Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

Struktur des öffentlichen Dienstes. Wenn es nach den Vorstellungen von grünen Bundespolitikern geht, wird es bald keine Beamten mehr geben - so will es Trittin, so will es Volker Beck. Fragt sich, was Hentschel und Heinold davon halten. Als wissenschaftliche Grundlage für diesen Vorstoß der Bundesgrünen dient der Bericht der so genannten „Bull-Kommission“ - übrigens ein ehemaliger Minister dieses Landes. Herr Bull schlägt vor, einen neuen Grundstatus zu schaffen. Es soll keinen Unterschied zwischen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst mehr geben. Es soll nur noch einen einheitlichen Beschäftigungsstatus geben. Grundlage soll ein privatrechtliches Grundverhältnis sein. Dafür sei eine Änderung von Artikel 33 Grundgesetz notwendig - also ein langer Weg.

Dabei stellt Bull Folgendes fest:

„Die deutsche Verwaltung wird ihren Aufgaben und insbesondere den neuen Herausforderungen nicht hinreichend gerecht. Sie ist überlastet, weil die Politik ihr über lange Zeit hin immer mehr Probleme aufgebürdet hat. Dabei sind immer größere, zum Teil unerfüllbare Erwartungen geweckt worden.“

Ich kann dazu nur sagen: Der Mann hat Recht. Allerdings ist seine Schlussfolgerung, deswegen den Beamtenstatus aufzuheben, völlig falsch. Herr Bull hat doch eindeutig festgestellt, dass es die Politik ist, die der Verwaltung immer neue Aufgaben aufbürdet. Die Politik weckt Erwartungen, die zum Teil unerfüllbar sind. Da liegt das Problem. Deshalb sind die Verwaltungen überlastet. Eine Diskussion über die zukünftige Struktur des öffentlichen Dienstes hat nämlich nur die Alibifunktion, von den wirklichen Problemen abzulenken.

Ich habe vor circa zwei Wochen eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt, deren Antwort noch aussteht. Ich habe gefragt, wie viele Gesetze und Verordnungen die Landesregierung seit Beginn der 15. Wahlperiode auf den Weg gebracht hat. Im Bund hat es die rot-grüne Regierung fertig gebracht, von 1998 bis 2002 558 neue Gesetze zu schaffen. Das ist ein stolzer Wert und ich bin gespannt, welchen Wert die Landesregierung nennen wird. Wir müssen dafür sorgen, dass Aufgaben reduziert werden. Wir brauchen keine Gesetze, die niemand vollzieht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir müssen mit dem „Beauftragtenunwesen“ Schluss machen. Ein weiteres Beispiel dafür, was wir nicht brauchen, ist eine Landesbeschaffungsordnung, die bei einem bestimmten Auftragsvolumen und ab einer Zahl von 21 Beschäftigten die Erarbeitung eines be

trieblichen Frauenförderplanes für das Unternehmen zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe macht.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Wir bürden damit sowohl der Verwaltung als auch den Unternehmen einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand auf. Das ist aberwitzig. Da liegen die Probleme. Es sind diese rot-grünen Spielwiesen, die Arbeitskräfte bündeln und Verwaltungen aufblähen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deswegen muss man nicht an den Beamtenstatus ran. Fragen Sie doch einmal die Landesbeamten, welchen Vorteil sie überhaupt noch darin sehen, eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Der einzig noch gebliebene Vorteil aus deren Sicht ist die Einstellung auf Lebenszeit, der sichere Arbeitsplatz. Das ist übrigens ein Begründungselement dafür, warum man ihnen auch ans Gehalt geht. Wenn insbesondere die Grünen nun an diesem Status rütteln, bleibt nicht einmal mehr dieser Anreiz, für den Staat zu arbeiten. Dann wäre da noch das Recht zu streiken. Bisher ist das den Beamten versagt. Stellen Sie sich vor, Sie würden nur noch Angestellte als Lehrer und Polizisten einstellen. Die dürften dann streiken. Sie dürften nicht nur demonstrieren wie gestern, sondern auch streiken. Man stelle sich vor, die Demonstration gestern wäre ein Streik gewesen. Was wären dann die Folgen für die Schulen und die innere Sicherheit? Wir werden auch in der Zukunft Beamte brauchen, die, ordentlich bezahlt, die notwendigen Aufgaben für den Staat erfüllen und sicherstellen, dass das Gemeinwesen funktioniert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Was aber die Beamten nicht brauchen, ist eine Landesregierung, die die Beamten als Sparschwein für die eigenen Verfehlungen heranzieht. Das ist sozial ungerecht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das soziale Herz des Herrn Kubicki hat mich erschüttert. Es ist erstaunlich, was er hier so alles vorträgt bis hin zu der Behauptung, Deutschland könne nicht wie die anderen europäischen Länder Lehrer als Angestellte beschäftigen. Schauen Sie einmal über die Grenzen, Herr Kubicki. Manchen Beitrag von Ihnen verstehe ich schlicht und ergreifend nicht.

