Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Oppositionsführer, lieber Kollege Kubicki, ich merke mir das: Ich werde in Zukunft keine Kollegin mehr zum Kaffee bitten.

Zentrale Frage ist doch: Meistert man eine Krise, die durch gigantische Schulden ausgelöst wurde? Ich will mich einmal auf das besinnen, was die Ursache der Krise ist.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Ideologie ist die Ursache!)

- Dass wir so wichtig sind, ist schön, Herr Hentschel! - Meistern wir eine Krise, die durch gigantische Schulden ausgelöst wurde, wirklich dadurch, dass wir noch mehr Schulden machen? Meistert man dadurch diese Krise wirklich? - Ich glaube, mit Sicherheit nicht.

Die vereinbarte Schuldenbremse, die hier auch schon ins Gespräch gebracht wurde, ist wohl eher ein symbolischer Akt. Wenn sie überhaupt kommt, soll sie eher in der übernächsten Legislaturperiode des Bundestags greifen. Das ist ein Grund, aus dem verantwortungsvolle Unionspolitiker genannt wurden. Ich halte es für verantwortungsvoll, dass sich unter anderem der Landesgruppenchef der Union in Schleswig-Holstein, Ole Schröder, bei einer Abstimmung in der Unionsfraktion enthalten hat und ganz klar gemacht hat: Wenn diese Schuldenbremse nicht, und zwar gleich mit dem Konjunkturpaket kommt, wenn wir hier nicht einen klaren Riegel vorschieben, können wir dem Konjunkturpaket nicht zustimmen. Das ist verantwortungsvolle Politik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei FDP und CDU)

Zu der Lehrstunde - ich habe bei Ihrer sehr genau zugehört, Herr Dr. Stegner - über antizyklische Politik habe ich in den letzten zehn Jahren meiner Parlamentszugehörigkeit Folgendes gelernt: Antizyklische Politik á la Stegner heißt, der Staat gibt in guten Zeiten mehr Geld aus, als er eigentlich hat, und häuft Schulden auf, und in schlechten Zeiten gibt er noch mehr Geld aus, das er nicht hat, und häuft noch mehr Schulden auf und löst dadurch die nächste scharfe Krise aus, weil er so viele Schulden aufgehäuft hat.

(Beifall bei der FDP)

Nur vor dem Hintergrund, dass Herr Stegner das als antizyklische Politik verkauft, kann man erklären, dass er sich ernsthaft hier hinstellt und sagt, er habe dafür gesorgt, dass der Staat handlungsfähig geblieben ist. Vor diesem Hintergrund kann man nur den Kopf schütteln, Herr Stegner, und sagen: Nehmen Sie sich ein makroökonomisches Lehrbuch zur Hand und lesen Sie nach, was antizyklische Politik wirklich bedeutet!

(Beifall bei der FDP)

(Dr. Heiner Garg)

Die Krise werden wir auch nicht dadurch überwinden, dass ein Land, dessen Wohlstand zu über 60 % auf Exportleistungen fußt, auf einmal zunehmend protektionistische Maßnahmen berät und beschließen lässt. Jedes neue Handelsabkommen zum Beispiel mit der Volksrepublik China sichert mehr Arbeitsplätze und schafft mehr Wohlstand als dieses Sammelsurium, das uns insgesamt als Konjunkturpaket verkauft werden soll. Jede Reform des Steuerrechts mit dem Ziel, es einfacher, gerechter und mit geringeren Steuersätzen zu machen, ist wirkungsvoller und schafft mehr Wohlstand und Arbeitsplätze als dieses Sammelsurium.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Hentschel, Sie liegen völlig falsch in Ihrer Präsentation der Vorstellung vom neuen amerikanischen Präsidenten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der Kernpunkt des Obama-Paketes besteht darin, den Mittelstand massiv durch Steuersenkungen zu entlasten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich kann überhaupt nicht verstehen - das muss an einer Desinformation liegen, die Ihnen zugetragen wurde, oder Sie behaupten hier absichtlich etwas Falsches -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er kann kein Englisch! - Zuruf des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

- Herr Hentschel, Sie sollten sich ernsthaft mit dem Konjunkturprogramm von Obama auseinandersetzen und daraus Lehren ziehen!

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erinnere an die Aktuelle Stunde und die Beiträge zur Großen Anfrage zur Finanzierbarkeit von Verkehrsproblemen von gestern. Ich sage völlig unbeeindruckt von dieser schrill vorgetragenen Kritik an unserem System der sozialen Marktwirtschaft ganz klar: Wir brauchen zur Bewältigung der Krise nicht mehr Staat, der als Unternehmer auftritt, sondern wir brauchen mehr Markt, der klare Spielregeln braucht, die kontrolliert und in dem Fall, dass gegen diese Spielregeln verstoßen wird, konsequent sanktioniert wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das ist das, was wir brauchen. Ich höre beispielsweise, dass der Kollege Hentschel als Antwort auf die Finanzkrise fordert, die Ratingagenturen zu ver

staatlichen. Ich stelle mir vor, jeder Landtag entsendet Abgeordnete, die in Zukunft über das Rating von Banken entscheiden. Wenn das die Antwort ist, haben wir wirklich eine Staatskrise.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich bin dem Fraktionsvorsitzenden der CDU ausgesprochen dankbar. Es geht darum, das Fundament für Wachstum und für Wohlstand zu sichern. Dieses Fundament ist unsere soziale Marktwirtschaft. Es ist das Erfolgsrezept der letzten 60 Jahre, das so vielen Menschen zu Wohlstand verholfen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hentschel, es waren Ihre sogenannten marktradikalen, neoliberalen und konservativen Politiker, die diesem Konzept und dieser Philosophie zum Tragen verholfen haben, und nicht irgendwelche Grünen, die dann irgendwann in die Parlamente kamen. An dieser Stelle wäre also tatsächlich etwas Mäßigung angebracht.

