Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung jährlicher Sonderzahlungen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/2901

b) Zukunft des öffentlichen Dienstes

Landtagsbeschluss vom 18. Juni 2003 Drucksache 12/2706

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/2830

Zunächst erteile ich für die Landesregierung Herrn Finanzminister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrte Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich zunächst mit dem Thema der Zukunft des öffentli

chen Dienstes beginnen und anschließend die Frage der Sonderzuwendungen aufgreifen.

Auch wenn die rot-grüne Landesregierung mit der rot-grünen Bundesregierung in manchen Punkten über Kreuz liegt, so sind wir uns doch einig darin, dass der Mut zu durchgreifenden Strukturreformen entscheidend ist für ein wachstumsstarkes, innovatives und weiterhin soziales Deutschland. Ein Weiter-so des Aussitzens führt genauso in die ökonomische Sackgasse wie die permanente Formulierung des Mit-uns-nicht von Union und FDP. Reformen am Arbeitsmarkt, in den Sozialversicherungen, bei den Gemeindefinanzen und ein sozial wie regional ausgewogener Subventionsabbau sind für ein modernes Deutschland mit mehr Beschäftigung und mehr Dynamik unverzichtbar. Ein modernes Land braucht eine moderne und damit leistungs- und zukunftsfähige Verwaltung. Dazu gehört auch eine effiziente Struktur. Mit der Funktionalreform, der Ämterneuordnung und Ämterstraffung werden wir einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gehen. Am Ende des Jahres soll in den entscheidenden Punkten für die Kommunen, für die Beschäftigten des Landes und für die Bürgerinnen und Bürger Klarheit herrschen. Ich finde insofern den Berichtsantrag, den ich vorhin gesehen habe, hilfreich.

Ziel einer modernen Verwaltung ist auch der effektive Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, der Grundlage für effizientes Verwaltungshandeln ist. Ich nenne nur die dezentrale Mittelbewirtschaftung, die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung und das automatische Mahnverfahren. Zu einer modernen Verwaltung gehört effektives Verwaltungshandeln mit einer zielgerichteten und transparenten Steuerung und Kontrolle von Leistungen des Landes. Wir werden das nächste Jahr, in dem kein Haushalt aufgestellt werden muss, nutzen, um entsprechende Kennzahlen und Steuerungsmechanismen wie die Budgetierung weiterzuentwickeln und um beim E-Government weiterzukommen.

Zu einer modernen Verwaltung gehören aber vor allem gut qualifizierte, motivierte Mitarbeiter, die ihre Potenziale zum Wohle unseres Landes entfalten können. Ein Kernelement einer bürgernahen, professionellen und effizienten Verwaltung ist ein modernes Personalmanagement. Dies ist auch eine zentrale Forderung des Kommissionsberichts. Das Leitbild aus dem Jahre 1995 gehört ebenfalls mit dazu.

Im Jahre 1998 sind mit den Gewerkschaften Vereinbarungen über die Modernisierung der Landesverwaltung und über die Personalentwicklung geschlossen worden. Diese Vereinbarungen wurden konsequent umgesetzt; sie sind inzwischen Standard in der Perso

(Minister Dr. Ralf Stegner)

nalpraxis. Als Beispiel nenne ich die jährlichen Mitarbeiter- und Vorgesetztengespräche und die Rückmeldung für Führungskräfte.

