Auch in Schleswig-Holstein ist die Situation nicht besser als im Bundesbereich. Nach dem Bildungsbericht von Ministerin Schavan landeten in Schleswig-Holstein sogar 42,8 % aller Jugendlichen - das sind über 11.000 Jugendliche jährlich - im Übergangssystem. Lediglich 42,7 % - also weniger - bekamen einen Ausbildungsplatz nach Schulabgang in der hoch gelobten dualen Ausbildung. Und das traf nicht nur Hauptschüler. Von den im letzten Herbst unversorgten Schulabgängern hatten nach dem Bericht des Ministeriums - unseres eigenen Ministeriums - 40 % einen Realschulabschluss und 11 % sogar eine Fachhochschulreife oder Hochschulreife. Und auch diese bekamen keinen Ausbildungsplatz in Schleswig-Holstein. Und trotzdem wurde von Ministerium, IHK und Bundesagentur im letzten Herbst noch lauthals verkündet, alle Jugendlichen seien untergebracht. Das ist eine unentschuldbare Falschmeldung - die Betroffenen müssen sich da verhöhnt vorgekommen sein.
Ich freue mich, dass auch die Große Koalition in Schleswig-Holstein das Thema jetzt ernst nimmt und einen Antrag vorgelegt hat. Das finde ich gut.
Damit mich hier niemand missversteht: Das duale Ausbildungssystem leistet großartige Beiträge in der Qualität der Ausbildung und bei der Integration der Auszubildenden in den ersten Arbeitsmarkt. Dies möchte ich ausdrücklich loben und mich bei allen dahinter stehenden Akquisiteuren und Betrieben bedanken.
Die grüne Landtagsfraktion begrüßt auch das Handlungskonzept „Schule und Arbeitswelt“ der Landesregierung, um den Übergang der Jugendlichen von der Schule in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern. Aber wir stellen fest, angesichts der Problemlage reicht das nicht aus. Anstatt weiter mit Programmen, Fördermaßnahmen und Handlungskonzepten an den Symptomen herumzudoktern - wie es auch der Antrag der Regierungsfraktionen erneut versucht -, sollte die Politik endlich eine grundlegende, systematische Verbesserung des Ausbildungssystems vornehmen.
Meine Fraktion hat dazu diesen Vorschlag erarbeitet. Wir haben ihn im vergangenen Jahr bei zahlreichen Besuchen in den Berufsschulen mit Lehrerinnen, Lehrern und anderen Akteuren im Berufsbildungssystem intensiv diskutiert und an verschiedenen Punkten konkretisiert.
Ziel unseres Vorschlags ist ein Gesamtsystem, das sicherstellt, dass alle Jugendlichen eine Berufsausbildung bekommen. Dafür sollen folgende Eckpunkte gelten: Alle Jugendlichen machen entweder Abitur oder eine Berufsausbildung. Die Schulpflicht wird bis zum Abschluss einer Berufsausbildung oder bis zum Abitur ausgeweitet. Das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt. Das muss auch durch einen Abgleich der Meldedaten kontrolliert werden - was zurzeit nur im Kreis Schleswig-Flensburg passiert.
Die Berufsausbildung soll grundsätzlich nach dem 10. Schuljahr beginnen. Die Vorstellung, dass Hauptschüler schon nach neun Schuljahren eine Berufsausbildung beginnen können, ist nicht mehr realistisch. Das 10. Schuljahr sollte aber als berufsvorbereitendes Jahr mit Theorie und Praktika auch an der Berufsschule absolviert werden können. Es geht nicht, dass wir Hauptschüler nach neun Jahren praktisch in Konkurrenz zu Realschülern auf den
Arbeitsmarkt schicken, die ein Jahr länger Schule haben, kompetenter sind, und in Konkurrenz zu Gymnasiasten, die schon 13 Jahre Schule hinter sich haben. Es ist völlig unfair, die Hauptschüler nach neun Jahren auf den Arbeitsmarkt zu schicken und zu sagen, jetzt müsst ihr euch gleich bewerben. Da haben sie keine Chance. Deshalb muss dieses System geändert werden, und wir sollten deshalb dieses Berufsvorbereitungsjahr als Standardjahr 10. Schuljahr einführen. Das hat die Aufgabe, den Hauptschülern oder allen Schülern, die sich in diesem Schuljahr befinden, zu helfen, eine Berufsausbildung zu finden. Man kann sie dabei direkt unterstützen und die Verbindung zu den Betrieben herstellen.
Ausbildung und Schule sollen modularisiert werden. Die praktischen, theoretischen und allgemeinbildenden Module sollen gesondert testiert und bei einem Wechsel der Ausbildung oder der Schule angerechnet werden. Das ist ganz wichtig. Das wird übrigens auch von der EU im europäischen Qualitätsrahmen gefordert.
