Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

(Unruhe)

Außerdem wäre ich froh, wenn die letzte Reihe die Erörterungen über den nachfolgenden Abend draußen fortsetzen könnte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die in Artikel 4 des Grundgesetzes verankerte Glaubensund Gewissensfreiheit zählt zu den Eckpfeilern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Staat und Kirche sind in Deutschland getrennt, aber zu den konkreten Folgerungen aus den Bestimmungen unserer Verfassung zählt auch die Notwendigkeit, dass sich der Staat um ein gedeihliches Verhältnis zu den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften in unserem Land bemühen muss.

Die Überlegung, die bislang nicht vertraglich geregelten Beziehungen zwischen dem Land SchleswigHolstein und der katholischen Kirche auf eine vernünftige vertragliche Grundlage zu stellen, war und ist daher auch aus Sicht der FDP gut nachvollziehbar. Die vor etwa zwei Jahren erfolgte Aufnahme entsprechender Verhandlungen haben wir daher begrüßt.

Das Ergebnis, das uns nun die Landesregierung in dem hier zu debattierenden Gesetzentwurf vorlegt, trifft auch weithin auf unsere Zustimmung; allerdings muss ich sagen, dass es in einem Punkt aus unserer Sicht einen Vorbehalt und Anlass zu kritischen Fragen gibt. Dies betrifft die Problematik der „ewigen“ Gültigkeitsdauer des Vertragstextes. In

(Rolf Fischer)

soweit - das will ich ausdrücklich betonen - haben wir Bedenken, nicht etwa deshalb, weil es sich um einen Vertrag mit der katholischen Kirche handelt; vielmehr bestehen einfach prinzipielle Bedenken.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verträge, die das Land „ewig“ binden, sind aus unserer Sicht grundsätzlich nicht wünschenswert. Es ist misslich, dass dieser Punkt in dem konkreten Fall zutage tritt, in dem es um einen Kirchenstaatsvertrag mit dem Vatikan geht. Schließlich sieht der seit 1957 bestehende Vertrag mit den evangelischen Landeskirchen eine ähnliche Regelung vor. Das haben wir im Parlament vielfach diskutiert. Auch hier würden wir, käme ein solcher Vertrag heute neu auf den Tisch, den gleichen Vorbehalt formulieren, den ich eben geäußert habe.

Schließlich gibt es auch andere Beispiele. Der Vertrag, den das Land 1998 mit den jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein geschlossen hat, enthält eine konkrete Laufzeitregelung sowie eine Verlängerungs- und eine Kündigungsklausel. Auch wenn es sich dabei um eine Vereinbarung mit Gemeinden handelt, die neu entstanden sind - es besteht also gewissermaßen eine andere Ausgangssituation als bei der katholischen Kirche -, so ist doch diese Form der Vertragsbeziehung mit einer Religionsgemeinschaft beziehungsweise einer Kirche unseres Erachtens für ein säkulares Staatswesen angemessener als ein Vertrag mit Ewigkeitsgarantie.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zur Frage der parlamentarischen Beratung möchte ich noch Folgendes kritisch anmerken.

Seitens der Staatskanzlei und der Koalitionsfraktionen hat es anfangs Überlegungen gegeben - es ist auch ein entsprechendes Ansinnen an uns herangetragen worden -, den vorliegenden Gesetzentwurf in dieser Plenartagung nicht nur in erster, sondern - im Hau-Ruck-Verfahren - auch gleich in zweiter Lesung zu behandeln. Ein solches Vorgehen halten wir bei einem inhaltlichen Anliegen dieser Art, bei einem Kirchenstaatsvertrag, für ein absolut unangemessenes parlamentarisches Vorgehen, und hiergegen haben wir auch Widerspruch erhoben.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Ich bin im Bildungsausschuss von der Frau Vorsitzenden und auch von einer leitenden Mitarbeite

rin der Staatskanzlei angesprochen und gefragt worden, ob man nicht so verfahren könne.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist falsch!)

- Ich bin gefragt worden, und ich habe sofort Nein gesagt. Auch Frau Kollegin Spoorendonk hat widersprochen. Die Grünen waren, ich glaube, weil Frau Birk krank war, in der Sitzung nicht vertreten. - Ich wollte das nur ansprechen. Das ist bei einem Thema dieser Art wirklich nicht angemessen.

