen. Das heißt, damit sind 3.900 Gesetze und Verordnungen in Hessen außer Kraft gesetzt worden.
Auf dem Arbeitsmarkt haben wir die schlimmste Situation seit Kriegsende. Ende Mai waren rund 17.000 Menschen mehr arbeitslos als im Vorjahresmonat. Das entspricht einem Anstieg von 14,8 % in einer Zeit, wo wir eigentlich einen Abbau haben sollten. Das ist die eigentliche Katastrophe.
Das heißt, in Schleswig-Holstein waren im vergangenen Monat über 130.000 Menschen ohne eine Beschäftigung. Gesellschaftlich dramatisch ist dabei, dass neuerdings immer mehr Jüngere von Arbeitslosigkeit betroffen werden und dass auch eine qualifizierte Ausbildung nicht davor schützt, dass man heute arbeitslos wird.
Frau Simonis, Sie beherrschen einfach das klassische Einmaleins der Wirtschaftspolitik nicht. Sie versagen bei der Schaffung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so, wie Sie auch bei der Förderpolitik versagt haben. Sie werden sich bei Gelegenheit fragen lassen müssen, was eigentlich aus Ihrem Wahlversprechen von vor der letzten Landtagswahl geworden ist. Sie haben da nämlich gesagt, es sollte niemand länger als sechs Monate arbeitslos sein. Zeigen Sie dazu doch einmal Ihre Bilanz. Völlig versagt, kann ich an dieser Stelle nur feststellen.
Ob nun die zusätzlichen Mittelzuweisungen an ASH den Ausweg bringen, das stellen wir doch sehr infrage, zumal Ihre gesamte blumige Umschreibung uns überhaupt nicht weiterhilft; denn bei den 35 Programmen, die Sie da haben, gibt es keine straffe und übersichtliche Gliederung. Es gibt auch keine messbaren Erfolge. Ich frage mich, wie eine Benchmark eigentlich gemacht werden soll, wie Sie messbare Erfolge bei den neuen Zuweisungen nachweisen wollen. Bis heute jedenfalls liegen diese Zahlen nicht vor.
Statt den Menschen mit teuer bezahlten Staatsprogrammen Beschäftigung zu geben, sollten wir lieber dafür sorgen, Herr Baasch, dass richtige Arbeit in richtigen Unternehmen geschaffen wird.
Die Menschen in Schleswig-Holstein müssen nämlich wieder etwas wagen. Wir müssen weg von der Versorgungsmentalität. Wir müssen quer denken und neue Wege gehen. Dann werden wir auch Erfolg haben.
(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie einmal konkreter! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal, welche neuen Wege! Da sind wir ge- spannt!)
- Herr Hentschel, wenn Sie zuhören und lesen könnten, dann müssten Sie nicht so dusselige Fragen stellen.
Frau Ministerpräsidentin, in Ihrer heutigen Regierungserklärung nimmt die Bildungspolitik zu Recht eine zentrale Rolle ein. Zu der Erkenntnis, die Qualität schulischer Bildung sei eine Schlüsselfrage für die Zukunft unseres Landes, will ich Ihnen zunächst einmal gratulieren. Auch die schulpolitischen Leitlinien, die Sie skizziert haben, sind vom Ansatz her richtig.
Die Gewährleistung einer Unterrichtsgarantie zunächst an den Grundschulen durch eine schrittweise Erhöhung der Stundengebermittel und ein zusätzliches Vertretungsbudget entsprechen ja auch - das wird Sie deshalb nicht wundern - unseren langjährigen Forderungen.
Wir sind wirklich erleichtert darüber, dass die Landesregierung, wenigstens was den Unterrichtsausfall betrifft, verstanden hat, wie wir in Schleswig-Holstein zu einer Verbesserung des Unterrichtsangebotes gelangen können. Unserer Grundforderung nach einer hundertprozentigen Unterrichtsversorgung wird natürlich noch nicht Rechnung getragen. Aber es ist immerhin ein Ansatz vorhanden, den wir durchaus anerkennen wollen.
In keinem anderen Land - auch das gehört zur Wahrheit - ist der Unterrichtsausfall so hoch wie in Schleswig-Holstein. Sie haben zwar in jedem Jahr - deswegen komme ich auf diese Zahl - mehr Lehrer eingestellt. Aber 1.362 neue Lehrerstellen in neun Jahren sind wirklich keine stolze Leistung. Wenn Sie die Zahlen des Landesrechnungshofs anschauen, dann werden Sie mir bestätigen, dass wir für die nächsten fünf Jahre mindestens 1.530 neue Lehrerstellen schaffen müssten. Sie allerdings sind gerade einmal bereit, zwei Drittel davon zu schaffen. Auch hier gilt: Das von Ihnen gezeichnete positive Bild stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein.
