Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kayenburg hat mich gerade gefragt, warum ich aufstehe. Ich habe gesagt, dass ich immer dann, wenn Beifall kommt, aufstehe, weil ich denke, der Beifall ist für mich.
Wir haben uns heute zu einem literarischen Spektakel zusammengefunden, nämlich der ersten Lesung von Herrn Dr. Stegners Märchenwelt. Ginge es nach dem Willen der Landesregierung, dann wäre dies die letzte ordentliche erste Lesung eines Haushaltsentwurfs der Landesregierung. Nächstes Jahr soll nur ein Nachtrag durchgewunken werden, damit diese Landesregierung sich vor der Landtagswahl die Schmach der Debatte eines weiteren Konkurshaushalts ersparen kann. Das einzig Positive daran ist, dass wir eine weitere Rede Dr. Stegners der gleichen Art nicht mehr hören müssen.
Ich glaube nicht, dass sich diese Sehnsucht nach dem Vermeiden weiterer Debatten erfüllen wird, denn die Landesregierung hat uns die doppelte Totgeburt eines überflüssigen Doppelhaushalts vorgelegt. Sie hat damit zweifelsfrei erneut ihr Unvermögen belegt. Der Entwurf steht schon wieder unter dem Motto der drei Probleme von Rot-Grün: kein Geld, keine Ahnung, kein Konzept. Deshalb will sich die Landesregierung mit kräftigen Schlucken aus der Schuldenflasche betäuben. Das sind Schulden, die den Menschen in Schleswig-Holstein neue Lasten aufbürden. Das finanzpolitische Trinkgelage soll erneut über die Unfähigkeit und das Versagen der Regierungskoalition hinweg trösten. Es wird ihr nicht helfen: Das Erwachen und der Kater werden umso schlimmer sein.
Die Landesregierung ist schuldensüchtig. In 2004 sollen 595 Millionen € diese Sucht befriedigen. In 2005 werden es 550 Millionen € sein. Ich habe noch im Ohr, wie uns der ehemalige Finanzminister Claus Möller in diesem Haus erklärte, man werde spätestens 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, und zwar aufgrund der sehr vorsorgenden Finanzpolitik der Landesregierung. Dies hat nicht ein
mal anderthalb Jahre gehalten, wie übrigens alle weiteren Versprechungen der Regierung auch nicht gehalten haben.
Rot-Grün verschuldet das Land wie ein Trinker, dem nüchtern die Einsicht in die eigene Erbärmlichkeit fehlt. Auf Entzug will sie nicht ganz verzichten. Sie gibt das Ziel auf, den Haushalt auszugleichen. Mittlerweile ist nicht einmal mehr eine Projektion erklärt worden. Weil die Trunkenheit die Wirklichkeit so vortrefflich vernebelt, will Rot-Grün sich diesmal gleich zweimal auf einmal betrinken. Das ist sozusagen ein Besäufnis auf Vorrat, damit der Kater nicht schon vor der Landtagswahl 2005 kommt. Das ändert jedoch nichts: Das große Problem SchleswigHolsteins ist, dass Rot-Grün für dieses Land zu teuer ist. Wir können uns diese Regierung einfach nicht mehr leisten.
Man kann es nicht oft genug sagen: Sie haben in der Vergangenheit versagt, Sie versagen in der Gegenwart, Sie werden auch in Ihrer begrenzten Zukunft versagen. Um das zu belegen, lade ich Sie ein: Tauchen Sie mit mir ein in eine Geschichte des politischen Versagens, die Geschichte der rot-grünen Depression Schleswig-Holsteins.
Zuerst ein Überblick: Die Geschichte beginnt 1988. Frohen Mutes trat eine neue sozialdemokratische Mehrheit hinter einem charismatischen Ministerpräsidenten an, der schnell hoch stieg, dann vorsätzlich über seine eigenen Füße stolperte und schließlich ganz tief fiel. Davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt und seit sie die Grünen ins lecke Regierungsboot geholt hat, geht es noch schneller unter.
Nie wieder ist die Landesregierung über das PepitaNiveau hinausgekommen. Dafür hat die Ministerpräsidentin gesorgt - mit ihrem Management à la Champignons: Alle in den Dreck drücken und wenn doch ein Kopf rauskommt, gleich abreißen. - So sitzt heute nur noch eine Ersatzmannschaft auf der Regierungsbank.
Deren Hauptzeitvertreib scheint die Vereinsmeierei um den Platz des Narren in der regierungsinternen Kronprinzengarde zu sein. Wer das Funkenmariechen sein möchte, ist nicht genau zu erkennen. Bei all dieser Vereinsmeierei haben die Regierenden ihre Aufgabe offensichtlich vergessen, dem Volk zu nützen und Schaden von ihm abzuwenden. Genauso ging der Blick für die Wirklichkeit verloren. Die Regierung
Zu den Einzelheiten. Rot-Grün regiert die Wirtschaftskraft und den Wohlstand in Schleswig-Holstein in Grund und Boden. Deshalb sind unter dieser Landesregierung zu wenig Menschen in SchleswigHolstein beschäftigt und zu viele arbeitslos. Darauf werde ich noch zurückkommen.