(Zuruf von der FDP: Das ist uns klar!)

(Monika Heinold)

Das Wort „leistungsgerechte Bezahlung“ fiel zum Beispiel bei Ihnen überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, es geht in dieser Debatte um zwei Themen, die Kürzung von Sonderzuwendungen und die notwendige grundsätzliche Reform des öffentlichen Dienstes. Ich möchte mit dem Bericht der Landesregierung zur Zukunft des öffentlichen Dienstes beginnen, weil diese Debatte spannend und in die Zukunft gerichtet ist, zumindest wenn man sie ehrlich und offen und mit einem Blick nach vorne führt, während die geplante Streichung des Urlaubsgeldes und die Kürzung des Weihnachtsgeldes Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind.

Zuerst einmal möchte ich mich bei der Verwaltung für die Erstellung des Berichtes bedanken. Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir aus diesem Bericht drei Schlüsse ziehen: Erstens. Die Landesregierung ist bei der Modernisierung des öffentlichen Dienstes weiter als andere Bundesländer. Viele der in Nordrhein-Westfalen beabsichtigten oder diskutieren Maßnahmen, welche ohne Änderung des Grundgesetzes möglich sind, sind in Schleswig-Holstein bereits umgesetzt worden. Ich brauche das nicht zu wiederholen, es ist erwähnt worden. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie das auch mitbekommen.

Zweitens. Der Vorschlag der NRW-Kommission für eine neues Dienstrecht mit einem einheitlichen Beschäftigungsstatus für alle Verwaltungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen ist wegweisend.

Drittens. Solange es in Berlin keine Zweidrittelmehrheit für die Änderung des Grundgesetzes gibt, können wir nur kleine Schritte machen, obwohl große Schritte dringend notwendig wären.

Deshalb bin ich heute dafür, dass sich CDU und FDP gemeinsam mit uns für ein einheitliches Dienstrecht positionieren. Es wäre ein deutliches Signal, wenn sich der Schleswig-Holsteinische Landtag geschlossen für eine solche Dienstrechtsreform einsetzen würde bei knappen Sonderregelungen für den eng umrissenen Teil des hoheitlichen Bereiches.

Ich habe die Worte der CDU und der FDP im Ohr, die gemeinsam mit mir im Finanzausschuss, wenn es beispielsweise um das Problem der Frühpensionierungen geht, immer wieder sagen, dass es hier Veränderungen geben muss. Aber nur mahnen hilft nicht, wir müssen deutliche Signale nach Berlin schicken.

Dem Bericht zufolge würden sich mit dieser Lösung viele Probleme lösen lassen, welche wir heute immer wieder gemeinsam beklagen. Wir hätten ein einheitliches Renten- und Gesundheitssystem für alle Beschäftigen, also einen Schritt in Richtung Bürgerver

sicherung. Für Berufstätige würde der Wechsel zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Politik erheblich vereinfacht. Das wollen wir doch alle gemeinsam. Wir würden damit aufhören, Versorgungslasten in die Zukunft zu schieben, wir würden die Debatte um die Privilegien der Beamten endlich beenden, weil wir eine Gleichstellung hätten, und die Beamten müssten sich nicht immer wieder ungerechten Vorwürfen aussetzen. Bei gleicher Tätigkeit würden Beamte und Angestellte auch netto endlich gleich viel verdienen. Auch das ist ganz wichtig.

Der Bericht macht deutlich, dass es natürlich zu Übergangsproblemen kommen würde und dass auch ein zwischenzeitlich erhöhter Finanzaufwand durch die Umstellung nicht auszuschließen ist. Dies darf uns aber nicht abschrecken. Wer Angst vor neuen Herausforderungen hat, wird die notwendigen Reformen in Deutschland nicht bewältigen können. Voraussetzung ist, dass es eine bundesweite Regelung gibt. Der isolierte Versuch eines Bundeslandes, den richtigen Weg der Entbeamtung zu gehen, ist weder politisch noch finanziell durchzuhalten; diese Erfahrung haben wir hier in Schleswig-Holstein gemacht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und bezahlt!)