Ich will jetzt nicht auf ein paar kleine Punkte eingehen, bei denen es um Abweichungen zwischen dem Hamburger und dem schleswig-holsteinischen Vertragstext geht. Das sind alles Kleinigkeiten. Diesbezüglich habe ich einfach noch ein paar Informationswünsche an die Landesregierung. Auch das zu beraten, muss in einem geordneten Verfahren, in Ausschusssitzungen - es wird ja nicht ewig dauern möglich sein.

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch eine kurze Anmerkung zu einem Thema, das hier bereits wiederholt angesprochen worden ist, nämlich zu den Irritationen, die es seit einigen Tagen wegen der Aufhebung der Exkommunizierung des Erzbischofs Richard Williamson gegeben hat, der als Leugner des Holocausts zum Kronzeugen rechtsextremistischer und antisemitischer Gruppierungen geworden ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In Deutschland würde er bestraft werden!)

Für meine Fraktion möchte ich ausdrücklich feststellen: Wir teilen die Kritik an dieser Entscheidung des Papstes. Wir möchten aber in diesem Zusammenhang aber auch nicht unerwähnt lassen, dass sich sowohl die Deutsche Bischofskonferenz als auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sehr klar von Williamsons Äußerungen distanziert haben. Insofern sollte dieser Vorgang die aktuelle Thematik, die wir hier zu behandeln haben, nicht überschatten.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

(Dr. Ekkehard Klug)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere staatskirchenrechtliche Ordnung ist einfach: Wir haben Religionsfreiheit, eine Trennung von Staat und Kirche und ein Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und dem Heiligen Stuhl zeitgemäß ist.

Selbstverständlich erfüllt die Kirche wichtige Aufgaben, angefangen bei der Versorgung mit Kindertagesstätten bis hin zu Aufgaben der Seelsorge und der Altenpflege. Die Kirchen sind als gesellschaftliche Kraft etabliert, und gerade in Fragen der Flüchtlingspolitik und bei anderen wichtigen sozialen Konflikten sind sie wichtige Bündnispartner. Auf dieses Engagement können und wollen wir nicht verzichten.

Deshalb geht es nicht um die Frage, ob der Staat die Arbeit der Kirchen finanziell unterstützen soll, sondern es geht einzig und allein darum, in welcher Form und auf welcher Grundlage der Staat dies tun soll.

Aus Sicht meiner Fraktion haben sich traditionelle Kirchenstaatsverträge in einem modernen demokratischen Rechtsstaat mit einer bekenntnispluralen Gesellschaft überholt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Denn ein Kirchenvertrag wird immer nur mit einer einzelnen Bekenntnisgemeinschaft ausgehandelt und danach als Gesetz beschlossen. Die bessere Lösung wäre es, die ideelle und finanzielle Unterstützung der Religionsgemeinschaften und der Kirchen nicht durch einzelne Verträge, sondern durch allgemeine gesetzliche Regelungen sicherzustellen.

Der vorliegende Staatsvertrag unterstreicht die Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes, gibt in verschiedenen Bereichen die geltende Rechtslage wieder und sichert die Erteilung des katholischen Religionsunterrichts und die staatlich unterstützte konfessionelle Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu. Im Wesentlichen sichert der Vertrag der Kirche Rechte zu, die sie qua Verfassung ohnehin schon innehat: Glaubensfreiheit, Selbstverwaltungsrecht, Religionsunterricht sind bereits im Grundgesetz festgelegt.

Neu im Gesetzesentwurf ist hingegen die finanzielle Bindung, die das Land auf Dauer eingehen soll. Der Vertrag enthält keine Vereinbarung über Laufzeit und Kündigung. Stattdessen wird vertraglich

zugesichert, dass das Land eine Ablösung nicht ohne Zustimmung der katholischen Kirche durchführt. Meine Damen und Herren, genau das wollten wir nicht mehr machen: Verpflichtungen eingehen, die nicht mehr rückholbar sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Mit solchen Verträgen zementieren wir den Landeshaushalt und nehmen der zukünftigen Generation jeden Gestaltungsspielraum.

Durch die im Vertrag an die Beamtenbesoldung gebundene Dynamisierungsklausel verpflichten wir uns nicht nur auf immer und ewig, sondern die Ausgaben werden auch jährlich steigen. Das ist nicht zeitgemäß, und das entspricht auch nicht dem Willen des Finanzausschusses, der gerade im letzen Jahr beschlossen hatte, dass der schon vorhandene Ewigkeitsvertrag mit der evangelischen Kirche zeitgemäß umgestaltet werden soll.