Es soll in Zukunft fünf Formen der Sekundarstufe II geben: erstens eine betriebliche Ausbildung im dualen System, wie wir sie kennen, zweitens eine staatlich anerkannte Ausbildung an privaten oder staatlichen Einrichtungen, wie wir sie auch kennen - zum Beispiel Krankenpflegeausbildung, Verwaltungsdienst oder Erzieherinnenausbildung -, drittens - neu - eine Ausbildung an einer Berufs- oder Produktionsschule mit vergleichbaren Praxisanteilen in Betrieben oder in überbetrieblichen Ausbildungszentren der Kammern. Die Grundlage dafür wurde bereits 2005 durch die Änderung des § 43 des Berufbildungsgesetzes geschaffen. Einige Bundesländer - auch CDU-Länder - haben das bereits umgesetzt. Erste Versuche in Schleswig-Holstein laufen; bisher ist aber wenig passiert.
Viertens eine gymnasiale Oberstufe - wie wir sie kennen - an Gymnasien, Fachgymnasien oder an einer Gemeinschaftsschule. Die fünfte Form ist eine mehrwertige, polyvalente vierjährige Oberstufe mit dualer Berufsausbildung und Abitur. Das halte ich für wichtig, weil wir zurzeit in einer ganzen Reihe von Berufen die Situation haben, dass die Jugendlichen erst Abitur machen, dann eine Berufsausbildung machen und erst danach studieren. Das ist verschenkte Zeit. Das Beispiel gibt es bei Versicherungen, Banken, aber auch typischerweise bei Informatikern. Hier sollte man eine polyvalente Oberstufe einführen, sodass die Schüler nach der zehn
Für die Finanzierung des Systems können die zahlreichen Warteschleifen gegengerechnet werden. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft können sogar erhebliche Gelder gespart werden. Es sollte aber auch geprüft werden, ob nach dem Modell der Bauwirtschaft Betriebe in den Branchen, in denen unter Bedarf ausgebildet wird, durch eine Abgabe herangezogen werden können, wenn sie nicht selbst ausbilden.
Ich freue mich, dass eine Reihe von wichtigen Problemen auch im Antrag der Koalitionsfraktionen aufgegriffen wird. Insbesondere freut mich, dass die CDU über den Schatten gesprungen ist und das Thema vollzeitschulische Ausbildung endlich aufgreift.
Nicht einverstanden sind wir dagegen mit der Ausweitung der zweijährigen Ausbildungsgänge. Alle Erfahrungen zeigen, dass schwächere Jugendliche eher mehr Zeit als andere brauchen, um eine Ausbildung zu absolvieren. Im Bäckerhandwerk ist das vorbildlich realisiert worden. Dort kann man das hinterher zum vollen Gesellen ausbauen. So, wie es im Bäckerhandwerk realisiert worden ist, stelle ich mir das vor für eine Kurzausbildung.
Meine Damen und Herren, das Jahr der Berufsausbildung, das wir zurzeit haben - vielleicht haben es einige schon gemerkt -, sollte ein Anlass dafür sein, die Probleme der Ausbildung nicht länger zu ignorieren. Wir brauchen deshalb dringend eine Reform und Erweiterung des Berufsbildungssystems.
Ja, ich bin schon beim Schluss. Packen wir es an! Ich hoffe, dass wir die Anträge ausführlich im Ausschuss beraten können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr der beruflichen Bildung hatten wir im letzten Jahr, Herr Hentschel. Das hätten Sie vielleicht in Ihrem Manuskript vom letzten Jahr korrigieren müssen, damit Sie das heute zeitgerecht hätten vortragen können.
Es gilt inzwischen als sicher, dass die deutsche Wirtschaft 2009 um 2 bis 3 % schrumpfen wird. Die Unternehmen werden nach allen Möglichkeiten suchen, ihre Kosten zu senken. Nach allen Erfahrungen werden viele dabei gerade die Ausbildung des Nachwuchses nicht als Zukunftssicherung, sondern als finanziellen Ballast ansehen und sich teilweise oder ganz aus der Ausbildung zurückziehen.
Im Landtag und in der Öffentlichkeit besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass die duale Ausbildung die beste Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist. Trotz aller Anstrengungen der Länder und des Bundes stehen nicht für jeden Schulabsolventen in Quantität und Qualität ausreichende Ausbildungsplatzangebote zur Verfügung.
In der Einschätzung darüber sind wir uns einig, nur die Lösungsansätze sehen ein bisschen anders aus.
Der Entschließungsantrag, den wir heute einbringen, führt eine Reihe von Maßnahmen auf, mit denen die Gleichwertigkeit der allgemeinen und der beruflichen Bildung bereits gestärkt worden ist, und fordert die Landesregierung auf, weitere Schritte in diese Richtung zu gehen und dabei besonders dem Nachwuchsmangel, der sich bei den Berufsschullehrern in bestimmten Fachbereichen abzeichnet, mit gezielten Maßnahmen zu begegnen, die ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht nochmals aufzählen kann.
