auch wenn ich klar sage: Unsere kritische Position, die wir im Februar letzten Jahres vertreten haben, hat sich nicht geändert, was die Position der Grünen zu diesem Themenbereich betrifft.
Aber ich will auf zwei, drei Punkte - wenn die Zeit noch reichen sollte, auf drei, sonst nur auf zwei - etwas detaillierter eingehen, die mit dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen zusammenhängen.
Meine Damen und Herren von den Fraktionen von SPD und CDU, was ist eigentlich gemeint und gewollt, wenn Sie beantragen, die Landesregierung möge sich auf Bundesebene für eine Vereinheitlichung der Abschlüsse zum Meister und zum Bachelor Professional einsetzen? In Sachen Bachelor Professional gibt es bekanntlich eine grundlegende
Meinungsverschiedenheit, zu der die Antragsteller aber keine klare und nachvollziehbar begründete Position beschreiben.
Die Wirtschaftsministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben dazu diametral entgegengesetzte Standpunkte bezogen. Auch unter den Verbänden der Wirtschaft gibt es extrem unterschiedliche Auffassungen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks möchte die Bezeichnung „Bachelor Professional“ quasi als Übersetzungshilfe hochwertigen berufsbildenden Abschlüssen wie dem Meister zuordnen. Ähnlich sehen es auch die Industrie- und Handelskammern, die über ihre Weiterbildungsinstitute gern diesen Titel mit Fortbildungszertifikaten, beispielsweise zum Fachwirt IHK, verbinden möchten. Natürlich steht dahinter auch ein wirtschaftliches Interesse der auf dem Weiterbildungsmarkt tätigen Institute.
Die Hochschulrektorenkonferenz, der Wissenschaftsrat, der DGB und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände stehen dieser Verwendung des Bachelor-Titels eher skeptisch oder sogar entschieden ablehnend gegenüber. Kernpunkt der Kritik ist, dass dadurch die Akzeptanz des akademischen Bachelor-Grades als neuer berufsqualifizierender Hochschulabschluss infrage gestellt wird. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt stellte fest:
„Unternehmen werden endgültig die Übersicht verlieren. Ein Bachelor Professional wertet die Berufsbildung nicht auf, sondern sorgt dafür, dass Bachelor nichts mehr aussagt.“
„Da im europäischen Ausland solche Bachelor-Abschlüsse in der beruflichen Bildung unbekannt sind, wird auch das Ziel der internationalen Mobilität und Vergleichbarkeit nicht erreicht. Darum kann man ebenso gut die bisherige Bezeichnung Meister oder Fachwirt beibehalten.“
Die FDP-Fraktion sieht hier noch erheblichen Klärungsbedarf und teilt die Einwände gegen eine inflationäre Verwendung der Abschlussbezeichnung Bachelor.
Zweiter Punkt. Nach unserer Auffassung fehlt im Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen eine Aussage dazu, dass die Zusammenarbeit der be
rufsbildenden Schulen und der allgemeinbildenden Schulen - insbesondere, das ergibt sich aus dem Sachzusammenhang, der Haupt- und Realschulen, Regional- und Gemeinschaftsschulen sowie Förderschulen - im Rahmen der Berufsvorbereitung verbessert werden sollte. Die bislang gewählten Ansätze zur besseren Verzahnung von Schule und Arbeitswelt - im Antrag unter Abschnitt III angesprochen - sind unseres Erachtens noch keine optimale Lösung. Dies betrifft insbesondere den neuen Bildungsgang der „Berufseingangsklassen“ - BEK. Die Berufsschulen erteilen dabei sieben Stunden Unterricht an einem Tag wie bisher in den Kursen für Jugendliche ohne Ausbildung - JoA. Von anderen Trägern werden dann den jungen Menschen an anderen Tagen im Rahmen des Handlungskonzeptes „Schule und Arbeitswelt“ unseres Erachtens nicht immer zielführende Beschäftigungen geboten. In jedem Falle wäre aber eine Evaluierung dieses neuen Ausbildungsangebots - BEK - mindestens ebenso sinnvoll und dringend notwendig wie auch eine Evaluation der vollzeitschulischen Berufsbildungsgänge, wie es in dem Antrag der Regierungsfraktionen unter Abschnitt II gefordert wird.
