Protokoll der Sitzung vom 19.06.2003

Ich gehe davon aus, dass gerade die Opposition und der Landesrechnungshof das finanzielle Angebot, das Gutachten, das kommen wird, sehr genau prüfen werden. Ich sage Ihnen: Das ist auch gut so.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau wie die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe wirkt der Verkauf aller LEG-Anteile des Landes und damit die Privatisierung von vielen Tausend Wohnungen wie eine Kehrtwende in der bisherigen Politik der Landesregierung; denn es ist ja richtig, dass besonders der von mir sehr geschätzte Kollege Thomas Stritzl in der Vergangenheit mehrfach in seiner damaligen Funktion als finanzpolitischer Spre

(Anke Spoorendonk)

cher der CDU genau diesen Verkauf der Wohnungen gefordert hat. Damals wurde diese Forderung abgelehnt - auch vom SSW.

In gewisser Weise kann man also schon behaupten, dass die Forderung der CDU mit einiger Verzögerung jetzt erfüllt wird, falls es denn so kommt, wie es vorgeschlagen wird. Allerdings sind die Hintergründe der heute zu diskutierenden Transaktion doch etwas anders als damals.

Die Landesentwicklungsgesellschaft wurde 1996 gegründet und im Landesplanungsgesetz wurde damals festgeschrieben, dass die LEG dazu beitragen soll, dass Grundsätze und Ziele der Landesentwicklung verwirklicht werden. Dabei sollte sie Konzepte und Projekte zur integrierten Regionalentwicklung im Land vorschlagen, erarbeiten und durchführen.

Nach Angaben der Landesregierung verfügt das Land Schleswig-Holstein mit dieser Gesellschaft über ein Instrument, das sich bei der Lösung der vielfältigen Probleme der Regionalentwicklung bewährt hat. Das sahen und sehen wir auch so.

Umso mehr kann es verwundern, dass die Landesregierung jetzt beabsichtigt, die noch vorhandenen Anteile des Landes zu privatisieren. Bereits vor einigen Jahren hat man wegen der Haushaltsprobleme die ersten Landesanteile verkauft. Leider müssen wir heute erkennen, dass wir die Einnahmen aus dem Verkauf der LEG dringend zur Haushaltssanierung brauchen. Ich denke, das ist der wirkliche Hintergrund dieses Ansinnens.

Das ist die bittere und ehrliche Antwort. Aber dazu gibt es ja eine ganze Reihe von Fragen, die der Kollege Garg heute dankenswerterweise schon formuliert hat.

Es gibt auch noch die Frage, wie wir dann mit dem umzugehen haben, was wir vor zwei Jahren beschlossen haben.

Die Landesregierung befindet sich natürlich bei der geplanten Privatisierung in einem schwierigen Dilemma. Offiziell hält man weiter daran fest, dass die LEG auch nach einem Verkauf der Anteile an die HSH Nordbank AG immer noch als effizientes Instrument der Landesentwicklung erhalten bleiben soll. Mir ist aber nicht ganz klar, wie das funktionieren soll.

Deshalb hat man eine Zwischenlösung gewählt – so ist uns gesagt worden -, wonach die neue Gesellschaft immer noch als gemeinnützig agieren soll, und es ist ein Bestandsschutz bis 2008 vereinbart worden, der vorsieht, dass die neue LEG die entsprechenden Aufgaben als Siedlungsunternehmen des Landes Schles

wig-Holstein im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes im bisherigen Umfang fortführt.

Die Frage ist aber: Was passiert nach 2008, können wir sicher sein, dass der private Eigner weiterhin daran interessiert ist, diese Landesplanungsziele für das Land zu erfüllen? Ich glaube, hier sind mehr als berechtigte Zweifel angebracht.

Was den Wohnungsbestand angeht, argumentiert die Landesregierung damit, dass der Mieterschutz inzwischen stark verbessert worden ist und die Stellung der Mieterinnen und Mieter gegenüber den Vermietern deshalb bei einer Privatisierung viel stärker als noch vor einigen Jahren ist. Auch wenn dieses Argument – so denke ich – nicht verkehrt ist, sollten wir doch ehrlich sagen: Ohne die schlechte Haushaltslage und die dringende Notwendigkeit, zusätzliche Einnahmen für das Land zu erhalten, hätte sich die Landesregierung nicht für diesen Verkauf stark gemacht. Auch hier gibt es noch viele offene Fragen und noch keine überzeugenden Antworten.

