Die Umfinanzierung eines Teils der sozialen Sicherungssysteme über eine Erhöhung der Umsatzsteuer ist für mich ein Projekt, das Wachstumshemmnisse beseitigen hilft und zugleich die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme auf eine effizientere, transparentere und auch gerechtere Basis stellt. Dies ist ein ehrliches Konzept, das den Reformdruck in den Sozialsystemen nicht leugnet.
- Herr Garg, ich weiß nicht, woher Sie das immer haben; durch Wiederholung wird das nicht richtiger. Die Landesregierung hat Vorstellungen zu den Strukturreformen. Frau Kollegin Moser wirft nicht so sehr ihre PR-Maschine an. Aber sie hat sehr wohl solide Vorstellungen dazu, die sie auch deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Insofern geht es einerseits um die Veränderung der Sozialsysteme. Andererseits sind Umfinanzierungen notwendig, die man nicht verschweigen darf.
Die Opposition behauptet immer, der Staat würde statt in die eine in die andere Tasche greifen. Das ist falsch. Denn die Umfinanzierung ist mehr als eine reine Änderung der Einnahmeart. Heraus kommt nämlich netto mehr für die Arbeitnehmer, was auch der Binnenkonjunktur dient, und eine Verringerung
der Strafsteuer für Unternehmen, die Beschäftigung sichern. Das sind die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, von denen wir im Lande so viele haben. Deswegen reden die Handwerker so, wie das die Frau Kollegin Heinold hier dargestellt hat.
- Politik muss mit dem Kopf betrieben werden und nicht mit dem Kehlkopf. Das habe ich Ihnen schon häufiger gesagt. Das ist das Problem, wenn man über solche Dinge redet.
Eine Senkung der Abgabenlast verringert direkt die Kosten für den Faktor Arbeit. Dadurch wird die Hemmschwelle für mehr Einstellungen gesenkt, der Rationalisierungsdruck gemildert und der Anreiz, Arbeit aufzunehmen, gesteigert. Das wird die Beschäftigung deutlich steigern. Auch das ist für die Finanzen des Landes interessant: Es wird die Schwarzarbeit verringern. Ich weiß nicht, ob Ihnen das farblich sympathisch ist. Aber auch das ist ein Punkt, den man im Zusammenhang mit Haushalt und öffentlichen Kassen angehen muss.
Dieses wiederum führt zu einer Entlastung der Systeme der sozialen Sicherung. Denn durch die Umfinanzierung wird der verhängnisvolle und sich selbst verstärkende Prozess von steigender Arbeitslosigkeit und steigenden Lohnnebenkosten, die wiederum zu sinkender Beschäftigung führen und damit zu steigenden Sozialabgaben, zumindest teilweise entkoppelt. Gleichzeitig wird weiteren systematischen Problemen unserer kollektiven Absicherung begegnet. Durch die demographische Entwicklung, aber auch durch die Veränderung in der Arbeitswelt haben wir immer weniger Einzahler in das System, was zu einer Überbelastung auch jenseits der Arbeitslosigkeit führt.
Durch die Steuerfinanzierung bestimmter Leistungen wird dies auf mehr Schultern verteilt. Wir können uns durchaus ein gutes Beispiel an Skandinavien nehmen. Denn manches ist da sehr wohl - auch wenn das kleinere Länder sind - in die richtige Richtung gegangen. Wenn ich auch nicht allem zustimme, was Frau Spoorendonk dazu gesagt hat: An diesem Teil kann man durchaus über die Grenze schauen und etwas lernen.
Da zugleich der normale Satz der Umsatzsteuer die unteren Einkommensgruppen eher unterdurchschnittlich belastet, ist diese Art der Finanzierung auch sozialer, als wenn sich Spitzenverdiener, Pensionäre, Beamte oder Selbstständige zum Beispiel an den familienpolitisch motivierten Leistungen der Krankenversicherung nicht oder nur unterproportional beteiligen müssen. Das ist nämlich das Problem. Es ist also nicht nur finanziell gut, sondern auch wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht.
Durch die Umstellung versicherungsfremder Leistungen auf eine andere Finanzierungsart wird außerdem die Zuordnung von individuellen Anstrengungen und individuellen Ansprüchen klarer. Dies verstärkt die gesellschaftliche Akzeptanz für einen solidarischen Sozialstaat, von dem ich mich übrigens im Gegensatz zu anderen nicht verabschieden möchte. Ich will als Mitglied einer Partei, die 140 Jahre alt ist und deren Ziele und Werte nach wie vor richtig sind, deutlich sagen: Es geht heute darum, neue Wege zu beschreiten, da manch alte nicht mehr zum Ziel führen. Es ist nicht sozial, Abhängigkeiten festzuschreiben, mag die Abfederung auch noch so gut sein. Nein, wir müssen Abhängigkeiten verringern, Menschen möglichst schnell wieder in Arbeit bringen und die Alterssicherung sowie das Gesundheitswesen reformieren und damit die Haushaltssituation in Ordnung bringen. Damit tun wir nichts Unanständiges, sondern wir nehmen Aufgaben für Bildung, für innere Sicherheit, für Arbeitsstrukturen im Lande und für Wissenschaft wahr. Das muss finanziert werden.