Schleswig-Holstein sitzt in all diesen Fragen in der Lokomotive des deutschen Zuges zur Verwaltungsmodernisierung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Eine zentrale Forderung des Kommissionsberichts ist die Einführung eines einheitlichen Dienstrechts auf gesetzlicher Grundlage, das konkret durch Tarifverträge ausgestaltet wird. Auch hier hat sich die schleswig-holsteinische Landesregierung eine Angleichung des Dienstrechts von Beamten und Angestellten zum Ziel gesetzt. Ob der im Kommissionsbericht vorgeschlagene Weg, alle Beamtinnen und Beamten in die Sozialversicherung zu überführen, gangbar ist, ist nicht nur eine Struktur-, sondern vor allem auch eine Kostenfrage. Den Vorschlägen des Berichts der Regierungskommission in Nordrhein-Westfalen steht die Landesregierung jedenfalls grundsätzlich positiv gegenüber, auch wenn sie nicht neu sind und in vielem dem entsprechen, was in SchleswigHolstein bereits seit Mitte der 90er-Jahre vorangebracht wird. Das ist auch kein Wunder; denn Professor Bull, der Vorsitzende dieser Kommission, war früher einmal Innenminister dieses Landes.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bereits 1996 hat Schleswig-Holstein im Bundesrat vorgeschlagen, den Artikel im Grundgesetz zu streichen, nach dem die Rechtsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten unter Berücksichtigung der althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln sind. Diese Grundsätze gehören eher ins 19. als ins 21. Jahrhundert. Sie sind nicht mehr zeitgemäß. Ich wundere mich schon sehr über die ewig Gestrigen bei den Konservativen und bei den Liberalen in dieser Frage.

(Zurufe bei CDU und FDP)

Stattdessen sollten die Rechte und Pflichten der Beamtinnen und Beamten einschließlich ihrer Besoldung und Versorgung durch einfaches Gesetz geregelt werden.

Der Druck hat zugenommen. Haben die übrigen Länder die Initiative damals nicht mitgetragen, so sehe ich jetzt ein allmähliches Umdenken, zu dem der Kommissionsbericht und eine breite öffentliche Diskussion beigetragen haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Sie wissen, Herr Kubicki: Mit Ihnen beschäftige ich mich immer am Ende meiner Reden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Klar ist: Die Schleswig-holsteinische Landesregierung wird alle Vorschläge unterstützen, die die notwendige Reform des öffentlichen Dienstes fördern.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Alles der Reihe nach, nach Wichtigkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schon jetzt sind innerhalb der geltenden Verfassungsnormen Veränderungen möglich. Wir haben die rechtlichen Spielräume ausgenutzt. Beamtinnen und Beamte werden grundsätzlich nur noch in den hoheitlichen Bereichen, also bei der Polizei, bei der Justiz und bei der Steuerverwaltung, eingesetzt. Auf unseren Vorschlag hin hat der Landtag die Regelung gestrichen, nach der die Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen als hoheitliche Aufgabe galt. Leider haben wir damals keine Unterstützung für den durchaus richtigen Kurs gefunden, den die Ministerpräsidentin vorgeschlagen hat, und mussten aus anderen Gründen - -

(Zurufe)

- Ich weiß, Sie haben das immer noch nicht verstanden, und der Rechnungshof meint auch immer noch, es sei billiger, wenn man es langfristig betrachtet. Dies ist aber falsch, weil es gegenüber den Berechnungen kurzsichtig ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihnen kann kei- ner das Wasser reichen, weil Sie bis zum Hals im Wasser stehen!)

Wir hoffen jedenfalls auf ein Umdenken aufgrund des Kommissionsberichtes. Wenn wir die Hände in den Schoß legen, werden wir nicht vorankommen.

Was die öffentlichen Haushalte angeht, so muss man zu Veränderungen kommen, auch in Bereichen, wo dies schwer fällt. Wir haben in den Feldern, die qualitativ am stärksten zu Buche schlagen, nicht zu viel Personal, so etwa bei der Bildung, bei der Steuerverwaltung, bei der Polizei oder bei der Justiz. Insofern brauchen wir mehr Flexibilität, wir brauchen Personalbudgets. Teilweise heben wir die Stellenpläne auf und wir wollen grundsätzliche Reformen des öffentlichen Dienstes. Wir müssen aber auch die Kostenentwicklung dämpfen. Deswegen liegt unser Gesetzentwurf vor, der die Sonderzuwendungen kürzen muss.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Das Urlaubsgeld von 332 € wird bis einschließlich Besoldungsgruppe A 8 auch in Zukunft gezahlt. Auch in den Besoldungsgruppen A 9 und A 10 bleibt es dabei. Alle anderen Beamtinnen und Beamten, die höher besoldet werden, müssen ab 2004 auf das Urlaubsgeld verzichten.