Was in dieser Krise Sinn macht, ist, dass Investitionen, die ohnehin dringend erforderlich sind, vorgezogen werden.

Ich will aber auch eines sagen, und zwar auch kritisch an diejenigen gerichtet, die jetzt hier Regierungsverantwortung tragen, und vor allem an diejenigen, die sie vor dem Jahr 2005 hier getragen haben: Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass sich jetzt jeder darüber freut, dass Sanierungsstau abgebaut werden kann, dass Investitionsstau beseitigt werden kann, weil wir jetzt die größte Wirtschaftskrise überhaupt haben und es endlich ein bisschen Geld zu geben scheint - im Übrigen auch schuldenfinanziert -, um Investitionsstau abzubauen. Ich warne eindringlich davor, in der öffentlichen Kommunikation diesen Eindruck weiter zu verfestigen. Er ist nämlich eher peinlich sowohl für die Vorgängerregierung als auch für die Große Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Gleichwohl haben wir als Landespolitiker die Pflicht -

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] unterhält sich mit Vizepräsiden- tin Ingrid Franzen)

- Herr Kollege Hentschel, das stört. Frau Präsidentin, es wäre ganz nett, wenn das unterbliebe.

Wir machen das leise; es ist in Ordnung. Entschuldigung.

(Dr. Heiner Garg)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in die Bildungsinfrastruktur, in die energetische Sanierung von Gebäuden und in die Ausstattung des ländlichen Raums oder zur besseren Versorgung mit Breitbandinternet machen Sinn. Insofern ist der interfraktionelle Antrag, der heute hier beschlossen werden soll, konsequent.

Ich sage eines aber auch ganz deutlich: Die amtierende Ministerpräsidentin, die stellvertretende Ministerpräsidentin, und der Landesvorsitzende der SPD haben sich letzte Woche vor die Presse gesetzt und mehr Tempo bei den Investitionen gefordert. Da sage ich nur: Sie hätten das höhere Tempo haben können. Einen gleichlautenden Antrag hat meine Fraktion bereits Ende November eingebracht; Sie hätten ihm bloß zustimmen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Dann hätten Sie das höhere Tempo, das Sie in Ihrem grandiosen Presseauftritt eingefordert haben, schon gehabt. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Tempo wird es wohl ohnehin nicht sosehr was werden, denn es ist mittlerweile ein offener Streit zwischen Union und SPD über die Mittelverteilung entbrannt. Und nicht nur zwischen den beiden Großkoalitionären ist der Streit entbrannt, auch innerhalb der Sozialdemokratie gibt es offensichtlich sehr merkwürdige Differenzen, wofür und wie dieses Geld verteilt werden soll.

Ich will einmal die Stellvertreterin von Herrn Stegner zitieren, die im „Ostholsteiner Anzeiger“ schreibt:

„Zwar sind zwei Drittel des Geldes für Bildung vorgesehen.“

Neue Fachräume oder Anbauten seien eigentlich nicht förderfähig, sagt Hagedorn.

Dann will ich einmal aus dem Schreiben der stellvertretenden Ministerpräsidentin und Bildungsministerin vom 15. Januar 2009 zitieren:

„Im Rahmen des von der Bundesregierung beschlossenen zweiten Konjunkturprogramms werden auch Investitionen in die schulische Infrastruktur besonders gefördert werden. Hierbei geht es nach dem derzeitigen Kenntnisstand um Neubau, Erweiterung, Umbau, Sanierung und Modernisierung von Schulen.“

Liebe Landesregierung, ich erwarte an der Stelle Aufklärung: Können Schulen jetzt neu gebaut wer

den? Können Umbauten finanziert werden? Können Anbauten und Modernisierung finanziert werden, wie die Kultusministerin behauptet? Oder hat Frau Hagedorn recht, dass das alles nicht förderfähig sei? Und die Kommunen warnen davor, solche Projekte anzumelden? Also auch hier Kakophonie innerhalb der Großen Koalition, Verwirrung und kein Konjunkturprogramm.

(Beifall bei der FDP)

Völlig unklar ist bis zum heutigen Zeitpunkt, was wo investiert werden soll. Völlig unklar ist der Finanzierungsanteil des Landes und der Kommunen und wie diese Anteile aufgeteilt werden sollen. Es ist nach wie vor unklar, wer über die Sanierung tatsächlich entscheiden soll - die Kommune, der Kreis oder das Land. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: An dieser Stelle macht die Große Koalition in der Krise keine gute Figur. Ganz anders in Niedersachsen. Bei den so viel gescholtenen Konservativen und Liberalen in Hannover ist man sich einig über die Projekte, ist sich einig über die Finanzierung, und man beginnt bereits mit der Auftragsvergabe.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Hier könnten sich vielleicht einmal in der Restlaufzeit der Großen Koalition Union und SPD zum Wohle des Landes dafür entscheiden.