Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

Dennoch ist es wichtig und richtig, dass wir nun zu einer selbständigen und zeitgemäßen Regelung mit dem Heiligen Stuhl finden, um unsere Beziehungen im Geiste - lassen Sie mich sagen - freiheitlicher Partnerschaft zu festigen und fortzuentwickeln. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Vertrag breite Zustimmung fände.

(Beifall)

Ich danke Frau Ministerin Erdsiek-Rave und erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion begrüßt den Abschluss des Vertrages zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der römisch-katholischen Kirche ausdrücklich. Auf die Inhalte muss ich nicht eingehen; diese sind von der Frau Ministerin im Einzelnen dargestellt worden. Die Vertragsunterzeichnung und die Beschlussfassung durch das Parlament werden das ohnehin vertrauensvolle Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche noch weiter stärken. Der Staatskirchenvertrag mit dem Heiligen Stuhl ist ein wichtiges und zugleich beeindruckend nüchternes Dokument der religiösen Einheit in Vielfalt, die die Menschen in Schleswig-Holstein in und mit unserem Land verbindet und auch prägt.

Denn das gewiss nicht immer spannungs- und konfliktfreie, aber trotzdem friedvolle Zusammenleben unserer Gesellschaft fußt auf dem festen Fundament unserer christlichen Werte. Das christlichhumanitäre Menschenbild bestimmt unser Handeln in allen Bereichen des Lebens, es prägt die Haltung eines jeden Einzelnen - auch in der Politik. Es prägt auch das Bewusstsein derer unter uns, die einen Glauben haben oder einer ethischen Verantwortung folgen, aber keiner Kirche und keiner Religion nahestehen.

Wir alle sind geprägt von der Kultur des christlichen Abendlandes. In der leider nicht ratifizierten Verfassung der Europäischen Union wird in der Präambel ausdrücklich Bezug genommen auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“. Sie zusammen bilden den Humus, auf dem eine gute Zukunft Europas gedeihen wird.

Unser der Subsidiarität verpflichtetes Europa wächst zuallererst von unten zusammen. Daher be

grüße ich es sehr, dass Schleswig-Holstein diesen Vertrag mit der katholischen Kirche vereinbart, vor allem aber auch, weil unser Land im Bewusstsein seiner Verantwortung für seine katholischen Bürgerinnen und Bürger gehandelt hat.

Aber Schleswig-Holstein ist und bleibt protestantisch. Dennoch erfolgt mit der jetzt erzielten Vereinbarung eine letztlich nur natürliche Anpassung an die bevölkerungspolitische Realität, die spätestens mit dem Ende des Weltkriegs zu einem Anstieg der katholischen Bevölkerung im Land geführt hat.

Die Vereinbarung ist für mich zugleich ein klares Dokument der nach unserem staatsrechtlichen Verständnis gebotenen Trennung von Staat und Kirche.

Meine Damen und Herren, manche Kritiker haben sich im Vorfeld des ausgehandelten Vertrages gerade mit Blick auf die finanziellen Verpflichtungen des Landes skeptisch dazu geäußert. Diesen Kritikern sage ich: Das Geld ist nun wirklich gut angelegt. Die Kostenregelung ist festgeschrieben, Zusatzzahlungen entstehen nicht. Hier werden keine vor allem aber keine üppigen - Gelder unter dem allgemeinen Diktat des Sparzwanges leichtfertig aus der Hand gegeben.

Nein, im Gegenteil, ich halte die Sozialleistungen sowie deren Effizienz und das kulturelle Schaffen der beiden Kirchen, der evangelisch-lutherischen wie der katholischen, an die das Land ja Mittel vergibt, für außerordentlich vorbildlich.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen den Kirchen geradezu dankbar sein, dass sie auf vielen sozialen Feldern - aber nicht allein dort - Verantwortung übernehmen.

Die großen Religionen stellen sich ihrer Verantwortung für den Frieden und den sozialen Ausgleich in aller Welt. Sie übernehmen Verantwortung durch die Überzeugungskraft ihrer Worte und das gute Beispiel, nicht aber dadurch, dass materielle Macht ausgeübt wird.