Ein entscheidender Punkt beim Verkauf bleibt natürlich der Wert der LEG-Anteile. Laut einer ersten Angabe des Gutachters liegt der objektive Unternehmenswert zwischen 100 Millionen und 120 Millionen €. Wir haben in der Vergangenheit immer mal wieder Auseinandersetzungen über die Höhe des Verkaufspreises von landeseigenem Vermögen gehabt – zu Recht, muss ich hinzufügen. Von daher begrüßen wir nicht nur, dass wir uns heute in einer ersten Diskussion damit auseinander setzen können, sondern wir begrüßen auch, dass es überhaupt zu dem Dringlichkeitsantrag gekommen ist und dass im Finanzausschuss weiter intensiv beraten werden kann, bevor der Landtag Ende August seine Entscheidung über den Verkauf zu treffen hat.

Die Frau Kollegin Kähler hat ja auch schon weitere Fragen formuliert, die unbedingt zu beantworten sein werden.

(Glocke des Präsidenten)

Von daher ist dazu schon das meiste gesagt worden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Herrn Minister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hier handelt es sich um ein schwieriges Thema – besonders für die

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Landesregierung und auch für die Regierungsfraktionen. Die Stärkung und Weiterentwicklung der LEG war die Maßgabe, unter der sich die Landesregierung und die Regierungsfraktionen 2001 entschlossen hatten, Teile der LEG zu verkaufen. Unverzichtbare Nebenbedingungen waren damals: Erstens. Die LEG bleibt wichtigstes Instrument der Landesregierung. Zweitens. Die Mieterinnen und Mieter sind abgesichert. Drittens. Ein angemessener Erlös, der dem Wert des Unternehmens entspricht.

Diese Vorgaben hat die LEG, haben wir eingehalten. An den Vorgaben hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Mieterschutz und Landesentwicklung bleiben wichtige Ziele der Regierungspolitik dieser Koalition.

Was sich aber geändert hat, sind die Rahmenbedingungen. Darauf kann eine Verwaltung und muss Politik reagieren, auch wenn sie damit dem Vorurteil der Inflexibilität widersprechen. Verlässlichkeit ist wichtig, ein Ignorieren der veränderten Rahmenbedingungen können wir uns aber nicht leisten.

Vor zwei Jahren hätte ein Komplettverkauf, wie ihn die Opposition damals forderte – aus Prinzip ja schon immer wollte -, einen enormen Vertrauensvorschuss für den Bewerber B & L bedeutet. Deswegen war es – wie ich finde; man muss ja auch vorsichtig sein, wenn man ein neues Amt antritt, und muss im Urteil abgewogen bleiben – jedenfalls unter den damaligen Umständen vertretbar zu sagen, dass man vorsichtig agiert und einen Schritt nach dem anderen tut.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt sind ja nicht so ohne weiteres prognostizierbar.

Was die Landesentwicklung und vor allem den Schutz der Mieterinnen und Mieter anbelangt, so stehen wir heute vor einer veränderten Situation. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich weiter entspannt. Sie haben das in der Debatte über die Fehlbelegungsabgabe auch noch einmal diskutiert. In seiner Wohnungsmarktprognose für Schleswig-Holstein bis 2010 stellt das Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik eine steigende Wahlfreiheit und mittlerweile sogar ein leichtes Überangebot auf dem Wohnungsmarkt fest. Das gilt gerade auch für die kreisfreien Städte. Das heißt mit anderen Worten, man muss das in die Überlegungen mit einbeziehen.

B & L hat im Laufe dieser Jahre bestätigt, dass es dem Unternehmen nicht um die schnelle Mark oder den schnellen Euro, sondern um ein strategisches Engagement und eine langfristige Wertsteigerung geht. Trotz eines Programms zur Wohnungsveräußerung gab und gibt es keinen Ausverkauf des Woh

nungsbestandes. Auch nach der Komplettprivatisierung sichern die normalen Mieterschutzbedingungen die Verhältnisse ab. Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass die Effektivität dieser Mieterschutzbedingungen durch Rot-Grün in Berlin mit einer großen Mietrechtsreform gegen den entschiedenen Widerstand der Opposition gestärkt worden ist und die Mieterinnen und Mieter der WOBAU-Wohnungen sich also auch künftig keine Sorgen machen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufgabenerfüllung der Schleswig-Holsteinischen Landgesellschaft im Sinne des Landes wird auch weiterhin durch die Fachaufsicht und den Gesellschaftsvertrag garantiert. Auch die Aufgaben der Landesentwicklung nach § 10 a des Landesplanungsgesetzes werden weiterhin effektiv und effizient erfüllt. Weil hier aber eine besondere gesetzliche Verpflichtung besteht, soll diese Aufgabe durch eine Tochter der LEG, die LEG Entwicklungsgesellschaft, wahrgenommen werden, an der das Land im Laufe der nächsten Jahre 74,9 % der Anteile erhalten will. Die verbleibenden Anteile bei der LEG-Mutter sichern Synergien und schaffen die Voraussetzungen für die Geschäftsbesorgungsverträge mit der Landgesellschaft.