Die Fraktion der Grünen hat einen weiterentwickelten Antrag vorgelegt, mit dessen Erstfassung sich das Plenum bereits im Februar des vergangenen Jahres grundsätzlich befasst hat. Wir haben den damaligen Antrag ohne Ausschussberatung abgelehnt, weil die grundsätzlichen Diskrepanzen so unüberwindbar waren, dass es ein müßiges Unterfangen gewesen wäre, einen für alle Fraktionen tragfähigen Text daraus zu formulieren. Wir nehmen natürlich zur Kenntnis, dass die Änderungen der antragstellenden Fraktion an der früheren Fassung weitergehen als nur der Tippfehler in der Überschrift. Ihre sogenannte „polyvalente Oberstufe“ soll nicht mehr vier Jahre dauern. Die 10. Klasse ist nicht mehr zwingend ein 10. Hauptschuljahr.
Wir haben weiterhin große Vorbehalte gegen die Atomisierung der Ausbildungsgänge durch die Modularisierung, wie Sie sie grundsätzlich einführen wollen. Die Attestierung von Teilqualifikationen ist hier wie in allen anderen Bereichen des Bildungswesens ein richtiger Weg; das haben wir ja auch im Zusammenhang mit Studienabbrechern immer gesagt.
Die Schulpflicht so auszudehnen, dass sie bis zum Abitur oder zu einem Ausbildungsabschluss dauert, ist nach meiner Auffassung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil wir dann Volljährige der Schulpflicht unterwerfen würden. Ganz unabhängig davon, ob das überhaupt sinnvoll wäre, glaube ich nicht, dass wir dafür die notwendige Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erhalten.
Ihr Verweis auf die Produktionsschulen, die besonders in Dänemark ein sehr erfolgreiches Modell sind, ist diskussionswürdig. Ich warne aber vor allen Überlegungen, die duale Ausbildung dadurch zu unterhöhlen, dass wir immer mehr rein staatliche Alternativen einrichten, die es der Wirtschaft allzu leicht machen, sich aus den Kosten der Ausbildung zurückzuziehen und sie zu verstaatlichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen Königsweg, der uns garantiert, dass die Beteiligung an der dualen Ausbildung endlich bedarfsdeckend wird und dass unser gemeinsames Ziel, dass jeder Jugendliche einen Schulabschluss und eine qualifizierte Berufsausbildung erhält, sei sie akademisch oder nicht akademisch, vollständig umgesetzt wird.
Die Kollegin Eisenberg hat angedeutet und beschrieben, wie wir über die Anträge abstimmen werden. Auch wir werden Ihren Antrag erneut ablehnen. Ich glaube, ich habe das eben hinreichend begründet. Wir werden unseren Antrag an den Ausschuss überweisen und dort im Detail und in genügender Ruhe und mit entsprechender Tiefe weiter diskutieren.
Ich danke Frau Abgeordneter Jutta Schümann und erteile das Wort für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.
schlaggebend dafür, welche Chancen junge Menschen zur Teilhabe am Erwerbsleben erhalten. Zuletzt hat der Landtag vor eineinhalb Jahren ausführlich über bildungspolitische Fragen und Herausforderungen debattiert, die sich im Zusammenhang mit der Entwicklung im Bereich der beruflichen Bildung stellen. Ausgangspunkt war damals die Antwort der Landesregierung auf die von der FDPFraktion eingebrachte große Anfrage zum Thema Situation und Perspektiven der beruflichen Bildung in Schleswig-Holstein.
Diese Diskussion, die wir damals geführt haben, wird zu Teilen heute von den Erschließungsanträgen aufgegriffen, insbesondere auch in den Punkten, die im Antrag der Regierungsfraktionen angesprochen werden. Ich nenne nur zwei Beispiele: die Frage der Anerkennung von Ausbildungsteilen vollzeitschulischer Ausbildungsgänge im Rahmen von Kammerprüfungen und das Thema der zweijährigen Ausbildungsgänge im Rahmen der Berufsausbildung im dualen System.
Gleichwohl gibt es aus unserer Sicht eine Reihe von Punkten auch im Antrag der Regierungsfraktionen, die eine ausführlichere Beratung im Bildungsausschuss notwendig machen. Ich freue mich, dass Sie bereit sind, diese Diskussion im Detail dort zu führen.
Zum Antrag der Grünen haben wir in der Tat im Kern unsere Position schon im Februar dargelegt. Ich wäre aber bereit, auch hier eine Ausschussüberweisung mit zu beschließen, weil natürlich auch den Grünen das Recht eingeräumt werden sollte, ihre Anliegen im Ausschuss noch einmal anzusprechen,