Wir brauchen, so glaube ich, die Kirchen heute mehr als jemals zuvor, in unserer Zeit gesellschaftlicher Atomisierung und globaler Unübersichtlichkeit zugleich. Die Sehnsucht der Menschen nach Gemeinsamkeit, nach Rückbesinnung, nach einem Gefühl von Vertrautheit, nach Heimat - auch nach geistiger Heimat - steigt.

Beide Kirchen sind für viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein Stück dieser Heimat.

(Stellvertreterin des Ministerpräsidenten und Ministerin für Bildung und Frauen Ute Erdsiek-Rave)

Wir tun gut daran, diese geistig-seelische Heimat, diese Prägekraft des Christentums in unserer Kultur - wie der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Huber, kürzlich formuliert hat - zu stärken, wo immer wir können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe meine Rede ein Stück gekürzt; die vollständige Fassung können Sie in meiner Pressemitteilung nachlesen. Ich glaube nämlich, dass in diesem Zusammenhang noch ein anderes Thema kurz angesprochen werden muss. Ich meine die Aufhebung des Kirchenbanns gegen vier erzkonservative Bischöfe, unter ihnen ein Leugner des Holocaust, der englische Bischof Richard Williamsen. Ich glaube, der Presseinformation des Kollegen Fischer ist an dieser Stelle im Grunde nichts hinzuzufügen.

Ich finde es dennoch wichtig, dass der Vatikan deutlich gesagt hat, dass solche Äußerungen absurd und moralisch wie historisch inakzeptabel sind. Es kann in meinen Augen keine Entschuldigung sein, dass diese Äußerungen vor Rücknahme des Kirchenbanns erfolgt sind.

(Beifall im ganzen Haus)

Johannes Paul II. hat nicht nur Verträge abgeschlossen, sondern auch in Yad Vashem deutlich gesagt, dass er jede Form von Antisemitismus verurteilt.

Hier hätte die katholische Kirche mehr Sensibilität zeigen müssen. Der Vatikan ist aufgefordert, hier zu handeln. Ich glaube, dass das Vorgehen des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller, der seinem britischen Amtsbruder Hausverbot erteilt und gestern gesagt hat, dass die Äußerungen von Williamsen menschenverachtend seien, beispielgebend für alle sein kann.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir dürfen dem Rechtsextremismus in unserem Land nirgends und an keiner Stelle, auch nicht durch Leichtfertigkeit, eine Chance geben. Ganz im Gegenteil, wir müssen ihn im Keim ersticken, wenn solche Gedanken irgendwo aufkommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Rolf Fischer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kirchenstaatsverträge regeln die Beziehungen, also das strukturelle und inhaltliche Zusammenwirken, zwischen Staat und Kirchen. Vor dem Hintergrund der Trennung von Kirche und Staat fixieren sie also ein Kooperationssystem, das durch eine enge, aber unabhängige Zusammenarbeit bestimmt ist.

Wir betreten mit diesem weiteren Staatsvertrag also nicht wirklich Neuland, sondern kodifizieren die bestehende Praxis und schaffen die vertragsrechtliche Gleichbehandlung mit den anderen Kirchen in Schleswig-Holstein, ergänzt um wenige Punkte wie Rundfunk oder Datenschutz, die neu zu regeln waren; die Ministerin hat schon darauf hingewiesen. Und doch ist der Abschluss dieses Vertrages ein Anlass zur Debatte. Das ist gut und richtig so: Denn die Grenze zwischen Staat und Kirche ist eben nicht starr, ist eben nicht statisch, sondern immer wieder zu diskutieren, am besten gemeinsam zwischen Politik und Kirchen. Das wird der Tenor meines Vortrags sein. Lassen Sie mich das an wenigen Beispielen aus dem Kirchenstaatsvertrag deutlich machen:

Die SPD-Fraktion begrüßt die in Artikel 3 hervorgehobene Bedeutung der Sonn- und Feiertage. Nur Alltage, das wäre so grau, wie das Sprichwort sagt, und in jeder Bezeichnung abträglich für die Menschen. Wir sind hier ganz deutlich an der Seite der Kirchen und der Gewerkschaften.