Der Versuch Schleswig-Holsteins, zumindest Teile des im Grundgesetz verankerten Beamtenrechts zu modernisieren, ist bisher im Bundesrat leider gescheitert. Wenn wir aber feststellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung reformbereit ist, wie die neueste Studie gezeigt hat, müssen wir diese Situation auch nutzen, um umfassende und tief greifende Reformen zu beschließen. Dazu gehört ein einheitliches Dienstrecht. Der schriftliche Bericht, aber auch der Bericht des Ministers heute hat deutlich gemacht, dass in Schleswig-Holstein schon viele Veränderungen im organisatorischen Bereich und beim Personalmanagement im Interesse einer modernen Verwaltung umgesetzt werden konnten.

Ich sichere der Landesregierung für meine Fraktion die Unterstützung zu, dass auch weitere Schritte mit unterstützt werden. Ich sehe uns schon wieder alleine vor den Demonstranten stehen.

(Lachen bei der CDU - Zuruf von der FDP: Die kommen ja auch ihretwegen!)

Außerdem setze ich darauf, dass die von der Innenministerkonferenz zurzeit erarbeiteten Leitlinien für die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes wegweisende Vorschläge machen. Ich gehe davon aus, dass diese Leitlinien auch von CDU- und FDPregierten Ländern mitgestaltet werden. Ob Sie dann im Zweifel wieder dagegen sind oder dafür, ist egal, solange es der Innenministerkonferenz gelingt, bun

(Monika Heinold)

desweit eine tragfähige Lösung zu finden, die ein Schritt nach vorne ist. Sobald diese Richtlinien fertig sind, sollten wir das Thema im Ausschuss wieder aufgreifen.

Nun zum zweiten Teil der heutigen Debatte, der Beteiligung der Beamten an den Sparmaßnahmen des Landes. Grundlage ist das Übereinkommen der Bundesländer im Bundesrat, dass die Länder bei der Bezahlung der Beamten eigene Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Die Umsetzung in den einzelnen Ländern zeigt, dass fast alle Länder davon Gebrauch machen, egal welches Parteibuch regiert. So senkt beispielsweise Hessen mit den Stimmen der FDP das Weihnachtsgeld 2003 auf 60 % ab, für Versorgungsempfänger und -empfängerinnen auf 50 % und das Urlaubsgeld wird ab 2004 mit Ausnahme der unteren Gehaltsgruppen völlig gestrichen.

Herr Kubicki - und meine Damen und Herren von der CDU -, für wie dumm müssen Sie eigentlich die Beamten halten, wenn Sie glauben, dass die Beamten Ihren Versprechungen auf einer Demonstration mehr glauben als Ihrem Regierungshandeln in allen anderen Bundesländern?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich hinstellen und sagen, Kürzungen und Streichungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien die pure Verzweiflung einer Regierung, man benutze damit die Beamten als Sparschwein,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist das auch!)

dann sage ich Ihnen: Gehen Sie nach Hamburg, stellen Sie sich auf den Rathausplatz und verkünden Sie das dort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wieso soll er nach Hamburg gehen, er ist hier Abgeordneter! - Weitere Zurufe von der FDP)

- Weil dort die FDP genau diese Linie vertritt.

Ich sage Ihnen noch eines, weil wir in anderen Situationen immer wieder über Politikverdrossenheit klagen: Wenn Politik so aussieht, dass die Entscheidungen nicht danach fallen, was man für gut und richtig hält oder für notwendig, sondern wenn Entscheidungen von Parteien und Fraktionen nur danach getroffen werden, ob sie auf der einen oder auf der anderen Seite des Hauses sitzen, nämlich ob Sie in der Regierungsverantwortung sind oder ob Sie gerade Oppositionspolitik machen,

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Ihr typi- sches Handeln!)

dann sage ich Ihnen, das schürt Politikverdrossenheit und das führt dazu, dass wir alle miteinander nicht glaubwürdig sind.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ihre Politik führt zu Freudenprozessionen!)

In Hessen, um in diesem wunderschönen Bundesland zu bleiben, wird also nicht nur das Weihnachts- und Urlaubsgeld gekürzt und gestrichen, sondern zusätzlich die Arbeitszeit auf 42 Stunden für die Landesbeamten erhöht. So viel zu Ihren Ausführungen zur Polizei.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wissen Sie über- haupt, wo Hessen liegt?)

Niedersachsen will seinen Haushalt durch Einsparungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Jahre 2004 um über 200 Millionen € entlasten. Ich erspare Ihnen die Details der anderen Länder, aber es wird deutlich