In jedem Fall wäre es dringend notwendig, die Probleme, die sich bei einem Teil der Jugendlichen heute für den Übergang ins Berufsleben ergeben, schon frühzeitiger als bisher so weit wie möglich auszuräumen, und dazu bedarf es - wie ich eben gesagt habe - einer entsprechend verbesserten Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen einerseits und allgemeinbildenden Schulen andererseits. Kurz gesagt, es kommt darauf an, die Probleme, die wir heute bei der Ausbildungsreife und damit beim Übergang in das Berufsleben bei einem erheblichen Teil von jungen Menschen erleben, gar nicht erst entstehen zu lassen, dem frühzeitiger entgegenzuwirken, statt relativ spät nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule sozusagen Reparaturveranstaltungen durchzuführen. Das ist der Ansatz. Dazu bedarf es auch entsprechender Personalressourcen.
Dritter Punkt, ganz kurz nur in Stichworten angesprochen: das Thema der Quereinsteiger und der Seiteneinsteiger. Ein wichtiges Thema, wenn es darum geht, Berufsschullehrer insbesondere in den Fächern zu bekommen, in denen wir heute kaum Bewerber mit einem Studienabschluss berufsbildender Lehramtsstudiengänge auf dem Arbeitsmarkt haben.
Ich mache auch gleich Schluss. - Eine kurze Anmerkung: Es stellt sich die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen wir wirklich erfolgreich solche Seiteneinsteiger in den Schuldienst der berufsbildenden Schulen hineinbekommen können. Da ergeben sich in der Praxis eine Reihe von Fragen, die im Ausschuss noch nachzuarbeiten wären.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug und erteile für den SSW der Frau Vorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute stehen gleich zwei Anträge zur Stärkung und Entwicklung der beruflichen Bildung zur Debatte. Der Antrag der Großen Koalition zieht inhaltlich gesprochen einen Schlussstrich unter das Jahr 2008 als das Jahr der beruflichen Bildung. Sozusagen als Antwort auf diesen Antrag haben die Grünen ihren alten Antrag aus dem Februar 2008 noch einmal hervorgeholt.
Der Antrag der Großen Koalition greift eine Reihe von Einzelproblemen auf, die auch aus Sicht des SSW zu reparieren sind. Mit der Aussage gegen eine Zersplitterung der Ausbildungsberufe werden aber die eigentlichen Herausforderungen ignoriert. Aus Sicht des SSW geht es nicht um eine Veränderung der Berufsbilder, sondern um die notwendige Modularisierung der einzelnen Lerninhalte.
Außerdem ist die Abbrecherquote in der beruflichen Ausbildung in Schleswig-Holstein weiterhin viel zu hoch, sodass hier ein Lösungsvorschlag oder zumindest die Erwähnung durch die Große Koalition wünschenswert gewesen wäre. Die verkehrten Erwartungen, Unzufriedenheit über Lerninhalte und andere Probleme in den Berufsschulen sind Faktoren, die in einem individuellen Stützsystem der einzelnen Jugendlichen gelöst werden können. Das ist ein Punkt, mit dem wir uns in der Ausschussberatung noch einmal befassen müssen. Erst mit einem flexiblen Baukastensystem schaffen wir es, die ho
he Abbrecherquote in der beruflichen Bildung zu senken, da die Jugendlichen dann erst nach einer beruflichen Basisorientierung und dem Erlernen grundlegender Kompetenzen den Ausbildungsberuf wählen müssen.
Zu begrüßen ist die Erkenntnis der Großen Koalition, dass die Qualität der beruflichen Lehrerausbildungsgänge an der Universität Flensburg verbessert werden muss. Hierbei geht es vor allem um eine strukturelle Veränderung der Lehrerausbildung, ohne die wir nicht weiterkommen. Auf entsprechende Initiativen dürfen wir mit Blick auf den Koalitionsvertrag gespannt sein, wo doch der Status quo in der Lehrerausbildung eigentlich in Beton gegossen ist.
