Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Ich kann verstehen, dass Ihnen das peinlich ist. Es ist also falsch zu behaupten, dass die stärkste Fraktion automatisch einen Anspruch auf die Bildung der Regierung hat. Auch ist es normal, mit knappen Mehrheiten zu regieren. Es gilt noch immer der Satz: Mehrheit ist Mehrheit, den der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Joachim Hörster, 1995 im Bundestag aussprach, als er das verfassungsrechtliche Gebot begründete, dass sich bei der Besetzung der Ausschüsse die vom Wähler getroffene Entscheidung widerspiegeln muss.

Meine Damen und Herren von der Opposition, kehren Sie zurück zum demokratischen Verfahren, zum demokratischen Miteinander hier im Landtag!

(Zurufe von CDU und FDP)

Für meine Fraktion sage ich Ihnen ganz deutlich: Wir schätzen die Abgeordneten des SSW. Wir haben sie immer geschätzt und wir haben ihnen immer die gleichen Rechte zugesprochen. Ich finde es problematisch, wenn ich aus den vorherigen Beiträgen habe heraushören können, ich sage das einmal im Konjunktiv, dass hier gedroht würde. Ich gehe davon aus, dass dies so nicht gemeint ist. Lassen Sie uns ab heute wieder beginnen, gemeinsam im Interesse des Landes in der Sache zu streiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich danke der Vertreterin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und gebe das Wort der Sprecherin der Gruppe der Abgeordneten des SSW im Landtag, Frau Abgeordneter Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich zur Geschäftsordnung reden, aber ich werde mein Manuskript beiseite legen und auf ein paar Bemerkungen eingehen. Erste Bemerkung: In den letzten Wochen ist sehr viel über Mehrheiten und Minderheiten, über Wahlgewinner und Wahlverlierer gesprochen worden. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten ein anderes Rechenbeispiel gegeben. Hätten 735 Wähler mehr die FDP gewählt, dann hätten wir heute eine von CDU und FDP geführte Koalitionsregierung in diesem Haus. Diese hätte 35

Mandate hinter sich. Sie hätte aber nicht die Mehrheit an Stimmen hinter sich, denn es würden ihr immer noch rund 24.000 Stimmen fehlen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt also, man muss auf dem Teppich bleiben.

Zweite Bemerkung: Der SSW ist nie die leicht behinderte Schwester der anderen Parteien gewesen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Wir sind eine eigenständige politische Partei. Wir entscheiden und unseren Weg hat unser Parteitag lange vor dem Wahlausgang deutlich gemacht. Dazu stehen wir. Darum noch einmal: Der SSW hat sich in der Landtagsarbeit nie neutral verhalten. Die Mehrheiten in diesem Land haben immer die Stimmen des SSW mitgezählt. Es gibt ein interessantes Beispiel aus dem Jahr 1971, das sehr aktuell ist. Die Kreisreform ist nur mit der Stimme des damaligen SSWAbgeordneten Berthold Bahnsen zustande gekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Harry Cars- tensen [CDU])

- Lieber Kollege Carstensen, das ist nie der Fall gewesen. Glauben Sie mir. Ich kenne in diesem Haus am besten die Geschichte des SSW.

Noch etwas: Für den SSW hat Ausschussarbeit nie bedeutet, dass wir uns zurücklehnen und nicht Stellung beziehen. Wir haben inhaltlich mitgearbeitet. Wir wissen, was es heißt, schneller laufen zu müssen, um in den Ausschüssen präsent zu sein. Wir haben nur nicht mitstimmen können. Es ist natürlich richtig, dass wir in unserer SSW-Arbeit auch ohne dieses Stimmrecht klargekommen sind, weil wir als Abgeordnete letztlich alles zurück in den Landtag holen können. Das ist unser Recht als Abgeordnete in diesem Haus.

Die Situation ist aber so, dass wir uns von der verfassungsrechtlichen Wirklichkeit haben belehren lassen müssen.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

- Ja, das ist so. Ja, das ist kein Dollpunkt. Das wisst Ihr genauso gut wie ich. Das heißt, um unser unabhängiges politisches Mandat zu sichern, ist das der einzige Weg. Darum stehen wir dazu. Der SSW hat wie alle anderen auch - wie die FDP, wie die Grünen - ein Grundmandat in den Ausschüssen und wir werden die Ausschussarbeit weiterhin so machen.

Eine letzte Bemerkung zu der Befreiung des SSW von der Fünfprozenthürde. Dazu ist in den letzten

(Anke Spoorendonk)

Wochen so viel gesagt worden, vielleicht auch viel, was man vielleicht hätte nicht sagen sollen. Die Befreiung des SSW von der Fünfprozenthürde ist ein Stück gelebte Demokratie.

(Zuruf der Abgeordneten Herlich Marie Tod- sen-Reese [CDU])

Es gab Anfang der 50er-Jahre - -

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das sind wir doch schon immer gewesen, lieber Herr Kollege Kubicki. Das ist doch wahr.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU] - Weitere Zurufe von der CDU)

- Lieber Kollege Schlie, wer hat denn das Wahlgesetz in Schleswig-Holstein geändert? - Der SSW doch nicht.

(Klaus Schlie [CDU]: Wir doch auch nicht!)

- Darf ich vielleicht fortfahren? - Weiter zu dem Punkt Befreiung des SSW von der Fünfprozenthürde: Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns als Partei der dänischen Minderheit und der Friesen

(Zuruf von der CDU: Nicht der Friesen!)

- und der mit uns zusammenarbeitenden Friesen! - gleichberechtigt mit allen anderen hier im Parlament an der politischen Arbeit beteiligen können. Das ist gelebte Demokratie und kein Minderheitenschutz. Das ist auch genau das, worauf es jetzt in den Ausschüssen ankommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir haben jetzt diese Argumente noch einmal ausgetauscht - -

(Zurufe von der CDU)

- Ja, ja. Jetzt kommt die Arbeit und dazu stehen wir auch. Also, bitte schön, ein bisschen mehr Sachlichkeit wäre angebracht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Kollegin Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/8, Änderung der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtages, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. -

Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen worden.

Ich lasse dann über die Fortgeltung der bisherigen Geschäftsordnung mit den soeben beschlossenen Änderungen einschließlich der Geheimschutzordnung insgesamt abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die neue Geschäftsordnung, das heißt die bisherige Geschäftsordnung mit den soeben beschlossenen Änderungen, mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU und FDP angenommen. Damit haben wir eine neue Geschäftsordnung beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Wahl und Vereidigung der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/6 (neu)

Wahlvorschlag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/7

Der Wahlvorschlag der Drucksache 16/6 (neu) lautet:

„Der Landtag wolle beschließen:

Der Abgeordnete Peter Harry Carstensen wird zum Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt.“

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Wahlvorschlag Drucksache 16/7 lautet:

„Der Landtag wolle beschließen:

Die Abgeordnete Heide Simonis wird zur Ministerpräsidentin des Landes SchleswigHolstein gewählt.“

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)