Im Hochschulbereich sieht es eher noch dramatischer aus. Bei der Hochschulstrukturreform haben Sie in den vergangenen Monaten versucht, das Interesse der Medien auf Ihre vermeintlich bildungspolitischen Neuerungen zu lenken. Sie haben nach unserer Auffassung den Punkt Hochschulstrukturreform viel zu spät auf die Agenda gesetzt. Sie haben es in Ihrer bisherigen Regierungszeit einfach verschlafen, unsere Hochschulen international wettbewerbsfähig zu machen.
Wenn Sie in die letzten Kurzinformationen des Statistischen Landesamtes hineinschauen, dann werden Sie feststellen, dass die Zahl der Abschlussprüfungen an den schleswig-holsteinischen Hochschulen im Studienjahr 2002 gegenüber dem Vorjahr um weitere 2,7 % zurückgegangen ist. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes ist die Zahl der Abschlussprüfungen damit seit 1997 rückläufig. Das ist das Ergebnis Ihrer Hochschulpolitik. Die jungen Leute wandern ab und studieren in anderen Bundesländern. Das ist
eine Abstimmung mit den Füßen über die Hochschulpolitik in Schleswig-Holstein, über die Sie sich, Frau Simonis, eigentlich nicht wundern dürften. Schleswig-Holsteins Hochschulen sind nämlich in dramatischer Weise unterfinanziert. Das ist das eigentliche Ergebnis von 15 Jahren SPD-Politik. Deswegen klagen Studierende und Professoren zu Recht über schlechte Studien-, Lehr- und Forschungsbedingungen. Frau Simonis, Sie lassen mit Ihrer verfehlten Hochschulpolitik unser Land intellektuell ausbluten. Das ist der eigentlich Vorwurf, den wir Ihnen machen.
- Herr Astrup, Ihr Zwischenruf ist absolut richtig. Es scheint gewirkt zu haben. Das merken wir insbesondere bei der Regierungsbank.
Mit dem Auftrag zur Vergabe eines Gutachtens zur Entwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein an die so genannte Erichsen-Kommission ist unserer Meinung nach grundsätzlich der richtige Schritt gegangen worden. Doch spätestens nach Ihrer Kabinettskonferenz vom 28. Mai ist jedem Beobachter, der sich mit Hochschulpolitik beschäftigt, klar geworden, dass Ihnen und Ihrer Regierungsmannschaft wieder einmal der Mut zur Umsetzung der notwendigen Reformen fehlt. Die wenigen der in dem Gutachten genannten Reformen, die Sie umsetzen wollen, werden nicht reichen, um künftig eine Ausfinanzierung der Besoldungs- und Tariferhöhungen, die wir auch gefordert haben, sicherzustellen. Deswegen finden wir es gut, dass Sie hier zumindest eine Zusage machen.
Wir sind der Auffassung, dass eine Entscheidung - ich komme dazu noch, Frau Heinold - möglichst nahe an Erichsen zu erfolgen hat. Es kann doch nicht sein, dass diese Regierung in einer Art Rosinenpickerei zwei Standorte herausgreift, ihnen die Fachhochschulen wegnimmt, bei einem weiteren Standort halbherzig eine Fakultät hinzu gibt, nämlich in Flensburg den Maschinenbau aus Heide, aber darüber hinaus an keiner Stelle den Mut hat, sich auch nur ernsthaft mit dem Erichsen-Gutachten auseinander zu setzen.
Wo ist denn eigentlich Ihre Stellungnahme zur Verlagerung der Realschullehrerausbildung nach Flensburg? Was ist eigentlich mit der universitären Betriebswirtschaft in Flensburg? Wir wollen, dass dieses
Gutachten als Gesamtpaket betrachtet wird und dass auf der Basis dieses Gutachtens ein sachgerechter Vorschlag gemacht wird,
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Vorschlag? Ich möch- te konkret wissen: Wo ist Ihr Vorschlag? - Weitere Zurufe - Unruhe)
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich kenne von der Regierung allenfalls Pressemitteilungen. Aber konkrete Vorschläge, die diskussionsfähig wären, gibt es nicht.
Die billige Tour der Grünen, zu fragen, wo denn unsere Vorschläge sind, zeigt doch nur, dass sie keine Konzepte und Ideen haben. Sie warten darauf, dass wir ihnen die Vorlagen liefern.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Das ist das Thema Studiengebühren. Frau Simonis, wenn ich Ihre Rede in der Schriftform richtig gelesen habe, dann klingt es da ein bisschen anders, als Sie es eben gesagt haben. Wenn ich Ihnen richtig zugehört habe, dann haben Sie sich hier gegen Studiengebühren ausgesprochen.
- Nicht? - Okay. Wenn Sie sich nicht dagegen ausgesprochen haben, dann muss ich das nicht weiter ausführen. Dann warten wir auf den Antrag von FDP und CDU zur Erhebung von Studiengebühren. Wir werden dann sehen, ob Sie dem zustimmen. Vielen Dank, Frau Simonis.