Lothar Hay hat damals zu Recht eingefordert, die Potenziale von Landgesellschaft und WOBAU für eine zielgerichtete Entwicklung zu nutzen. Dieser Weg wird weiter gegangen. Wir sind durchaus bereit, darüber zu reden, wie man mit den verbleibenden Anteilen umgehen kann. Ich habe wohl gehört, was Frau Kähler und auch Frau Heinold und Herr Arp dazu gesagt haben.

Diese Lösung eröffnet zusätzlich den Weg für mehr Kooperation mit Hamburg, sodass die Landesregierung hier - Hamburg ist da im Augenblick noch ein bisschen zögerlicher - als Zukunftsperspektive eine gemeinsame Regionalentwicklung im Blick hat. Ich setze da auf Vernunft.

Die Landesregierung nimmt die Bedenken aus den Koalitionsfraktionen sehr ernst und wird insbesondere den Fragen, die die Frau Abgeordnete Kähler gestellt hat, sorgfältig nachgehen. Deswegen wird das Land durch Gesellschaftsverträge und durch Vertreterinnen und Vertreter in den Gremien die Ziele und den Einfluss absichern. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass die konkreten Verhandlungen durch die Beteiligungsverwaltung unter Führung von Staatssekretär Uwe Döring geführt werden, da ich als Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank nicht am operativen Teil dieses Prozesses teilnehmen darf. Selbstverständlich stelle ich mich aber meiner parlamentarischen Verantwortung hier.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Im Übrigen ist die Behauptung zu den Anteilen falsch, Herr Garg, die HSH Nordbank könnte und dürfte sich in diesem Maß anteilmäßig gar nicht beteiligen, wie Sie das hier ausgedrückt haben. Der anstehende Verkauf wird auf einem verlässlichen Wertgutachten gründen, das das Finanzministerium, der Unterausschuss „Beteiligung“ und der Landesrechnungshof gründlich prüfen werden. Der Finanzausschuss sollte am 21. August darüber beraten. Damit ist sichergestellt, dass der Landtag in seiner AugustTagung über eine Veräußerung entscheiden kann.

Bei aller Liebe für offene Prozesse, lieber Herr Garg: Viel größer kann der Kreis der Teilnehmer nicht sein. Bei all dem geballten wirtschaftlichen Sachverstand in Ihrer Fraktion müssten Sie doch wissen, dass Verkaufsverhandlungen auch einer gewissen Vertraulichkeit bedürfen, auch wenn das sozusagen den Effekt Ihrer Anträge in der Öffentlichkeit ein bisschen schmälert.

(Zurufe von der FDP)

Im Übrigen gönne ich denen auf der rechten Seite, die schon immer alles besser wussten, die Sonderausschüttung von Glückshormonen. Dies ist auf den Oppositionsbänken relativ selten.

Historisch gesehen ist das Amt des Finanzministers nicht ohne Risiko. In Frankreich hat man in der Zeit von 1315 bis 1781 37 Finanzminister geköpft, aufgehängt oder verbrannt.

(Heiterkeit)

Ich hoffe, dass trotz dieser Kehrtwendung, die auch meiner Fraktion einiges zumutet, das Schicksal gnädiger mit mir umgeht. Ich glaube aber auch, dass wir die restlichen LEG-Anteile des Landes zugunsten des Landeshaushaltes und zugunsten all derer, die sonst weniger Leistungen bekommen würden, erfolgreich verkaufen können. Die Landesplanung wird konzentriert weitergeführt. Mit Hamburg wollen wir auf diesem Feld kooperieren. Die Regionalentwicklung wird dadurch um eine spannende Zukunftsperspektive bereichert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht. Sicherlich wäre es der Sachdebatte dienlicher gewesen, wenn wir den Bericht vorweg erhalten hätten. Aber es ist nun einmal so gelaufen.

Ich habe eine Anmeldung zu einem Kurzbeitrag. Herr Abgeordneter Stritzl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, es ist immer interessant, Ihnen zuhören zu dürfen, wenn auch nicht jeder rhetorischen Wendung. Meinen Respekt dafür, wie Sie versucht haben, die 180-prozentige Kehrtwendung dieser Landesregierung als Erfolg und strategisches Handeln zu verkaufen. Ich muss sagen: Dem habe ich in der Tat mit Interesse zugehört. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern: Als wir gefordert haben, die WOBAU-Wohnungen zu verkaufen, war es diese Landesregierung, die das als Ausverkauf des sozialen Selbstverständnisses gebrandmarkt hat. Unsozial sei es, was die Union vorhabe. Jetzt machen Sie es.

Sie haben eine interessante These aufgestellt und gesagt, man müsse Schritt für Schritt vorgehen. Ich habe vor diesem Hintergrund ein paar Fragen an Sie, Herr Minister.

Erste Frage. Ist der jetzige Verkauf der restlichen LEG-Anteile der zweite Schritt auf den damals erfolgten ersten Schritt des Verkaufs an B&L?