Der Landesrechungshof stellt angesichts des vorliegenden Gesetzesentwurfs fest, dass mit diesem Gesetz die Staatsleistungen nicht gesenkt, sondern künftig erhöht werden und dass die seit 1919 verfassungsrechtlich gewollte Trennung von Staat und Kirche unvollkommen bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Fraktion schließt sich dieser Kritik des Rechnungshofs an. Der vorliegende Vertrag geht einseitig zulasten des Landes Schleswig-Holstein. Ohne Not schränken wir auf immer und ewig die Handlungsfähigkeit zukünftiger Parlamente ein.

Der Vertrag ist aber auch aus grundsätzlicher Erwägung nicht zeitgemäß. Die staatsferne Kirche ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Neuzeit für Staat und für Kirche. Lassen Sie uns nicht wieder dahinter zurückfallen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold und erteile das Wort für den SSW der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Hol

stein und dem Heiligen Stuhl wurde bereits vor drei Wochen, am 12. Januar 2009, unterzeichnet. Bei diesem Anlass betonte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, dass der Vertrag „nicht nur eine Frage rechtlicher Regelungen“ sei. Das steht außer Zweifel. Um Grundsatzfragen, wie sie aus dieser Feststellung abzuleiten sind, geht es meines Erachtens heute und hier aber nicht. Hinzu kommt - auch das darf nicht vergessen werden -, dass sich sowohl der Finanzausschuss wie auch die Haushaltsprüfgruppe und der Landesrechnungshof in der Vergangenheit mehrfach mit den Kirchenverträgen des Landes befasst haben. Auch ein Kirchenvertrag ist ein Vertrag, der allen rechtlichen und demokratischen Gepflogenheiten genügen muss. Es liegt somit ein Votum des Landtags vor, wonach die vertraglichen Verpflichtungen des Landes gegenüber den Kirchen dringend zu modernisieren sind. Das betrifft vor allem die Geltungsdauer der Verträge.

(Beifall beim SSW)

Das Land hat 1998 einen Vertrag mit den jüdischen Gemeinden abgeschlossen, der explizit eine begrenzte Geltungsdauer vorsieht. Ähnliches ist für die evangelische Kirche vorgesehen und sollte auch für die katholische Kirche gelten. Der vorliegende Vertrag ignoriert allerdings vollständig diese Diskussionen und damit auch das im Landtag beschlossene Votum des Finanzausschusses zu den Bemerkungen des Landesrechnungshofs von 2007.

Hinzu kommt, dass der vorliegende Vertrag praktisch zur Reform des Vertrags mit der evangelischen Kirche zwingt. In den Erläuterungen zu den Artikeln 5, 14 und 16 wird nämlich darauf hingewiesen, dass die jeweilige Zustimmung der katholischen Kirche nur erfolgte, weil eine Anpassung des evangelischen Staatsvertrages in Aussicht gestellt wurde. Damit liegt es im Sinn der Gleichbehandlung nahe, dass dann auch der neue Vertrag mit der evangelischen Kirche ohne Beschränkung der Geltungsdauer unterschrieben wird. Aus Sicht des SSW muss der Vertrag mit der katholischen Kirche also entsprechend geändert werden.

Kritisch zu hinterfragen ist meines Erachtens auch, wie sich die sogenannte Freundschaftsklausel in Artikel 22, wonach Meinungsverschiedenheiten

„freundschaftlich“ auszuräumen sind, praktisch auswirkt.

Zur Erläuterung möchte ich eine Winzigkeit des Vertrages herausgreifen: Der Vertrag garantiert die kostenlose Weitergabe der Meldedaten an die katholische Kirche, was der gängigsten Praxis entspricht. Wenn allerdings das bundesweite Zentralregister kommt - das plant der Bund ja spätestens für 2011 -, stellt sich die Frage, ob das Land dann eventuell anfallende Gebühren tragen wird. Ich gehe davon aus, dass dieser Passus dann neu verhandelt werden muss. Auch angesichts derartig absehbaren neuen Handlungsbedarfs sollte eine Geltungsdauer des Vertrages vereinbart werden.