Damit hat Helmut Schmidt - dem ich bezogen auf die Mehrwertsteuer nicht zustimme - mit seinem Hinweis Recht: Während der Reformphase wird der Wohlstand nicht steigen, ohne eine solche Reformphase müsste er aber sinken. Deshalb muss das angepackt werden. Das geschieht besser durch uns als durch diejenigen, die außer pauschalen Debatten, als ob wir einen Hochsteuerstaat hätten, nichts beizutragen haben.
Dies verstärkt aber auch den von allen gewollten Prozess, bei dem über die Bedeutung und die Verantwortung für die verschiedenen Leistungen neu nachgedacht wird. Ich bin im Übrigen mit Herrn Seehofer der Meinung, dass Zahnersatz eine ganz normale Krankenversicherungsleistung ist. Im Gegensatz dazu ist das Krankengeld eine Sozialleistung, bei der die Unternehmer im Vorwege die volle Last zu tragen
Herr Kalinka, ich habe Ihrer Rede genau zugehört. Es ist eine Weile her, dass ich aus dem Sozialministerium versetzt worden bin. Ich muss aber ehrlich sagen: Ich habe in Ihrer Rede den roten Faden gesucht, aber nicht gefunden. Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Aber ich bin wirklich ratlos, was Sie uns sagen wollten. Was Sie gesagt haben, hat mit dem Thema, über das wir heute reden, gar nichts zu tun.
Vielleicht sollten Sie doch ein Manuskript mitnehmen und nicht frei reden, wenn dabei so etwas herauskommt.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Arro- ganz ersetzt keine Argumente! Nur Arroganz ist auch nicht gut!)
- Ich will eine selbstkritische Bemerkung machen. Lassen Sie mich das anfügen. Die Regierung würde noch besser werden, wenn sie durch inhaltliche Positionen noch stärker herausgefordert würde, als das geschieht.
Im Übrigen sollten wir hier über Ideen streiten, in einen Wettbewerb eintreten, wie die Probleme des Landes zu lösen sind, anstatt uns mit Detektivspielen und all den Dingen, die montags gelegentlich stattfinden, zu beschäftigen. Das löst die Probleme des Landes nicht. Wir müssen an die Systeme der sozialen Sicherung herangehen. Das erwarten die Bürger von uns, nicht, dass wir Plattitüden abspulen.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie machen es nicht gut! Das kann nicht so blei- ben!)
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob man, wie Karl-Martin Hentschel es tut, Deutschland wirklich als Niedrigsteuerparadies bezeichnen sollte. Das
würde ich vielleicht nicht sagen. Aber ich würde doch sagen, dass die Steuerquote dank der Steuerreform historische Tiefstände erreicht hat. Ich bin mit dem Kollegen Peiner aus Hamburg - CDU - völlig einig, dass das nicht weiter sinken darf, sondern eher steigen muss. Denn sonst können wir unsere Aufgaben nicht lösen. Es nützt nichts, dagegen anzupolieren.
Im Gegensatz dazu steigen die Sozialabgaben. Ohne die Ökosteuer wären sie noch stärker gestiegen. Europäisch wie international kann eine derartige Verschiebung bei der Belastung die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nur steigern. Nicht ohne Grund hat der Kollege Rohwer dies frühzeitig vorgeschlagen.
Ich höre breite Zustimmung aus Handwerkskreisen. - Ich freue mich, dass Sie sich über meine Rede so amüsieren. So macht das mehr Spaß.
Es geht also um ein Reformpaket, dessen Kern nicht Steuererhöhungen sind, sondern Umfinanzierungen, die im europäischen Vergleich vernünftig sind. Eine Ausnahme will ich aber machen. Wir müssen in der Tat über eine Veränderung bei der Erbschaftsteuer reden. Denn es darf nicht sein, dass man Millionen von Arbeitnehmern Veränderungen zumutet und so tut, als ob man diejenigen, die am meisten beitragen könnten, außen vor lässt. Das ist nicht vernünftig, das ist nicht sozial gerecht, das akzeptieren die Menschen nicht.
Deswegen sage ich: Ohne eine Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung können sich SchleswigHolstein und viele andere Länder auf den Kopf stellen: Es würde kein solider Haushalt herauskommen.
Deswegen darf man sich nicht auf Kleinklein beschränken. - Sie haben nur keinerlei Rezepte geboten, lieber Herr Kalinka. Ich habe doch zugehört.