Das Weihnachtsgeld wird im Dezember für alle Beamtinnen und Beamten gezahlt werden. Statt wie im letzten Jahr 86 % werden, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, bei A 2 bis A 6 70 %, bei A 7 bis A 9 67 %, für A 10 bis A 13 und C 1 und B 1 64 % sowie für alle übrigen Besoldungsgruppen 60 % gezahlt werden. B 10, das heißt die Minister und die Staatssekretäre, sind darin natürlich eingeschlossen und haben darüber hinaus eine Nullrunde für das nächste Jahr verabredet.

(Klaus Schlie [CDU]: Ich bin beeindruckt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese moderaten Kürzungen bei den Sonderzuwendungen für Beamte sind immer noch besser als ein massiver Arbeitsplatzabbau, wie er derzeit in vielen Unternehmen Schleswig-Holsteins betrieben wird. Ich kann Ihnen nicht ersparen, auf das hinzuweisen, was der CDUVorsitzende Carstensen den Menschen in SchleswigHolstein immer noch in Bezug darauf erzählt, wie er das haben will. Das werden Sie von uns noch das ganze nächste Jahr hören können.

(Lebhafter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die größtmöglichen sozialen Komponenten eingebaut, um zum Beispiel die einfachen Polizeibeamten zu schonen, wir haben die Arbeitszeit nicht weiter erhöht, wir haben die Möglichkeit der Altersteilzeit wieder eingeführt und wir haben die Tarifsteigerung aus dem Angestelltenbereich übernommen. Wir werden auch bei den Beihilfezahlungen auf Veränderungen drängen, allerdings nicht nach dem Motto, dass jemand dafür bestraft wird, nur weil er öffentlich Bediensteter ist. Wir müssen auch an die Gebührenordnung für Ärzte herangehen. Die Pensionäre konnten wir von Kürzungen nicht ausnehmen. Diese Kürzungen werden analog zu den Kürzungen bei den Aktivbeschäftigten verlaufen müssen. Die Klärung der Finanzierbarkeit ist eine Voraussetzung für eine abschließende Positionierung der Landesregierung, wenn in diesem Zusammenhang über eine Bürgerversicherung geredet werden wird. Im Vorstand der Tarifgemeinschaft der Länder versuche ich, daran mitzuwirken, das Tarifrecht flexibler zu machen, als es derzeit ist.

Schleswig-Holstein ist kein reiches Land. Es wirtschaftet sparsam, wie die im Vergleich schon geringe

Personalkostenquote zeigt. Auch hier ist Herr Carstensen, was die Zahlen angeht, wirklich jenseits von Gut und Böse. Jedenfalls kennt er die schleswigholsteinischen Zahlen nicht.

Wir tun das, was wir tun, mit Bedacht, wir tun es sozial gestaffelt, und wir tun es sozial verträglich. Dies ist durch das Mitwirken der Koalitionsfraktionen die größte soziale Differenzierung, die irgendein Bundesland in der Bundesrepublik vornimmt. Auch darauf, denke ich, muss man hinweisen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegensatz zur Opposition müssen wir unsere Politik finanziell unterlegen und solide finanzieren.

(Lachen bei der CDU)

Wir können es uns also nicht einfach machen und immer mehr Ausgaben fordern, mehr Polizisten, mehr Lehrer, mehr Steuerbeamte, gleichzeitig gegen jeden Kürzungsvorschlag sein und hinter jeder Protestdemonstration herlaufen. Als Opposition ist es Ihr gutes Recht, die Regierung zu kritisieren und zu kontrollieren, aber es ist auch Ihre Pflicht zu sagen, was Sie anders machen würden, also konkrete Konzepte darzustellen.

(Veronika Kolb [FDP]: Das machen wir doch! - Weitere Zurufe bei CDU und FDP)

Kontrollieren - na ja. Kritisieren - meist, populistisch - immer. Seriöse Vorschläge - Fehlanzeige. Ich kann Ihnen sagen: Wir regieren wirklich gerne, aber wir können Ihnen nicht auch noch Ihre Arbeit als Opposition in diesem Hause abnehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.