Das Land ist pleite. Die Ausgaben laufen den Einnahmen immer schneller davon: Rot-Grün hat sich gegen gute Finanzpolitik und für Schuldenmachen entschieden.
Die Ausgabenwut lenkt jedes Jahr einen größeren Teil der Einnahmen in den laufenden Verbrauch, immer weniger in zukunftsträchtige Projekte, in Projekte, mit denen die Grundlagen für mehr Wohlstand und mehr Arbeitsplätze in der Zukunft geschaffen werden könnten. Die rot-grüne Bürokratiemaschine verschlingt immer mehr von der Saat zukünftigen Wohlstandes. Für die Investitionen des Landes bleiben nur noch Kleckerbeträge übrig. 2007 soll die Investitionsquote nur noch 8,3 % betragen - wohlgemerkt, diese Angabe bezieht sich auf die Aufstellung des Haushaltes, nicht auf seine Durchführung.
Die Grenzen der Verfassung sind dieser Regierung zu eng. Deshalb verramscht die Landesregierung immer wieder Landesvermögen stümperhaft und weit unter Wert. Dann verschenkt sie einen großen Teil der Einnahmen außer Landes und verprasst den Rest. Jüngstes trauriges Beispiel ist der Ausverkauf der LEG.
Die Qualität der Bildung in Schleswig-Holstein liegt weit unter dem Durchschnitt. Diese Regierung vergeht sich mit Bildungssozialismus an der Zukunft unserer Kinder.
Dieser Raubbau, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das eigentliche Vergehen von SPD und Grünen an den Menschen in Schleswig-Holstein. Die Menschen bezahlen es teuer - mit entgangenem Wohlstand und schlechteren Chancen für die Zukunft.
Was haben die letzten zehn Jahre für die Menschen in Schleswig-Holstein gebracht? Sie haben die rot-grüne Depression gebracht. Selbstverständlich war es bei weitem nicht so schlimm wie die Weltwirtschaftskrise, aber trotzdem viel zu schlimm. Es ist eine schleichende Depression, die die Grundlagen unseres Wohlstandes immer stärker unterhöhlt.
Im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern fällt Schleswig-Holstein immer weiter zurück. Die Landesregierung scheint das nicht zu stören. Warum
Um die schlimmen Wirkungen der Depression bis zur Landtagswahl zu verschleiern, arbeitet die Landesregierung nur ungern mit Zahlen, und zwar aus zwei Gründen. Die Landesregierung hat mit Zahlen an sich Probleme, was viele plötzliche Haushaltslöcher wegen Rechenfehlern belegen, und es gibt kaum Zahlen, mit denen die Landesregierung glänzen könnte. So wunderte ich mich nicht, dass der neue Finanzminister in seiner ersten Pressekonferenz zu den Eckwerten seines Haushaltes auf die Frage, wo denn die Eckwerte blieben, antwortete, Zahlen zum Haushalt seien nicht so wichtig; Hauptsache, die Richtung stimme. - Herr Dr. Stegner, haben Sie in Harvard denn nicht gelernt, dass gute Finanzpolitik auf Zahlen beruht und dass nicht große Sprüche, sondern die Zahlen des Haushalts die Richtung der Finanzpolitik anzeigen? Aber Schwamm drüber! Bei dieser Regierung kommt es auf Zahlen nun wirklich nicht an. Sie stimmen einfach zu selten, wie wir aus der Vergangenheit wissen und wie der Herr des 35-Millionen-Lochs erneut eindrucksvoll bewiesen hat.
Ich komme zum wichtigsten Kapitel meiner kleinen Geschichte: Wirtschaftskraft und Wohlstand. 1991 betrug das reale Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner - das ist der Ausweis des materiellen Wohlstandes - in Schleswig-Holstein 20.996 € und lag damit 2.740 € oder 4,5 % unter dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer und 3.933 € oder 8,1 % unter dem Bayerns. 2002 lag das schleswig-holsteinische reale BIP pro Einwohner 3.281 € oder 15,6 % unter dem der westdeutschen Flächenländer und 6.038 € oder 21,4 % unter dem Bayerns.
Rot-Grün hat die Wohlstandslücke dramatisch vergrößert. Gegenüber den westdeutschen Flächenländern hat sich der prozentuale Rückstand mehr als verdreifacht. Auch die Versorgung mit öffentlichen Gütern ist in Schleswig-Holstein viel schlechter als anderswo. Desolate Schulgebäude, veraltete Schulbücher, kaputte oder fehlende Straßen und fehlende Arbeitsplätze beweisen es täglich. Das ist das Ergebnis der rot-grünen Depression.
Herr Kollege Hentschel und Herr Kollege Hay, man kann das alles nachlesen. Ich zitiere hier nicht aus Statistiken, die wir entwickelt haben. Sie werden vielmehr vom Bundesfinanzministerium und von der Bundesbank herausgegeben. Sie können sie auch im Lande Schleswig-Holstein vom Statistischen Landesamt bekommen. Die Schere zwischen dem Wohlstand in allen westdeutschen Bundesländern und
im Bundesschnitt auf der einen Seite und dem Wohlstand in Schleswig-Holstein auf der anderen Seite hat sich in den letzten zehn Jahren der Regierung Simonis immer mehr zulasten des Landes Schleswig-Holstein geöffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Bilanz des Misserfolges der Regierung Simonis. Sie erdrückt das Land mit falscher Politik und senkt die Anreize der Menschen und Unternehmen zu arbeiten und zu investieren.