Die Grünen legen mit ihrem Antrag eine Reihe von Vorschlägen zur Modularisierung und Anerkennung von Teilqualifikationen in der beruflichen Bildung vor. Das begrüßen wir. Völlig daneben aber ist die Forderung nach einer Schulpflicht, die erst mit der Absolvierung der gymnasialen Oberstufe oder einer Berufsausbildung endet und deren Erfüllung das Ordnungsamt überwachen soll. Mit dieser Forderung habt ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das Konzept des lebenslangen Lernens auf den Kopf gestellt. Es geht nämlich nicht um lebenslänglich, sondern um eine Motivierung und Befähigung aller Menschen, über die gesamte Lebensspanne hinweg zu lernen. Ich weiß das geht aus der Begründung hervor -, dass es in erster Linie darum geht, allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu geben. Das ist ein wichtiges Ziel. Unserer Meinung nach erreicht man es eben nicht, indem man einfach die Schulpflicht verlängert und dann das Ordnungsamt dazu verdonnert, dies zu kontrollieren.
Die Forderung nach der Einrichtung von Produktionsschulen beweist, dass der Antrag doch ein bisschen zu schnell geschrieben wurde. Es hat in Schleswig-Holstein Erfahrungen mit Produktionsschulen nach dänischem Vorbild gegeben. Das ist ein richtiger Einstieg. Problematisch ist, dass es ein Projekt gewesen ist.
Die Herausforderung besteht nun darin, die verschiedenen Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung zu optimieren und vor allem in einem transparenten System miteinander zu verzahnen. Wir fordern daher eine Systematisierung der beruflichen Bildung und ein klar gestuftes System mit Ausbildungsmodulen, das allen offensteht.
Wie die FDP hätten wir uns gewünscht, dass beide Anträge in den Ausschuss überwiesen werden. Wir finden, das ist angemessen und gute parlamentarische Praxis.
Jetzt soll anscheinend in der Sache abgestimmt werden. Wenn dies geschieht, werden wir uns bei dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthalten, weil wir einige Bedenken haben. Ich habe bereits in der Februar-Debatte gesagt, dass vieles aber auch mit dem vergleichbar ist, was wir fordern. Das ging auch aus meiner Rede hervor.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für einen Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere an die Aufmerksamkeit der Kolleginnen Schümann, Langner und Eisenberg. Habe ich Sie wirklich richtig verstanden, dass Sie ein zweites Mal unseren Antrag noch nicht einmal im Ausschuss behandeln wollen?
Ich danke für die Unterstützung von Frau Spoorendonk und Herrn Dr. Klug, die bei Kritik an unserem Antrag dennoch an übliche parlamentarische Gepflogenheiten erinnern. Ich stelle mir vor, dass dieses wichtige Thema zu einer Anhörung im Ausschuss führen sollte.
Völlig klar ist: Die Berufsschulszene, die IHKs, die Handwerkskammern diskutieren diese Themen. Wir sind zum Beispiel demnächst in Lübeck eingeladen, aber auch in anderen Bereichen, wo regionale Zusammenschlüsse mit uns über die Zukunft der beruflichen Bildung sprechen wollen. Also tun wir doch gut daran, diese Leute zu uns in den Ausschuss einzuladen und eine strukturierte Debatte zu führen!
Sie wissen, dass wir als Fraktion das Recht haben zu versuchen, im Ausschuss Anträge, die im Landtag abgelegt worden sind, im Rahmen des Selbstbe
fassungsrechtes einzubringen. Von diesem Recht werden wir Gebrauch machen. Vor dem Hintergrund der differenzierten sachlichen Debatte - wir sehen in den Reihen der Koalition durchaus Bewegung im Vergleich zur Debatte von vor einem Jahr - bitten wir, unseren Antrag mit zu überweisen. Ich weiß nicht, welches Exempel Sie hier statuieren wollen.
Wir sind selbstverständlich bereit, unseren Antrag im Sinn einer Auseinandersetzung mit den Praktikern zu optimieren, Kritikpunkte aufzugreifen. Aber zu behaupten, unser System sei insgesamt so fernab jeder Realität, dass es sich nicht lohne, sich damit auseinanderzusetzen, ist eine ganz schön hochnäsige Haltung.