Auch die Formulierung zum Religionsunterricht in Artikel 5 berührt diese besondere Grenze zwischen Kirche und Staat. Die gefundene Formulierung regelt zu Recht diesen Punkt analog zur bestehenden Praxis und macht damit die unterschiedlichen Verantwortungsebenen deutlich.

Die finanzielle Dynamisierungsklausel in Artikel 15 hat allerdings in Zusammenhang mit der fehlenden Laufzeitvereinbarung des Vertrages zu umfassenden Diskussionen geführt - sehr nachvollziehbar angesichts des Zustandes der öffentlichen Haushalte. Insbesondere die Finanzfachleute - ich schaue hier bewusst in Richtung meines Kollegen Günter Neugebauer - äußerten Vorbehalte, die sicherlich der Meinung anderer in der Öffentlichkeit entsprechen und ernst genommen werden müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die SPD-Fraktion hat das getan, was sich in einer solchen Situation anbietet: Sie hat das direkte Ge

(Martin Kayenburg)

spräch mit der katholischen Kirche gesucht. Wir haben nicht nur über den Kirchenstaatsvertrag gesprochen, sondern auch über viele soziale, historische und politische Fragen wie das Reichskonkordat von 1933. Das war ein offener und fruchtbarer Austausch; das waren gute Gespräche. Ich sage an dieser Stelle den Vertretern der katholischen Kirche - ich sehe Herrn Doppke - vielen Dank für diesen Austausch.

Die Kosten sind schon vom Landtagspräsidenten angesprochen worden. Sie sind festgelegt; die Zahl ist fixiert. Der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der evangelischen Kirche, den es einzuhalten gilt, und der Verweis auf die Freundschaftsklausel in Artikel 22, die Korrekturen auch finanzieller Art möglich macht, sind für uns ein gangbarer Weg.

Der Kirchenstaatsvertrag regelt unter anderem auch das Stiftungsrecht, das kirchliche Eigentumsrecht, die seelsorgerische Betreuung in JVAs, Heimen und Krankenhäusern. Alle diese Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, betreffen die beschriebene Grenze zwischen Kirche und Staat, zwischen Religion und Gesellschaft.

Wir wissen, dass zur notwendigen kulturellen Orientierung der Gesellschaft auch die Religion gehört. Religion ist eben keine Privatsache. Sie kann sich nicht aus dem öffentlichen Raum heraushalten. Gerade deshalb sind aber auch kirchliche Äußerungen oder Entscheidungen, die unsere Gesellschaft insgesamt betreffen, besonders abzuwägen und mit Weitsicht zu treffen.

Die Entscheidung des Heiligen Stuhls, vier Bischöfe, darunter einen, der klar und deutlich den Holocaust leugnet, in die Kirche zurückzuholen, ist für mich nicht akzeptabel.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Auch wenn sich Politik bei der Kommentierung innerkirchlicher Beschlüsse zurückzuhalten hat - ich sage das ganz bewusst -, so wird diese Entscheidung sehr klare gesellschaftspolitische Folgen zeitigen: Die Opfer fühlen sich getroffen - das ist überall nachzulesen -, die Ewiggestrigen sehen sich bestätigt, und der interreligiöse Dialog wird belastet. Das ist - ich darf es von dieser Stelle aus sehr diplomatisch sagen - für uns mehr als irritierend und sollte am besten korrigiert werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Doch zurück zum Staatsvertrag, zurück nach Schleswig-Holstein! Er ist wie beschrieben Ausdruck eines partnerschaftlichen Verhältnisses, das nun eine tragfähige Basis erhält und durch Vertrauen geprägt ist.

Wir freuen uns auf die Debatte in den Ausschüssen.

Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn ich damit den Applaus sicherlich halbiere, sage ich noch Folgendes: Ich bin der Meinung, die deutschen Sinti und Roma - sie sind übrigens überwiegend katholisch geprägt - müssen in der Landesverfassung genannt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Rolf Fischer und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

(Unruhe)