Der Wohlstand der Menschen in Schleswig-Holstein wächst auch immer langsamer. Er wuchs von 1991 bis 2002 um magere 0,47 % jährlich. In den westdeutschen Flächenländern waren es 0,6 % und in Bayern 1,1 % - das 2,4-fache unseres Wertes. Seit 1996, seit die Grünen mitwursteln, ist der Wohlstand nur noch um 0,39 % jährlich gewachsen. Die Grünen sind eben echter Wohlstandsballast.
Auch das wirtschaftliche Wachstum schleicht nur, obwohl wir knapp 2 % jährlich brauchen, damit die Beschäftigung wächst. Von 1991 bis 2002 betrug das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein 1,06 %. In den westdeutschen Flächenländern betrug es 1,13 % und in Bayern 1,75 %.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Unterschiede sehen klein aus, bewirken aber bedauerlicherweise Großes. Blieben die durchschnittlichen Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf so, dann verdoppelte sich der materielle Lebensstandard der Menschen in Bayern in 66 Jahren und in Schleswig-Holstein in 178 Jahren. Ein Mensch in Bayern würde es noch erleben, in Schleswig-Holstein würden es erst die Enkel erleben. Wäre der Wohlstand seit 1991 in Schleswig-Holstein genauso schnell gewachsen wie in den westdeutschen Flächenländern, dann hätte jeder Mensch in Schleswig-Holstein allein 2002 rund 350 € mehr gehabt. Im Vergleich zu Bayern fehlten allein 2002 fast 1.600 € pro Kopf der Bevölkerung. Davon könnte eine Familie eine schöne Reise bezahlen oder auch sonst viel Gutes tun. Diese großen Wirkungen kleiner Unterschiede in den Wachstumsraten haben Robert M. Solow, den Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 1987, veranlasst, darauf hinzuweisen, dass ein paar zehntel Prozent mehr Wachstum mit Blick auf den Wohlstand der Menschen alle anderen wirtschaftspolitischen Ziele verblassen lassen.
Das ist eine einfache Erkenntnis angewandter Zinsrechnung, die schon lange allgemeines Wissen in der VWL war, als die Ministerpräsidentin das Fach hier
in Kiel studierte. Es wundert mich, dass sie trotzdem schamlos behauptet, sie mache mit ihrer Regierung gute Politik für die Menschen in Schleswig-Holstein.
Aber vielleicht ändert sich ja doch etwas bei den Sozialdemokraten. Ich erinnere mich sehr genau daran, dass der Kollege Günter Neugebauer im Frühjahr im Finanzausschuss forderte, man müsse jetzt endlich Politik machen, die mehr Wachstum generiert. Ich habe mich allerdings gefragt, warum es sich so anhörte, als wenn er diese Politik von mir einforderte. Wahrscheinlich tat er es wegen seiner Lebenserfahrung.
An einem einzigen Beispiel will ich deutlich machen, worin das Versagen von Sozialdemokraten und Grünen in der Vergangenheit lag und warum unser Wohlstandsgefälle in Deutschland, europaweit gesehen, aber auch in Schleswig-Holstein größer ist als anderswo. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Kommentierung von Ulrich Schäfer in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ unter der Überschrift „Die leise Hoffnung“, in der er auf einen ganz markanten Punkt hinweist. Ich zitiere wörtlich:
„Besonders erstaunlich ist aber, was die Lockerung des Ladenschlusses bewirkt. Seit die Kunden samstags vier Stunden länger einkaufen dürfen, steigen die Umsätze des Handels. Ausgerechnet jene Reform, die nichts gekostet hat, beflügelt nun die Binnennachfrage.“
Erinnern Sie sich noch an die Debatten, die wir hier in diesem Hause über die Freigabe der Ladenschlusszeiten geführt haben? Damals haben Sozialdemokraten und Grüne erklärt, das soziale Elend werde ausbrechen, wenn die Ladenschlusszeiten freigegeben würden. Nun stellen wir in der Tat fest, dass mit der Freigabe der Ladenschlusszeiten Umsatz und Wachstum generiert werden, was Sie früher verhindert haben.
Wenn es mit mehr Wettbewerb und Liberalisierung so weiterginge, wäre dies ein großer Sinneswandel. Bis vor kurzem war die entsprechende Forderung der FDP und der Union für den Kollegen Neugebauer und viele seiner Genossinnen und Genossen das „Teufelszeug Neoliberalismus“. Jetzt soll es der neueste Regierungsversuch von Gerhard Schröder werden.
Ein kleiner Exkurs zum Wirrwarr der Bundespolitik: 1998 hat der famose Kanzler Gerhard Schröder die Steuerreform verhindert, die er jetzt als Meisterstück